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Mit Musik die Grenzen in den Köpfen niederreissen

Der in Malix lebende syrische Komponist und Oud-Spieler Bahur Ghazi veröffentlicht zusammen mit Schweizer Musikern seine erste CD. Auf «Bidaya» gelingt ihm die Fusion von orientalischer Musik und Jazz.

03.03.18 - 12:43 Uhr
Kultur
Interkulturell: Bahur Ghazi (Mitte) arbeitet für sein Projekt mit Patrica Draeger, Dario Sisera, Luca Sisera und Christoph Baumann (von links) zusammen.
Interkulturell: Bahur Ghazi (Mitte) arbeitet für sein Projekt mit Patrica Draeger, Dario Sisera, Luca Sisera und Christoph Baumann (von links) zusammen.
PRESSEBILD

Syrien ist mehr als Krieg, Leid und Zerstörung – daran erinnert uns Europäer jedes Mal die Oasenstadt Palmyra, wenn sie in den TV-Nachrichten auftaucht. An die viele 1000 Jahre alte Kultur des Landes soll auch das Cover des Albums «Bidaya» gemahnen, auf dem sich die antiken Ruinen Palmyras aneinanderreihen.

Die Schemen könnten den Baaltempel oder das 2015 von IS-Milizen zerstörte Hadrianstor darstellen. Die mit Aquarellfarben gemalten Säulen und Bögen zerfliessen im Sonnenaufgang, der den Himmel gelb und blutrot färbt.

Ebendiesen Sonnenaufgang sah Bahur Ghazi immer wieder vor seinem inneren Auge, als er in Malix die Stücke seiner ersten CD «Bidaya» schrieb. «Als Musiker muss ich mir Orte, Farben oder Gerüche vorstellen, um komponieren zu können», verrät der 29-jährige Ghazi, der seit seiner Jugend die Oud spielt, eine Kurzhalslaute aus dem Vorderen Orient.

In seine Heimat Syrien versetzte sich Ghazi mittels Imagination. Diese Eindrücke führten ihm beim Komponieren dergestalt die Feder, dass sich sogar der Hörer auf beinahe unheimliche Weise nach Syrien versetzt fühlt. Mal steht man mitten in der Wüste, nimmt das Flimmern der Luft wahr. Mal scheint sich der Alltag in Palmyra vor einem abzuspielen, oder man wähnt sich auf der Flucht, wenn im Stück «The Getaway» instrumentale «Schüsse» abgefeuert werden.

Palmyra als Vorbild

Seinen Tonträger «Bidaya» veröffentlicht Ghazi unter dem Projektnamen Bahur Ghazi’s Palmyra. Zusammen mit den Musikern Luca und Dario Sisera (Bass/Schlagzeug), Patricia Draeger (Akkordeon) und Christoph Baumann (Klavier) gelingt es ihm, insbesondere arabische Musik und Jazz zu synthetisieren. Am kommenden Dienstag präsentiert die Gruppe auf der Bühne des Theaters Chur, wie sich diese Fusion anhört.

Den Bezug zu Palmyra habe er unter anderem herstellen wollen, weil die Stadt das Konzept des Albums widerspiegele, erklärt Ghazi. «Auf dem Album bringe ich verschiedene Musikstile zusammen, und Palmyra war seit jeher ein Treffpunkt für alle Kulturen, man tauschte sich aus, gab eigenes Wissen weiter und lernte von Fremden dazu.»

Verschiedene Ethnien hätten jahrhundertelang friedlich miteinander gelebt. «Ausserdem wollte ich auf die Geschichte der Stadt aufmerksam machen und meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass Palmyra beziehungsweise Kunst und Kultur die Menschen in Syrien wieder zusammenbringen kann.»

In Ägypten gelernt und gelehrt

Zu musikalischen Experimenten neigte Ghazi bereits vor seiner Flucht in die Schweiz im Jahr 2011. Das Titelstück «Bidaya» entstand beispielsweise in Ägypten, wo er ab 2006 lebte und arbeitete. Am Kairoer Bait al Oud al Arabi (Arabisches Lautenhaus) lernte er zunächst bei der Oud-Koryphäe Naseer Shamma, danach war Ghazi in derselben Institution als Lehrer tätig.

Öffentlich von der klassischen arabischen Musik abzuweichen, wagte Ghazi damals allerdings nur zögerlich. «In Syrien gab ich in dieser Zeit nur ein einziges Konzert», erinnert sich Ghazi. Dieses habe in Aleppo, der damaligen Kulturhauptstadt Syriens, stattgefunden. «Voller Angst gab ich auch groovige Musik zum Besten – die Zuhörer reagierten zum Glück super.»

In Graubünden lernte Ghazi dann über den Gitarristen Robert Grossmann die Churer Jazzmusiker Luca und Dario Sisera kennen. Unter ihrer Anleitung tauchte der Oud-Spieler nochmals in andere Klangwelten ein. «Für mich sind die Siseras heute wie ein Teil meiner Familie», sagt Ghazi. Mit ihnen will er künftig noch eingehender den Jazz erkunden, aber auch die Grenze zur elektronischen Musik soll demnächst überschritten werden.

Bahur Ghazi’s Palmyra live: Dienstag, 6. März, 20 Uhr, Theater Chur. Reservation unter www.theaterchur.ch.

Valerio Gerstlauer ist Leiter des Ressorts Entertainment & Kultur. Er arbeitet als Kulturredaktor vornehmlich für die Zeitung «Südostschweiz» und die Website «suedostschweiz.ch». Ausserdem ist er einmal in der Woche in der Sendung «Kulturtipp» auf Radio Südostschweiz zu hören. Mehr Infos

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