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Wissenschaftliche Kuriosität

Staunend nahm man in Davos am ersten Oktobersonntag die extreme Trübung der Luft war. Schnell war klar, dass man hier wohl mit einer Folge der Waldbrände in Kanada zu tun hatte. Dank der am PMOD/WRC installierten Messgeräte ist bekannt, wie dick die Russwolke tatsächlich war.

Barbara
Gassler
10.10.23 - 17:00 Uhr
Klima & Natur
Blick vom Schwarzhorn auf die hinter einem Dunstschleier verborgene Landschaft Davos.
Blick vom Schwarzhorn auf die hinter einem Dunstschleier verborgene Landschaft Davos.
zVg/Julian Gröbner (PMOD/WRC)

Wer an diesem eigentlich strahlend klaren Tag im Tal blieb, hatte zeitweilen ­Mühe, die nächsten Gipfel auszumachen, wer in die Höhe stieg, blickte auf eine schmutzig-graue Schicht. Russwolken, verursacht durch die seit Mai in Kanada wütenden Waldbrände, hatte Mitteleuropa erreicht. Zu diesem Zeitpunkt brannten Wälder in Kanada bereits seit mehr als 20 Wochen ununterbrochen. Gemäss Wikipedia war bis Anfang September mit etwa 160 000 Quadratkilometern etwa doppelt so viel Fläche verbrannt wie in den bisher ärgsten Saisons 1989 und 1995. Doch anstatt sich zu beruhigen, wie sonst üblich, flammte Ende September die kanadische Waldbrandsaison noch einmal so richtig auf. Dieses Mal zogen die dabei entstehenden Russpartikel auch Richtung Mitteleuropa und erreichten am Sonntag, 1. Oktober, die Schweiz, wo sie in den Bergen für das eingangs erwähnte Phänomen sorgten.

Grafik durchbrochen

Diese sehr hohe Feinstaubkonzentration zeigt sich auch in den regelmässig in der DZ veröffentlichten Luftmesswerten. Für Sonntag, 1. Oktober, werden an der Messstelle am Bubenbrunnenplatz 56 Mikrogramm pro Kubikmeter an Feinstaub (PM10) angegeben. Schaut man sich die auf Luft.gr.ch öffentlich zugängliche Messreihe genauer an, zeigt sich, dass die Belastung um die Mittagsstunden sogar die Obergrenze der Grafik durchbrach und Werte von über 120 Mikrogramm pro Kubikmeter erreichte. Das sei zwar eine Überschreitung der in der Luftreinhalteverordnung festgelegten Grenzwertes, sagt Hanspeter Lötscher vom kantonalen Amt für Natur und Umwelt. «Eine Gesundheitsgefährdung liegt bei einem solchen Einzelereignis allerdings nicht vor.» Deutlich riechbar sei der Russ jedoch im Filterpapier der Messstation gewesen.

Etwas zu messen

Spannend war das Ereignis hingegen für die Wissenschafter am PMOD/WRC. Seit |Mitte der 90er-Jahre wird dort mittels Sonnenphotometern die Trübung der Atmosphäre durch Aerosole bestimmt, und das PMOD/WRC fungiert als Weltkalibrierzentrum für Trübungsmessungen. Diese Messgeräte können zwar sehr genau sagen, wie gross die Menge an Partikeln ist, jedoch nichts über deren Verteilung in der Atmosphäre. Vor zwei Jahren neu dazugekommen ist ein sogenannter Ceilometer, der die Schichtung der Partikel bis in 15 Kilometer Höhe misst. Dazu nutzt er die Rückstrahlung von pulsierendem Laserlicht, um daraus Dichte und Dicke atmosphärischer Trübung zu errechnen. Die daraus entstehende bild­liche Darstellung zeigt für den 1. Oktober über Davos frühmorgens eine sich langsam absenkende, rund 800 Meter dicke Trübungsschicht, die sich gegen den Abend wieder ausdünnt. Über Mittag erreicht sie sogar den Talboden, was die Ausschläge bei den Messgeräten am Bubenbrunnenplatz erklärt. «Wir massen noch nie eine solche russbedingte Trübung», sagt Julian Gröbner, Co-Leiter am WRC (World Radiation Center). Am nächsten Tag war der Spuk so ziemlich wieder vorbei. Nicht allerdings am PMOD/WRC. Dort freut man sich über die spannenden Messwerte in der normalerweise klaren Davoser Luft. Denn sonst vermag sie nur Saharastaub in einem solchen Ausmass zu trüben. So wurden 2021 noch höhere Werte gemessen. Nur halt Staub-, nicht Russteilchen. Russ in solchen Mengen gab es letztmals im September 2020. Und auch da waren weit entfernte Waldbrände – dieses Mal in Kalifornien – die Ursache. «Die damals gemessenen Trübungswerte waren maximal 0.3. Das ist ungefähr die Hälfte von dem vom letzten Sonntag», sagt Gröbner.

Die Ceilometer-Messung über Davos am 1. Oktober.
Die Ceilometer-Messung über Davos am 1. Oktober.
zVg/Julian Gröbner (PMOD/WRC)
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