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Der mit dem Feuer tanzt

Er ist einer, der gehörig Lärm macht, wenn die Nächte lang und dunkel sind. Tobias Hänni ist Fotokünstler und legt dafür den einen oder anderen Brand.

Südostschweiz
24.12.17 - 04:30 Uhr
Kultur
Der Fotokünstler Tobias Hänni schafft mit Feuer Illusionen.
Der Fotokünstler Tobias Hänni schafft mit Feuer Illusionen.
SYMBOLBILD PIXABAY
von Tina Wintle
 
Bunsenbrenner, Zeitungspapier, Taschenlampen, Stahlwolle, Feuerzeuge und natürlich allerhand Fotoapparate, Stative und viele unbekannte Kamera-Ausrüstungsdinge. Dinge, die es braucht, wenn man nächtelang unterwegs ist, vor allem, wenn man als Fotokünstler leidenschaftlich gerne mit Feuer und Licht in der Dunkelheit experimentiert. «Zur Sicherheit habe ich heute auch einen Feuerlöscher mitgenommen», sagt er, als er mir den Inhalt seiner Taschen erklärt. Ob es denn gefährlich sei, will ich wissen. «Man weiss ja nie», sagt er, «ich bin es mir nicht gewohnt, Begleiter auf meinen nächtlichen Fototouren mit dabei zu haben. Ich bin etwas nervös.» Heute Nacht ist eine der längsten Nächte des Jahres und die «Glarner Woche» hat die Gelegenheit, einem Fotokünstler exklusiv bei seiner Arbeit über die Schultern zu schauen. Einem, der die Nacht zum Leben erweckt und Feuer und Hitze in all seinen Facetten kennt.
 
Tobias Hänni ist tagsüber als Heizungsmonteur unterwegs, doch nachts geht er einer anderen Wärme nach: der des Feuers und des Lichtes. Wenn zur Weihnachtszeit die Nächte lang und dunkel sind und sich die Menschen mit Lichtern bei Laune halten, ist Tobias Hänni mit seinen Kameras und Feuerstarter-Utensilien im Wald und in der Stadt unterwegs, um Sein und Schein ins rechte Licht zu rücken. Dabei fotografiert er mit Langzeitbelichtung selbst erzeugtes Feuer und Licht, aber auch Flüsse oder Bäume und Pflanzen, die im erstarrten Griff der Nacht das Licht des Morgens herbeisehnen. «Bei Vollmond fotografiere ich nicht gerne, dann ist es mir zu hell. Das siehst du auf den Fotos.» Heute Nacht ist nicht Vollmond, allerdings zieht Nebel auf und lässt uns in der klirrend-kalten Dezembernacht noch mehr gegen die Kälte kämpfen. «Mal sehen, was der Nebel bringt», sagt Hänni und macht sich daran, die Kameras im Wald zu platzieren. «Fotografieren mit Langzeitbelichtung ist wie Malen – man weiss nie, was es gibt.»
 
Nach kurzer Zeit im dunklen Wald empfinde ich meine Stirnlampe als störend. Während Hänni ohnehin mehrheitlich im Dunkeln hantiert, empfinde auch ich den schmalen Lichtkegel der Lampe als Einschränkung und nicht länger als Hilfe, da er mein Sehen auf einen schmalen Ausschnitt beschränkt. «Versuch, dich ohne künstliches Licht zurechtzufinden, die Augen gewöhnen sich rasch an die Dunkelheit, bereits nach einer Viertelstunde siehst du immer mehr.» Innert kurzer Zeit hat er seine Kameras auf dem weichen, schneebedeckten Waldboden postiert und löst die Aufnahmen per Fernbedienung aus. Rasch zündet er in einiger Entfernung die Stahlwolle, die an ein Seil gebunden ist, an. Wie ein Derwisch-Tänzer schwingt er die glühende Stahlwolle im Kreis herum, zaubert einen Lichterregen aus Funken und Feuer. Hänni ist während seiner Performance ganz schwarz angezogen, damit er später auf dem Bild nicht sichtbar ist. Schnell prüft er die Aufnahme, lächelt, ist aber nicht zufrieden. «Ich habe noch kein Bild geschossen, das perfekt ist», sagt er und fügt als Erklärung an: «Ich bin ein sehr selbstkritischer Mensch, finde immer eine Imperfektion im Bild.»
 
Seit mehreren Jahren fotografiert Hänni und ebenfalls seit einigen Jahren experimentiert er mit Licht und Blende. Meistens ist er bei seinen nächtlichen Touren alleine unterwegs, hört im Wald laut Musik; von klassischen Pianosolos über fetzige Rockmusik bis hin zu harter Partymusik, je nach Stimmung und Gefühlszustand. «Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, höre ich auch laute Musik, dann aber mit Kopfhörern.» Auch schon habe er die Zeit vergessen und plötzlich habe das Licht des Morgens ihn daran erinnert, dass er die ganze Nacht durchfotografiert hat. Und dann sind da noch die Leute, denen er manchmal nachts begegnet; wie die denn reagierten, will ich wissen: «Ich denke, die Leute wundern sich, wenn sie mich so sehen, schwarz gekleidet bis zur Nasenspitze, wie ich mit Fackeln und Bunsenbrenner um die Bäume herumtanze.»
 
Hänni verrät nicht alle Tricks, wie er die Feuer- und Lichteffekte für seine Fotografien erzeugt. Wie er Skulpturen, Unterführungen, Bäume und Flüsse mit seinem Licht zum Leben erweckt. Auf den Fotos sieht es immer so aus, als hätte er Autos und Bäume angezündet. Das ist aber nur ein Effekt, den er mit Langzeitbelichtung erreicht. Vieles habe er sich selber beigebracht, andere «Feuertricks» stammen von anderen Fotografen. Er ist einer, der gehörig Lärm macht, wenn die Nächte lang und dunkel sind. Lärm nicht für die Ohren – dafür aber Lärm und Aufregung für die Augen.
 

Mehr von Tobias Hänni und Fotos seiner Arbeiten findet Ihr auf seiner Website.

 
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