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Geschoben und nicht gefaltet

Zum 10-Jahr-Jubiläum des Weltnaturerbes ist der Bildband «Tektonikarena Sardona» im AS-Verlag erschienen. Ein Buch zu den geologischen Schönheiten der Welterberegion mit verständlichen Visualisierungen.

Südostschweiz
08.07.18 - 04:30 Uhr
Kultur

«‹Schiebung – alles nur Schiebung›, sagen moderne Geologen, wenn sie die Entstehung der Alpen erklären müssen», schreibt Harry Keel, einer der Autoren. Der Begriff Alpenfaltung gehöre in die Mottenkiste. Vor 200 Jahren wussten die ersten Alpengeologen noch nichts von Verschiebungen der Kontinente, die Ursache und Motor aller Gebirgsbildungen ist. Fasziniert vom Aufbau der Glarner Alpen, von der sogenannt magischen Linie und der Verkehrtlage der Gesteine suchten sie nach Erklärungen. Bis sich schliesslich die Erkenntnis des Deckenaufbaus durchsetzte.

Beim Blättern durch den frisch gedruckten Jubiläumsbildband hätten die Forscher von damals wohl ihre Freude. Zum einen an der Tatsache, dass die Tektonikarena Sardona in den Kantonen Glarus, St. Gallen und Graubünden seit zehn Jahren eine von rund 200 Weltnaturerbestätten ist. Dies, weil die Gebirgsbildung hierzulande besonders klar sichtbar ist, aber auch wegen ihrer besonderen Forschungsgeschichte.

Zum anderen hätten sie sicher auch Freude an den expressiven Fotografien und anschaulichen Erklärungen, die auf 128 Seiten im neuen Bildband Platz finden.

Bilder sollen als Türöffner dienen

Erklärtes Ziel der Publikation ist, die Vielfalt der Welterberegion zu zeigen. Harry Keel dazu: «Unsere Idee war, über die einzigartige Bildwelt den Leuten einen Zugang zum Thema Gebirgsbildung zu vermitteln. Keinen wissenschaftlichen, sondern einen emotionalen. Die Bilder sollen als Türöffner dienen.» Die Leute fragten auch vielfach, wo man denn das Welterbe sehe. Das Buch stelle dieses in ganz verschiedenen Aspekten dar, so Keel.

Besorgt dafür sind neben ihm vor allem die beiden Fotografen Roland Gerth und Ruedi Homberger, der eine mit Landschaftsaufnahmen aus der Sicht des Wanderers, der andere mit spektakulären Flugaufnahmen. Die erklärenden Bildlegenden wiederum stammten aus der Feder der Geologen Thomas Buckingham und Adrian Pfiffner, so Keel, Geschäftsführer des Unesco Welterbes Sardona.

Magische Linie in allen Facetten

Das Sachbuch ist in fünf Kapitel gegliedert: «Rund um den Piz Sardona», «Tiefe Täler, vom Gletscher und Wasser geformt», «Falten und bunte Steine hoch über dem Walensee», «Glarnerland – Land voll Geologie» bis zu «Welterberegion Flims – Gebirgsbildung und Bergstürze».

Bilder der magischen Linie, der Glarner Hauptüberschiebung, gibt es in vielfachen Ansichten, zu verschiedenen Tagesstimmungen und Jahreszeiten, auf einer Wanderung im Calfeisental, als Flugaufnahme vom Piz Sardona oder vom Martinsloch mit Tschingelhörnern. Idyllische Landschaftsaufnahmen machen Lust, sich auf den Welterbe-Weg zu begeben. Der interessierte Betrachter wird animiert, sich in die dreidimensionalen Visualisierungen zu vertiefen, die gut erklären, dass die magische Linie eigentlich eine Fläche ist.

Von Gletschern gebildete Karstseen und Moränenwälle lassen sich beim Wandern auf der 5-Seen-Wanderung im Pizolgebiet entdecken. Wie Gletscher und Bäche tiefe Täler schufen, wird anschaulich erläutert. So ist die Taminaschlucht bei Bad Ragaz am Grund des vereinigten Tamina- und Rheingletschers durch abfliessendes Schmelzwasser entstanden.

Gesteine in allen Farben

Im Gebiet Flumserberge sehe es so aus, als habe die Natur mit dem Malkasten experimentiert, heisst es treffend zu den Aufnahmen im Gebiet Wissmilen, Magerrain oder rund um den Spitzmeilen. Das Augenmerk wird aber auch auf Brüche im Mürtschental und markante Falten am Sächsmoor gerichtet. Und auch dazu gibt es spezielle Visualisierungen, um die Kräfte der Verschiebungen, Brüche und Falten besser zu demonstrieren.

Pilgerstätte der Geologen

Glarnerland – Land voll Geologie: Es sei wohl der geologisch vielfältigste Kanton der Schweiz, schreiben die Autoren, die auch angeben, wo die Geo-schätze zu entdecken sind. Sei es auf einer Wanderung auf Aeugsten zu den Fessis-Seen, an einer Besichtigung der Lochsite oder im Landesplattenberg.

Lust auf mehr macht zuletzt das Kapitel über die Welterberegion Flims, wo es neben dem grössten Bergsturz Europas und der magischen Linie am Ringelspitz seltsame Strudeltöpfe in der Val Maliens zu entdecken gibt. Entstanden durch die Verwirbelung des Wassers und Schleifwirkung der mitgeschleppten Sandpartikel.

Für interessierte Besucher des Weltnaturerbe fehlte bis jetzt dieser Bildband, der darauf neugierig macht oder nach Wanderungen im Weltnaturerbe schöne Erinnerungen wachhält. Aber auch Einheimische können sich ob der Schönheit, den neuen Perspektiven und Wissen über das Gebirge erfreuen.

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