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Villa mit eigenem König

Das «Haus Schwartz auf dem Sand» steht nicht weit entfernt vom Arcas-Parkhaus. Man beachtet es kaum. Dabei birgt es im Innern wahre Schätze. Modern wohnen mit barocker Pracht. Das ist hier gelungen.

Ruth
Spitzenpfeil
09.02.18 - 15:32 Uhr
Kultur

Selten ist es bisher passiert, dass wir bei der Recherche für unsere Serie über historische Villen in Chur mit einer solch gründlichen Dokumentation empfangen wurden. Auf einem Tisch im gemütlich eingerichteten Korridor des Wohnhauses der Familie Foppa sind zahlreiche historische Quellen, kunstgeschichtliche Nachweise und Bildbände ausgelegt. Verblüfft vernimmt man, was das Familienoberhaupt Gion Foppa alles über alte Bautechnik, fachgerechte Restaurierung sowie über die Lebensumstände früherer Generationen weiss. Zum Historiker werden liess ihn in gewisser Weise auch das geerbte Haus. Der städtische Finanzfachmann machte nach der Pensionierung sogar noch seinen Master in Angewandter Geschichte an der Universität Zürich. Dem «Haus Schwartz auf dem Sand», wie die Villa unterhalb des Hof-Felsens heisst, hat dieses Know-how nur gut getan.

Der Clou an der Decke

Biegt man vor dem Metzgertor in die schmale Jochstrasse ein, wo vor dem Bau des Plessurquais der Verkehr ins Schanfigg durchfloss, fällt einem das zweite Haus rechter Hand kaum auf. Hinter hohen Mauern erkennt man zwar eine stattliche Grösse. Nichts bereitet den ahnungslosen Besucher aber auf das vor, was sich an prachtvoller Innenausstattung hinter dem Portal entfaltet. Schon Vestibül und Treppenaufgang verschlagen einem fast die Sprache. Sind wir hier in der Wiener Hofburg oder in Schloss Sanssouci?

Stuckdekoration hat ja so manche Churer Stube aufzuweisen. Aber was sich im Haus Schwartz an den Decken abspielt, ist aussergewöhnlich. Da tollen reihenweise Putten umher, es gibt allegorische und mythologische Szenen, und überall rankt und spriesst es. Einer der Prunkräume ist das Wohnzimmer der Familie des jungen Foppa im ersten Stock. Dort kann man auf dem Sofa liegend zuschauen, wie die Göttin Eos sich den jungen Hirten Kephalos schnappt, während in den bunt bemalten Ecken vier Schönheiten die Jahreszeiten feiern.

Der Clou befindet sich aber an der Decke des jetzigen Elternschlafzimmers, das früher wohl als Musiksalon diente. Bei einer der vielen sorgsamen Restaurierungsarbeiten der letzten 20 Jahre war man nämlich auf die ursprüngliche Farbgebung unter vielen Schichten modernerer Anstriche gestossen. Die wurde nach allen Regeln der Kunst wiederhergestellt, und heute spielt dort ein König David rotwangig und in blauem Mantel fröhlich seine goldenen Harfe.

Die Decken sind beileibe nicht die einzigen Schmuckstücke. Gleich unterhalb des Davids befindet sich ein hinreissender Wandschrank mit einem aus Zinn gearbeiteten Fisch als Wasserspender. Es gibt prächtige Kassettendecken aus Holz, zum Teil bemalten Täfer, kunstvoll geschnitzte Türstöcke aus Nussbaum und im Treppenhaus zwei mächtige Skulpturen – ein Edelmann und eine holde Dame –, die angeblich Krieg und Frieden symbolisieren. Nicht zu vergessen sind auch die Kachelöfen, wobei das Exemplar im heutigen Bubenzimmer kunsthistorisch äusserst bedeutend ist. Für Experten sei erklärt, dass es aus der berühmten Winterthurer Ofenbau-Dynastie Pfau stammt.

Auf der Suche nach dem Erbauer müssen wir gut 300 Jahre zurückgehen. Wir befinden uns im Zeitalter des Barock. Das genaue Jahr kennt man nicht, aber sicher ist, dass sich ein gewisser Otto von Schwartz um das Jahr 1700 dieses Haus «im italienischen Stil» errichten liess – nur wenige Jahre nach einem nicht minder repräsentatives Palais innerhalb der Stadtmauern an der Reichsgasse.

Bekannt ist dieser Schwartz, dessen Vorfahren als de Nigris 250 Jahre früher aus Italien eingewandert waren, als Bürgermeister von Chur. Aber er war wohl auch ein international vernetzter Geschäftsmann, und laut einer Quelle hatte er von den Drei Bünden die Lizenz zum Zolleinzug erworben und war dadurch immens reich geworden. Auf jeden Fall leistete er sich vor der Stadt in den Plessurauen ein Landhaus mit grossem Garten, der damals bis zum Flussufer reichte.

Nach mehr als einem Jahrhundert im Besitz der Schwartz, die dort auch oft ausländische Gesandte unterbrachten, ging der Besitz noch durch zwei weitere Hände, bevor ihn schliesslich 1954 der Vater von Gion Foppa erwarb, damals Besitzer eines Churer Bekleidungsgeschäfts.

Schon davor war die Villa in zwei Wohnungen aufgeteilt und manch unsensible Umbauten vorgenommen worden. In dieser Zeit versuchte man das Haus nach heutigen Ansprüchen bewohnbar zu machen, was der historischen Substanz nicht immer gerecht wurde.

Zurück zum Original

Heute wird beim Betreten dieses Bijous jedem Denkmalpfleger das Herz aufgehen. Gion Foppa hat in vielen Bauetappen alles unternommen, um den Originalzustand wiederherzustellen, inklusive der alten Materialien und ursprünglicher Handwerkskunst. Trotzdem sollte zeitgemässes Wohnen ermöglicht werden. Das war ganz gewiss nicht umsonst zu haben. «Wir haben halt weniger Kreuzfahrten gemacht, sondern unser Geld in das Haus gesteckt», sagt Foppa.

Vieles davon sieht man gar nicht, aber man spürt es. Das ist denn auch die grösste Überraschung dieses ganz besonderen Familiensitzes. Es ist kein verstaubtes Museum, kein in der Geschichte erstarrtes Kunstkabinett. Vielmehr wirkt alles frisch, lebendig und ungemein wohnlich. Dass sich das Gemäuer mit der Zentralheizung im Winter nicht ganz so aufheizen lässt wie moderne Bauten, nehmen die Bewohner gern in Kauf. Da schürt man eben die Öfen ein, für die Foppas Frau Luzia so gerne das Holz spaltet.

Ruth Spitzenpfeil ist Kulturredaktorin der «Südostschweiz» und betreut mit einem kleinen Pensum auch regionale Themen, die sich nicht selten um historische Bauten drehen. Die Wahl-St.-Moritzerin entschloss sich nach einer langen Karriere in der Zürcher Medienwelt 2017, ihr Tätigkeitsfeld ganz nach Graubünden zu verlegen. Mehr Infos

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We’re Das house nochmal gerne beau hen, war da in 1973. Bin aus dem directe linien von Schwartz- de Nigris di Morbegno, Cypert Schwartz

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