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Die Engadiner Drogenszene lebt wieder auf

In den 1980er-Jahren ist Samedan ein Ort des Drogenkonsums gewesen. 40 Jahre später lässt Ivo Zen die damalige Zeit nochmals Revue passieren. In seinem neusten Film wird gezeigt, wie die Engadiner Drogenszene damals aussah.

Südostschweiz
30.04.20 - 04:30 Uhr
Kultur
Kokain Drogen Kokainkonsum Geldnote
Ivo Zen schätzt: «Rund 30 Personen haben zu der Drogenszene in Samedan gehört.»
ARCHIV

Ein blauer Himmel, eine verschneite Landschaft und weitgehende Stille. Mit dieser Szene auf dem Julierpass beginnt der neue Film des Bündners Filmregisseurs Ivo Zen. Wie «srf.ch» berichtet, handelt der Film «Suot tschêl blau» (redaktionelle Übersetzung; Unter dem blauen Himmel) von der Engadiner Drogenszene in den 1980er-Jahren. Es ist nicht das erste Mal, dass Zen einen Film produziert, der sich mit dem Thema Drogen auseinandersetzt. Das Thema Drogen und dessen Bedeutung interessiere ihn nämlich sehr. «Drogen stehen für einen Aufbruch, für Flucht, für das Verlangen nach mehr, die Unzufriedenheit mit dem Vorhandenen und die Suche nach Antworten über den Horizont der Eltern hinaus», so Zen.

Die Vergangenheit aufleben lassen

Teil des Films sind Menschen, die einen direkten Bezug zur damaligen Zeit haben. Während der Recherchearbeiten musste Ivo Zen aber feststellen, dass nicht alle offen über dieses Thema und die Vergangenheit reden wollten. Diese Herausforderungen seien aber der finale Auslöser für den Film gewesen. «Die Schwierigkeiten mussten Teil des Films werden. Darum ist eine zentrale Frage des Films: ‹Soll man über die Vergangenheit sprechen, oder immer nach vorne schauen?›»

Laut «srf.ch» fanden Ivo Zen und sein Team nach anfänglichen Schwierigkeiten doch Leute, die ihre Geschichten vor der Kamera erzählen wollten. Unter anderen ein Vater, der über die Beerdigung seines drogensüchtigen Sohnes berichtet: «Die Kirche in Samedan, in dem Dorf, in der sich die Drogenszene meistens getroffen hat, ist bei der Beerdigung voll gewesen. Aber nicht nur Freunde und Verwandte waren anwesend, sondern auch Neugierige, die sehen wollten, ob der Pfarrer die Drogen anspricht. Ebenso wollten die Personen sehen, wie wir, die Familie reagieren. Die Schaulustigen meinten, ich als Vater hätte keine Träne vergossen. Aber ich habe Tränen vergossen, einfach im Privaten und nicht dort, wo sie es sehen wollten.»

Solche Todesfälle seien in der Engadiner Drogenszene keine Seltenheit gewesen. Mehrere junge Leute seien damals aufgrund ihres Drogenkonsums gestorben. Ivo Zen schätzt: «Rund 30 Personen haben zu der Drogenszene in Samedan gehört.» Konsumiert wurden die Suchtmittel im Geheimen. Eine offene Szene hätte es nie gegeben.

Tragische Schicksale

Ebenfalls Teil des Films ist die Geschichte eines Paares, ihrer Beziehung und des gemeinsamen Ausstiegs aus der Drogenszene. «Wenn beide Partner berauscht sind, ist das meistens keine gute Kombination. Aber wir erlebten das Gegenteil. Wir hatten sehr viel Glück, wenn man zurückdenkt.»

Wer die Geschichten und Schicksale sehen möchte, muss sich jedoch gedulden. Denn trotz der Premiere von «Suot tschêl blau» am 24. April, gibt es für Interessierte momentan keine Möglichkeit, den Film anzuschauen. Ivo Zen hofft aber, dass der Film möglichst bald auf den Leinwänden zu sehen ist. Denn es seien nicht nur kleine regionale Erzählungen. «Es sind Geschichten, die von der Erinnerung und der Schuld handeln», betont Zen und fügt an: «Es betrifft viele Personen, wie mit tragischen Geschichten umgegangen wird». (paa)

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