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So passen Jugendliche und klassische Musik zusammen

Das Junge Orchester Graubünden gibt es seit elf Jahren. Zusammen etwas erreichen, gemeinsam üben – diese Ziele führten in der Vergangenheit zu erfolgreichen Konzerten. Wie andernorts auch, wird es aber immer schwieriger, Nachwuchs an Bord zu holen. Präsidentin Anna Nüesch spricht über den Reiz der klassischen Musik und weite Anfahrtswege.

Simone
Zwinggi
13.11.19 - 04:30 Uhr
Kultur

«Klassische Musik lässt sich gut mit dem modernen, jungen Leben verbinden», sagt Anna Nüesch, Präsidentin des Jungen Orchesters Graubünden (JOG). Sie erzählt von einem Orchestermitglied, das zugleich Gitarrist in einer Rockband und Geiger beim JOG war. «Selbstverständlich spielte die Kameradschaft eine grosse Rolle, dass er uns ‹Klassikern› treu blieb», sagt sie mit einem Schmunzeln. Aber dennoch, die klassische Musik macht auch ihr, der 20-jährigen Churerin, viel Spass. «Natürlich gibt es klassische Komponisten, die ich gern mag, und solche, bei denen ich die Nase rümpfe, wenn der Dirigent uns ihre Notenblätter vorlegt.»

Nüesch spielt Geige und ist seit mehreren Jahren Mitglied beim JOG. Gemeinsam geprobt wird üblicherweise zweimal pro Monat in Chur. Geleitet wird das JOG von Mathias Kleiböhmer, einem professionellen Cellisten. «Er fordert und fördert uns nicht nur in musikalischer Hinsicht, sondern auch auf organisatorischer Ebene», erzählt Nüesch. So werden innerhalb des Orchesters «Ämtli» verteilt. Proberaum- und Konzertsaalorganisation, Finanzen und Sponsorensuche: Diese und weitere Aufgaben übernehmen die Jugendlichen selbst.

Als Präsidentin ist Nüesch für verschiedene Aufgaben verantwortlich, stellt Kulturförderungsanträge bei Stadt, Kanton und weiteren Kulturförderern. «Im Verlauf eines Jahres läppert sich so Einiges zusammen.» Je nach aktueller Zusammensetzung des JOG müssten für Konzerte teilweise professionelle Musiker engagiert und bezahlt werden. Aktuell sind es Tänzerinnen, die für das JOG im Einsatz stehen. «Am ‹Langen Samstag› in Chur führen wir zwei Konzerte in der Postremise auf, die von zwei Tänzerinnen begleitet werden», verrät Nüesch. Dasselbe Konzert führt das JOG eine Woche später nochmals in Chur und auch in Schiers auf.

Freundschaften dank der Musik

17 Mitglieder zählt das JOG derzeit, um die 20 sollten es etwa sein. «Das wäre ideal», sagt Nüesch. «Aber primär kommt es auf die Zusammensetzung der Instrumente an», ergänzt sie. Derzeit seien viele Cellisten dabei, einen jugendlichen Kontrabass-Spieler gebe es ihres Wissens hingegen nicht in Graubünden. «Und nur Violinisten, das würde natürlich auch nicht funktionieren.»

Was ist es denn, was die Faszination Orchester bei Jugendlichen ausmacht? «Es ist wie bei vielen anderen Hobbies auch», erklärt Nüesch. «Wir machen gemeinsam etwas, das uns Freude macht. Dabei entstehen Freundschaften, die weit über das Musizieren hinausgehen.» Stundenlanges Üben, knallharte Disziplin? «Es gibt schon einzelne unter uns, die sich für ein Musikstudium und das Dasein als professionelle Musiker interessieren. Aber nicht alle von uns können und wollen denselben Aufwand leisten», erklärt Nüesch.

Sie blickt zurück auf all die Konzerte, bei denen sie schon mitspielte. Perfekt seien ihre Auftritte jeweils nicht, sagt die 20-Jährige selbstkritisch. «Und manchmal ärgern wir uns nach dem Konzert furchtbar über unsere Fehler – denn diese bleiben einem ganz genau in Erinnerung.» Aber aus Fehlern lernt man, und nach dem Konzert ist vor dem Konzert. Pro Jahr setzt sich das JOG ein bis zwei Ziele, Konzertauftritte im In- und Ausland. «Und das ist auch gut so. Je näher das Konzert rückt, desto mehr Energie können wir jeweils für das Proben freisetzen», so Nüesch.

Aus allen Ecken des Kantons

Die Mitglieder des JOG kommen aus dem ganzen Kanton, aus der Region Chur, dem Puschlav und dem Engadin. Wobei alle während der Woche in Chur die Schule besuchen oder einer Arbeit nachgehen. «Ansonsten wäre die Anreise zu den Proben zu weit», glaubt Nüesch. Und damit ein Hinderungsgrund, beim JOG mit zu tun. Einer der wunden Punkte für die Zukunft des JOG: die Mitgliederzahl. «In den letzten vier, fünf Jahren ist es immer schwieriger geworden, Neumitglieder zu uns zu holen», sagt Präsidentin Nüesch. Die weite Anreise, andere Hobbies, kein passendes Instrument – das alles spiele mit. «Wir sprechen jeweils im Bekannten- und Freundeskreis davon, fragen bei Musikschulen an, oft jedoch erfolglos», so Nüesch. Sie gibt die Hoffnung aber nicht auf, dass sich auch weiterhin Jugendliche für die klassische Musik begeistern können. Und konzentriert sich zuerst einmal auf die anstehenden Konzerte. Denn diese sind bald.

Die nächsten Konzerte des Jungen Orchesters Graubünden
16. November 2019, 13 Uhr und 14 Uhr: Nordlicht. Postremise Chur (Langer Samstag)
23. November 2019, 19 Uhr: Nordlicht. Postremise Chur
24. November 2019, 17 Uhr: Nordlicht. Aula EMS Schiers
Weitere Informationen zum JOG gibt es hier.

Simone Zwinggi ist Redaktorin bei Zeitung und Online. Nach einem Sportstudium wendete sie sich dem Journalismus zu. Sie ist hauptberuflich Mutter, arbeitet in einem Teilzeitpensum bei der «Südostschweiz» und hält Anekdoten aus ihrem Familienleben in regelmässigen Abständen im Blog Breistift fest. Mehr Infos

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