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«Für mich war es oft ein Affentanz mit Wörtern»

Sina kommt am 21. März nach Glarus. Die Walliser Sängerin spricht über ihre Zusammenarbeit mit Adrian Stern am neuen Album, ihren ersten Swiss Music Award und Schabziger.

Südostschweiz
07.03.19 - 04:30 Uhr
Kultur
«Ich merkte während des Spielens, an welchen Liedern ich selbst hänge»: Sina bringt die Stücke ihres neuen Albums nach Glarus.
«Ich merkte während des Spielens, an welchen Liedern ich selbst hänge»: Sina bringt die Stücke ihres neuen Albums nach Glarus.
PRESSEBILD

Von Reinhold Hönle

Sina, wie alt fühlt man sich, wenn man an den Swiss Music Awards für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird?

Ich hätte nichts dagegen, wenn er «Erste Hälfte des Lebenswerks Award» heissen würde , sonst mache ich mir deswegen keine grossen Gedanken, sondern freue mich einfach, für 25 Jahre aktives Schaffen in der Schweizer Musikszene geehrt zu werden.

Wie viele Swiss Music Awards besitzen Sie schon?

Vorher keinen. Aber es ist ein Anfang . Einige Frauen hätten es verdient, ausgezeichnet zu werden. Sie wären damit auch wichtige Vorbilder für den Nachwuchs. Solche Signale müssen in den Schaltzentralen der Musikindustrie ankommen, in der viele Männer hocken. Wir kennen dieses Ungleichgewicht ja nicht nur in der Musik. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Gleichstellungsartikel, der seit 37 Jahren in der Verfassung steht, immer noch nicht Realität geworden ist.

Instrumentalistinnen sind in der Popmusik immer noch in der Unterzahl.

In den Sparten Jazz, Pop und Rock sind das zwischen fünf und zehn Prozent. Das hat auch mit der Familienplanung zu tun und weil sich viele Frauen gegen das «toughe» Musikbusiness entscheiden. Man verdient wegen der Digitalisierung heute weniger und hat unregelmässige Arbeitszeiten. Es ist für alle schwieriger geworden, von der Musik zu leben. Und Männer setzen öfter alles auf eine Karte, gehen grössere Risiken ein. Mir fehlt der Mut zum grossen Wagnis.

Wenn man das Album hört, war Ihr 50. Geburtstag wohl doch nicht «Numu ä Zahl», oder?

Wir hatten ein lustiges Jahrgängerfest. Diese Geschichte ist nun auf dem Album gelandet. Die Texte sind wichtiger geworden, ich wollte, dass sie den Rhythmus angeben und die Musik sie transportiert. Für mich war es ein mühsamer Start, ein Affentanz mit Wörtern, die mich bis in die Träume verfolgt haben. Ich sah mich in einem Tetris-Spiel, in dem Buchstaben auf mich runterfallen.

Weshalb?

Die Herausforderung war, die Geschichten so lange wirken zu lassen, bis sie erzählt waren. In wenigen Minuten eine Story erzählen zu können, die verständlich ist und einen natürlichen Fluss hat, war ein längerer Prozess. Das Meiste schrieb ich in meine Notizbücher und hielt mich dabei nicht an Reime oder Silbenzahlen. Dann habe ich zusammen mit Adrian Stern probiert, eine Melodie zu komponieren, die den Worten gerecht wird, aber trotzdem musikalisch bleibt.

Wie haben Sie das gemacht?

Adi war in dieser Phase viel bei mir auf dem Land. Wir hatten eine Gitarre und ein Mikrofon. Der Song hatte erst eine Chance, wenn er in seiner Durchsichtigkeit zu glänzen anfing. Dann war da die Idee, die Wirkung von 18 der 25 halb fertigen Songs zu testen, indem wir sie live spielten. Wir luden etwa 30 Leute ins Studio ein, von der Plattenfirma, Verwandte, Freunde, und Menschen, die nichts mit Musik zu tun haben.

Und wie waren die Reaktionen?

Verblüffenderweise war es für mich gar nicht mehr wichtig, wie der Applaus ausfiel. Ich merkte während des Spielens, an welchen Liedern ich selbst hänge. Lösen sie Gefühle aus oder nicht? Möchte ich sie regelmässig live spielen? Und am nächsten Morgen wusste ich, welche 13 Songs auf das Album kommen.

Hat Sie seine TV-Sendung «Songmates» inspiriert, mit Adrian Stern zu arbeiten?

Ich kenne Adrian seit 20 Jahren. Als ich ihn bei einem Loftkonzert von Betty Legler erlebt habe, dachte ich: «Läck, der Mann groovt!» Und das hat sich nicht geändert. Zehn Jahre später ist er, nach dem Tod meines Gitarristen, eingesprungen und hat die Tour mitgemacht. Dann haben wir zusammen Songs komponiert. Nun war der logische nächste Schritt, dass er das Album produziert hat.

Was verbindet Sie mit Adrian Stern?

Wir haben eine ähnliche Auffassung, wann ein Song ein guter Song ist, und wir lieben Folk und Pop. Ich bin mit Abba, Queen und Smokie aufgewachsen und stehe besonders auf den unverwechselbaren Sound der Eagles. Da ich in eine Richtung gehen wollte, bei welcher der Gesang im Mittelpunkt steht, habe ich Adi sofort als möglichen Produzenten gesehen.

Sie sind der Altersfrage vorher elegant ausgewichen. «Wiär sii schön» zeigt jedoch, dass Sie sich sehr wohl mit dem Älterwerden auseinandersetzen und über den ganzen Schönheitswahn lustig machen.

Ich mache mich überhaupt nicht lustig. Ich wollte das Thema Weiblichkeit aus der Perspektive einer reiferen Frau beleuchten – und das bin ich nun mal, ob mir das jetzt gefällt oder nicht. Ich mag einerseits Filter und Retuschen auf Fotos, aber auf der anderen Seite sehe ich mich auch im Spiegel. Dem Zahn der Zeit und dass einem irgendwann die Glieder wehtun, kann man nur mit Humor und Ironie entgegentreten. Am Ende siegt eh die Natur.

Stehen Sie als Frau im Showbusiness unter erhöhtem Druck?

Bezüglich Aussehen finde es manchmal mühsam, dauernd mit seinem jüngeren Ich und damit mit den eigenen Veränderungen konfrontiert zu werden. Das Internet machts möglich. Dabei geht es doch in erster Linie um die Musik.

Das bewegendste Lied des Albums ist für mich «Zeppelin». Es klingt wunderschön und traurig zugleich, als ob Sie und Markus Kühne vom Ende Ihrer Liebe geschrieben hätten und sich nun – wie in «Dä geisch» erbeten – im Frieden trennen würden.

Mein Mann und ich? Es ist alles in bester Ordnung. Wir sind ein Herz und eine Seele! Aber danke der Nachfrage .

Wie kommt trotzdem ein solcher Song zustande?

«Dä geisch» ist die Geschichte einer Freundschaft, die plötzlich zu Ende ist ohne eine Erklärung. Ich brauchte Zeit, um zu akzeptieren, dass diese langjährige Verbindung meinem Gegenüber plötzlich weniger bedeutet hat als mir – zum Teil habe ich es bis heute nicht verstanden.

Weshalb ist Ihr Mann ausgerechnet in «Zeppelin» involviert?

Die Wahrheit ist die: Von diesem Lied gab es acht Versionen. Eine unendliche Geschichte. Ich hatte völlig die Übersicht verloren und brauchte den unverstellten Blick von jemandem, der Distanz zum Thema hat. So kam es, dass Markus als Nothelfer einsprang. Schliesslich haben wir das Lied am allerletzten Studiotag noch einmal aufgenommen. Es hat sich gelohnt.

Sie treten auf Ihrer «Emma»-Tournee auch in Glarus auf. Wie gut kennen Sie das Glarnerland?

Ich bin immer wieder in Glarus und Umgebung aufgetreten – das Kunsthaus und der Klöntalersee sind mir in bester Erinnerung. Da wir meistens weiter müssen, habe ich aber längst noch nicht alles gesehen.

Kennen Sie Glarner Persönlichkeiten in Ihrem Freundeskreis?

Betty Legler war mir in meiner Anfangszeit als starke Persönlichkeit und Frau ein Vorbild – später haben wir bei verschiedenen Projekten zusammen gesungen. Und Roger Rhyner, Musikfan der ersten Stunde, Radiomoderator, Lebensbejaher und Autor der «Geissbock-Charly»-Duftbücher. Mit ihm und dem Team von Radio Zürisee habe ich für meine Radiosendung vor ein paar Jahren einen Walliser Kulturpreis erhalten.

Lieben Sie bestimmte Glarner Produkte?

Ich hatte sehr gerne Glarner Schabziger – bis mein Mann ohne diesen rezenten Gout gar nicht mehr kochen mochte . Die Glarner Beggeli sind mir aber noch längst nicht verleidet.

Was erwartet die Fans im Güterschuppen?

Die Songs der neuen CD «Emma» stehen im Fokus, daneben schaue ich aber auch zurück auf die letzten 25 Jahre. Wer Gitarren mag, sollte vorbei kommen. Mit Jean-Pierre von Dach ist die Band um einen grossartigen Gitarristen reicher.

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