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«Der Film soll nicht gefallen, sondern aufrütteln und berühren»

«Eldorado», der Dokumentarfilm von Markus Imhoof über die Flüchtlingskrise, wird von der Schweiz ins Rennen um die Academy Awards geschickt. Hinter der Kamera stand mit Peter Indergand ein Dozent der HTW Chur. Der Filmdreh habe viel Flexibilität erfordert, sagt Indergand. Und sein persönliches Engagement in der Flüchtlingsthematik verstärkt.

Südostschweiz
22.08.18 - 04:30 Uhr
Kultur

«More than Honey» und «Das Boot ist voll»: Der Schweizer Filmemacher Markus Imhoof setzte seine Projekte stets erfolgreich um und durfte dafür unzählige Filmpreise entgegen nehmen. Nun schickt die Schweiz seinen Anfang 2018 präsentierten Film «Eldorado» in der Kategorie «Fremdsprachiger Film» ins Rennen um die Academy Awards.

Für den grössten Teil des Filmmaterials verantwortlich zeichnet Peter Indergand. Der Multimedia-Production-Dozent an der HTW Chur räumte diesem Projekt einen hohen Stellenwert ein. «Bei einem so langfristigen Filmprojekt wie 'Eldorado' ist es meist schwierig, als Kameramann immer dann zur Verfügung zu stehen, wenn der nächste Drehtermin ansteht. Aber ich wollte diesem Projekt ganz klar Priorität geben.» So habe er sich teilweise längere Phasen freigehalten, um zur Verfügung zu stehen, wenn ein Dreh konkrete Formen annahm. Auf diese Weise konnte Indergand «praktisch alles Material» für diesen Film drehen.

«Eldorado» verknüpft aktuelle Geschehnisse und private Erlebnisse von Regisseur Markus Imhoof. Ein Einblick:

Innert Kürze organisiert

Besonders für die erste Drehphase musste das Team dabei sehr flexibel sein, wie Indergand erzählt. Die Aufnahmen sollten im Herbst 2014 auf einem Schiff der italienischen Marine entstehen. Das Ziel war, bei Rettungsaktionen dabei zu sein, so Indergand. «Wir wussten, dass die Aktion 'Mare Nostrum' der Italiener bald beendet würde und die europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache Frontex übernehmen würde. Dass diese uns nicht mit offenen Armen empfangen würde, war klar.» Das Filmteam gab also Gas, organisierte den Dreh in Windeseile – und konnte so zehn Tage auf der San Giusto, einem italienischen Kriegsschiff, drehen. «Am Ende der Fahrt befanden sich 1800 Bootsflüchtlinge auf dem Schiff, so viele wie noch nie zuvor», erzählt Indergand.

Kreis schliesst sich

Mit der Arbeit auf dem Schiff schloss sich für Indergand gewissermassen ein Kreis: Für Imhoofs Film «Das Boot ist voll» war er 1981 als Kameraassistent dabei. Obwohl damals im Titel von einem Boot die Rede ist, kommt im Film kein Boot vor. In «Eldorado» dagegen schon. «Hier spielen die vollen Flüchtlingsboote und ein mit Flüchtlingen überfülltes Schiff der italienischen Marine eine zentrale Rolle», erklärt Indergand. «Markus wollte von Anfang an einen Film realisieren, der sich nicht auf Einzelschicksale beschränkt oder sich einer Betroffenheitskultur bedient. Ihn interessierten die Zusammenhänge, das System hinter der sogenannten Flüchtlingskrise», beschreibt Indergand sein Interesse für das Filmprojekt. Ebenfalls habe Imhoof seine eigene Geschichte in den Film einfliessen lassen.

Initiative jedes Einzelnen

«Eldorado» hat Indergands Leben tiefgreifend verändert. Die Flüchtlingsthematik habe ihn bereits unabhängig vom Filmdreh interessiert, erzählt der Kameramann. «Der Film hat meine Engagement aber verstärkt.» So hätten seine Frau und er im vergangenen Jahr einen Afghanen bei sich aufgenommen, der als minderjähriger Asylsuchender in die Schweiz kam und nun bei ihnen lebt. «Ich glaube, es braucht das Engagement des Einzelnen sowie der Zivilgesellschaft, wenn man etwas auf dieser Welt bewirken will», hält Indergand fest. (sz)

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