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Walter Hauser auf der Spur ungelöster Schweizer Morde

Vom Fünffachmord in Seewen bis zum Braunwalder Steinschlagprozess: Der Glarner Autor Walter Hauser geht in seinem neuen Buch mysteriösen Mordfällen nach.

Ueli
Weber
16.09.18 - 04:30 Uhr
Kultur
Walter Hauser kehrt zum Wanderweg zurück, von dem er als Reporter über den Braunwalder Steinschlag berichtete.
Walter Hauser kehrt zum Wanderweg zurück, von dem er als Reporter über den Braunwalder Steinschlag berichtete.
SASI SUBRAMANIAM

Sonnenstrahlen fallen durch die Baumkronen auf den Wanderweg, der durch den Wald in Richtung Braunwald führt. «Ein bisschen unheimlich hier, nicht?», fragt Walter Hauser. Auf diesem Weg, nahe der Klausenpass-Strasse, starb im Sommer 1985 eine 48-jährige Wanderin aus dem Kanton Zürich an schweren Schädelverletzungen. Eine Stunde zuvor hatte sie noch mit ihrem Ehemann im Restaurant «Nussbüel» Bratwurst und Pommes frites gegessen. Ihr Mann sagte später, herabstürzende Steine hätten seine Frau getroffen. Die Polizei war sich sicher: Er hatte sie erschlagen.

«Seit fast 30 Jahren war ich nicht mehr hier», erzählt Hauser. Für die «Glarner Nachrichten» berichtete er damals über den Mordprozess gegen den Ehemann, der mit einem Freispruch endete. Für einen Augenschein besuchte das Gericht den möglichen Tatort. Die Richter, der Angeklagte, Anwälte, Steinschlagexperten und Journalisten aus der ganzen Schweiz wanderten zum Waldstück unter der Stichplatte.

Hauser hat den Braunwalder Steinschlag-Prozess in seinem neuen Buch wieder aufgenommen. «Hoffen auf Aufklärung» lautet der Titel des Buches. Er schildert darin zwölf ungelöste Mordfälle in der Schweiz. Der Grossteil der Verbrechen passierte in den 1970er und 1980er Jahren. Darunter sind schlagzeilenträchtige Verbrechen wie der Kristallhöhlenmord in Oberriet SG oder der Mordfall Zwahlen in Kehrsatz BE. Im Buch kommen aber auch weniger bekannte Fälle vor wie der Fall eines Italieners, der wegen Mordes an seiner Ex-Freundin in Zürich vor Gericht stand: Er behauptete 1993, als Polizisten verkleidete Räuber hätten ihn in seinem Auto überfallen und seine Ex-Freundin erschossen.

Manche Geschichten handelt Hauser eher kurz ab, wie die Ermordung des Fluchthelfers Hans Ulrich Lenzlinger. Anderen ungelösten Mordfällen ist Hauser mit deutlich mehr Aufwand nachgegangen: Er hat mit Zeugen und Angehörigen gesprochen, studierte Akten und kontaktierte Verdächtige. Hauser schreibt verständlich und ohne Sentimentalitäten, er erzählt zügig und ohne sich mit Nebensächlichkeiten aufzuhalten.

Gegen die Verjährung

Sein Buch ist spannend, Hauser stellt ihm aber auch ein Plädoyer gegen die Verjährung voran. «Ich wollte nicht einfach ungelöste Mordfälle auflisten», sagt Hauser. Die meisten der Verbrechen im Buch sind mittlerweile verjährt. In der Schweiz gilt eine Verjährungsfrist von 30 Jahren für Mord, 15 Jahren bei vorsätzlicher Tötung. Selbst wenn sich die Mörder noch finden liessen, kämen sie straflos davon. Und die Polizei darf nach Ablauf der Frist nicht mehr ermitteln, sie muss Beweisstücke wie DNA-Spuren vernichten.

«Aufgrund unzähliger Gespräche mit Betroffenen bin ich heute der Ansicht, dass die Verjährung bei Mord abgeschafft werden sollte», sagt Hauser. Angehörige und die Öffentlichkeit hätten ein Recht auf Aufklärung. Dass ein Prozess nicht alle Zweifel aus der Welt schaffen kann, zeigt aber der Fall der erschlagenen Wanderin: Nachdem das Kantonsgericht den Ehemann schuldig gesprochen hatte, gewann er vor Obergericht. Es erachtete es zumindest als möglich, dass die Frau von Steinen getroffen wurde. Die Oberrichter urteilten im Zweifel für den Angeklagten. «Ich glaube, er hat seine Frau getötet», sagt Hauser. «Aber ob ich ihn als Richter verurteilt hätte, ist eine andere Frage.»

Ueli Weber ist stellvertretender Redaktionsleiter der «Glarner Nachrichten». Er hat die Diplomausbildung Journalismus am MAZ absolviert und berichtet seit über zehn Jahren über das Glarnerland. Mehr Infos

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