Kosovaren erhalten Tipps und Feuerwehr-Unterstützung aus Rapperswil-Jona
Martin Stöckling, Stadtpräsident von Rapperswil-Jona, hat auf Einladung drei Städte im Kosovo besucht. Dort erfuhr er, welch hohes Ansehen die Schweiz im jüngsten Staat Europas geniesst. Zudem wurde über das duale Schweizer Berufsbildungssystem ausgefragt – und konnte Verstärkung für die Feuerwehr vermitteln.
Martin Stöckling, Stadtpräsident von Rapperswil-Jona, hat auf Einladung drei Städte im Kosovo besucht. Dort erfuhr er, welch hohes Ansehen die Schweiz im jüngsten Staat Europas geniesst. Zudem wurde über das duale Schweizer Berufsbildungssystem ausgefragt – und konnte Verstärkung für die Feuerwehr vermitteln.
In Suhareka, im Süden des Kosovo, war Stadtpräsident Martin Stöckling vergönnt, was er in Rapperswil-Jona in absehbarer Zeit nicht machen wird. Er hat Bäumchen im Strassenraum gepflanzt. Zusammen mit dem Bürgermeister der Kleinstadt, Bali Muharremaj. Dies als Teil eines Projekts zur Begrünung des Stadtraums. «Dort wird einfach gemacht», konstatiert Stöckling. Um sogleich festzuhalten, dass sich Rapperswil-Jona an einem ganz anderen Entwicklungspunkt befinde und die Situation mit dem weniger als halb so grossen Suhareka auf verschiedenen Ebenen nicht vergleichbar sei.
Stöckling weilte mit Stadtschreiber Hansjörg Goldener im August vier Tage im Kosovo. Es war ein Gegenbesuch. Im Sommer 2018 hatte eine Delegation aus Skenderaj, einer anderen Kleinstadt im Kosovo, Rapperswil-Jona besucht. Eingefädelt worden sind beide Treffen vom Verein Pro Kosova (siehe Box). In dessen Vorstand wirkt unter anderen Naim Zekiri, der an der Zürcherstrasse eine Tankstelle führt. Und mit Stöckling schon länger bekannt ist.
Wofür der Verein Pro Kosova steht
Pro Kosova ist gemäss der eigenen Website ein gemeinnütziger und nicht gewinnorientierter Verein und in der Schweiz sowie im Kosovo registriert. Der Vorstand setzt sich paritätisch zusammen aus Schweizern, Mitgliedern der kosovarischen Diaspora in der Schweiz und einer bevollmächtigten Vertretung im Kosovo. «proKosova soll das Ansehen, die Verständigung und den Kontakt der kosovarischen Diaspora in der Schweiz als auch zwischen der Schweiz und dem Kosovo fördern», heisst es auf der Website. Deshalb unterstütze der Verein Projekte, welche die Förderung von Kultur, Bildung und Sport, die Förderung von Integrationsbemühungen sowie die Förderung von Handelsbeziehungen zum Ziel haben. 2008 installierte der Verein beim Zürcher Frauenmünster im Beisein der damaligen Bundesrätin Micheline Calmy-Rey und dem damaligen kosovarischen Staatspräsidenten Fatmir Sejdiu eine Gedenktafel als Dank an die Schweiz für die Unterstützung im Kosovokonflikt in den Jahren 1998/99. (pb)
Schweiz-Kosovaren als Stützen
«Die Schweiz geniesst im Kosovo einen sehr guten Ruf», stellte Stöckling fest. Das liege zum einen daran, dass die Schweiz den Kosovo, das jüngste Land Europas, nach der Unabhängigkeitserklärung 2008 schnell als Land anerkannt habe. Zudem waren Schweizer Soldaten bis 2012 als Teil der friedenssichernden Nato-Mission im Kosovo stationiert – namentlich in Suhareka.
Noch mehr aber liegt es an der grossen kosovarischen Diaspora in der Schweiz, die sich im Zuge des Kosovo-Konflikts ab Ende neunziger Jahre hier bildete. Heute leben rund 200 000 Personen mit kosovarischen Wurzeln in der Schweiz. Das entspricht mehr als zehn Prozent der Bevölkerung Kosovos. Aus der Schweizer Diaspora fliessen jährlich dreistellige Millionensummen in den Kosovo. Alle Rücksendungen aus Nord- und Westeuropa machen rund 17 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus. «Ohne Geld aus dem Ausland würde nichts gehen», so Stöckling. Zumal mit dem Nachbarn und wichtigsten Handelspartner Serbien, von dem sich der Kosovo abgespalten hatte, die Spannungen andauern. «Ein geregeltes Verhältnis mit Serbien wäre von zentraler Bedeutung», meint Stöckling.
Viele Firmen haben in Westeuropa oder den USA ausgebildete Kosovaren aufgebaut, auch Schweiz-Kosovaren. So sind in der Hauptstadt Pristina etwa IT-Dienstleistungsfirmen und Call Center entstanden. Weil viele Kosovaren Deutsch sprechen, bedienen die Firmen auch den deutschsprachigen Raum.
Immer mehr Menschen drängen in die Hauptstadt Pristina. So viele, dass dies offenbar bereits Verkehrsprobleme verursacht.«Den Autofimmel haben die Kosovaren nicht nur bei uns», konstatierte Stöckling. Der Bürgermeister von Pristina, Shpend Ahmeti, will deshalb gemäss Stöckling unbedingt den öffentlichen Verkehr fördern. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, sei dieser ein halbes Jahr mit dem Velo zur Arbeit gefahren.
Duale Berufsbildung als Vorbild
Probleme wegen eines Wirtschaftsbooms hat Skenderaj nicht – die dritte Stadt welche «Stapi» und Stadtschreiber besuchten. Im Gegenteil. Vielmehr sorgt man sich dort gemäss Stöckling um die Qualität der Berufsbildung. Zwar gebe es in der Kleinstadt – dank ausländischer Hilfe – ein Zentrum für Berufsbildung. Dieses verfügt auch über verschiedene Werkstätten zu Schulungszwecken. «Nach der Ausbildung finden aber viele keinen Job», sagt Stöckling. Weil die Verbindung zu den Unternehmen völlig fehle. «Das duale Bildungssystem mit Lernbetrieb und Berufsschule ist im Kosovo nicht bekannt», so Stöckling. Das Interesse sei deshalb gross, wie dieses System in der Schweiz funktioniere. «Unser System wird als vorbildhaft gesehen.»
«Das duales Berufsbildungssystem der Schweiz wird als vorbildhaft gesehen.»
Martin Stöckling,
Stadtpräsident Rapperswil-Jona
Stöckling kann sich vorstellen, einer Delegation das Schweizer Berufsbildungssystem hier vor Ort einmal zu zeigen. Das sei aber erst eine Idee. Er und Stadtschreiber Goldener hätten sich beim Besuch im Kosovo zu nichts verpflichtet und schon gar nichts unterschrieben. Er habe zwar die Schweizer Botschaft und das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (Eda) über den Besuch im Kosovo informiert. Dieser sei aber informeller Natur gewesen.
Reise und Verpflegung hätten er und Goldener aus dem eigenen Sack bezahlt. Einzig die Übernachtungen im Umfang von ein paar hundert Franken hätten sie über Spesen abgerechnet. «Weil es der Gegenbesuch zum Empfang der kosovarischen Delegation 2018 war», so Stöckling.
Ob aus den bisherigen losen Kontakten eine offizielle Partnerschaft wird, ist laut Stöckling völlig offen. Am konkretesten ist aktuell ein Projekt zur Unterstützung der Feuerwehr in Skenderaj.
Transporter und Feuerwehr-Wissen
An Arbeit fehlt es der Feuerwehr von Skenderaj nicht. Rund 40 Einsätze pro Monat stehen an, wie Stadtpräsident Martin Stöckling bei seinem Besuch im letzten August erfahren hat. Dies in einem Gebiet mit gerade einmal gut 50'000 Einwohnern. Das ist deutlich mehr als hierzulande üblich, wie auch Roland Meier, Feuerwehrkommandant von Rapperswil-Jona, bestätigt. Gründe seien mitunter laschere Brandschutzvorschriften, improvisierte Bauten und so viel mehr Strombrände.
Im Gegensatz zur Einsatzkadenz stehe die Ausrüstung der Feuerwehr von Skenderaj, erklärt Stöckling. «Die Region und die Gemeinde schieben sich gegenseitig die Verantwortung dafür zu.» Die Ausrüstung sei veraltet. Zudem habe die Feuerwehr grosse Mühe, Personal zu rekrutieren.
«Mit weniger zufrieden als wir»
Ende Jahr hat nun ein Mannschaftstransporter der Feuerwehr Rapperswil-Jona seinen Weg nach Skenderaj gefunden.
Nach rund 20 Jahren wurde er hierzulande ausgemustert, befindet sich laut Meier aber in tadellosem Zustand. Wieso dann weggeben? Aufgrund des Alters würden irgendwann grössere Reparaturen nötig. Diese seien im Kosovo viel günstiger auszuführen. Meier gibt aber auch zu: «Im Ausland ist man mit weniger zufrieden als bei uns und weiss zu improvisieren.»
Noch dieses Jahr will Meier mit Stellvertreter Clot Müller selber nach Skenderaj reisen. Erst mal, um sich einen Überblick zu verschaffen. Dabei dürfte helfen, dass Müller schon für die Armee im Kosovo war. Aufgrund der Bedürfnisse vor Ort will Meier dann weiteres Feuerwehrmaterial in der Schweiz sammeln. Und sein langjähriges Feuerwehr-Wissen in Schulungen vor Ort weitergeben.
Nicht der erste Auslandeinsatz
Für Meier ist das kein Novum. Bereits 2015 leistete er Feuerwehr-Entwicklungshilfe in Bosnien. Damals durch die Vermittlung des Imams auf dem Ricken, Sadudin Tutnjic. Das bosnische Dorf Zeljezno Polje war von einem Erdrutsch betroffen. Weil die Berufsfeuerwehr einige Kilometer vom Dorf entfernt stationiert ist, half Meier eine Art Milizfeuerwehr im Bergdorf auf die Beine zu stellen – samt einfachem Überwachungs- und Alarmierungssystem.
Die Dankbarkeit im Dorf war riesig. Ein bosnisches Fernsehteam kam für einen Dreh sogar nach Rapperswil-Jona. Auch vier Feuerwehrmänner bildeten sich hier weiter. Geschlafen wurde beim Imam auf dem Ricken.
2018 war Meier mit drei Feuerwehrkollegen auf einer ähnlichen Mission in der Westukraine. In Dertsen sorgte ein ausgemustertes Tanklöschfahrzeug für Furore, welches Meier und Kollegen von der Schweiz eigenhändig in den Osten gefahren hatten. Neben dem vor Ort vorhandenen sowjetischen Modell wirkte es wie Hightech. «Es hat inzwischen schon fast mehr Einsätze als in den 20 Jahren bei uns», sagt Meier schmunzelnd.
Der Kontakt für den Unterstützungseinsatz in der Ukraine kam gemäss Meier über den Rotary Club Oberthurgau, respektive einen dort involvierten westukrainischen Pfarrer zustande. «Eigentlich sind die Menschen in jener Region Ungarn», so Meier. Das Gebiet gehöre erst seit der Auflösung der Sowjetunion Anfang neunziger Jahre zu der Ukraine. Als protestantische Minderheit im mehrheitlich orthodoxen Land hätten sie keinen besonders guten Stand. «Für ein Gebiet mit 140 000 Einwohnern haben sie einen staatlichen Feuerwehrmann und ein sechzigjähriges russisches Fahrzeug», sagt Meier. Um die Versorgung zu verbessern, wurden nun kurzerhand die reformierten Pfarrer jeder Gemeinde der Umgebung eingespannt und von Meier und Kollegen ausgebildet. Nun sind die Pfarrer auch Feuerwehrkommandanten.
Was bringt Meier dazu, fast jährlich Ferien für solche Einsätze zu opfern? «Uns geht es in der Schweiz sehr gut», sagt er. «Ich finde es cool, andernorts mit fast nichts etwas aufbauen zu helfen.»
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