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Fliegt der Maikäfer noch?

Das Glarnerland ist eigentlich in einem Maikäfer-Flugjahr. Doch die Käfer werden immer seltener. Während die Landwirtschaft profitiert, hat sein Verschwinden gravierenden Einfluss auf das Ökosystem. 

Südostschweiz
28.05.23 - 04:30 Uhr
Klima & Natur
Der Maikäfer ist trotz seines aktuellen Flugjahres ein selten gesehener Käfer im Glarnerland.
Der Maikäfer ist trotz seines aktuellen Flugjahres ein selten gesehener Käfer im Glarnerland.
Bild Nicola Pitaro/Keystone

von Julia Benz

Die einen konnten ihn bereits vereinzelt beobachten, während andere seit Jahren keinen mehr gesehen haben. Der Maikäfer ist rar geworden im Glarnerland. Dabei schwankt sein Ruf zwischen Schädling und faszinierendem Insekt. Als schädlich gilt er für die Landwirtschaft, wo er als Engerling die Wurzeln von Pflanzen frisst und diese in Folge meist absterben. Schon früh zeigte man sich erfinderisch im Umgang mit den Flugjahren der Maikäfer und ihren Schwärmen. Man kochte noch bis ins 20. Jahrhundert Suppe aus ihnen oder ass sie kandiert als Nachspeise. Für Monica Marti vom Naturzentrum in Glarus aber ist der Maikäfer ein kleines Wunder der Natur und stellt als Insekt einen wichtigen Bestandteil der Biodiversität dar.

Ausbleiben beeinflusst Ökosystem

Im Bündnerland seien aktuell wohl mehr Maikäfer anzutreffen, sagt Monica Marti. Dort fände derzeit offenbar ein grösseres Flugjahr statt, im Glarnerland sei das bisher aber nicht so. Das Bündnerland als auch das Glarnerland befinden sich derzeit eigentlich im gleichen Flugjahr, dem Berner Flugjahr. Zudem sei das nass-kalte Wetter bisher auch kein optimales Flugwetter für Insekten gewesen. Einzelne Tiere seien gesichtet worden, einem grossen Flugjahr entspreche das aber nicht, erklärt die Biologin. Ein weiterer Grund könne die Bekämpfung des Maikäfers seitens der Landwirtschaft sein. Während Mitte des letzten Jahrhunderts in der Schweiz noch das Insektizid Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) gespritzt wurde, werden die Engerlinge heute mit einem im Boden ausgebrachten Pilz bekämpft. Die Wirkung des Pilzes halte einige Jahre an und könnte so lokal zu weniger Maikäfer geführt haben, vermutet Marti. 

Die Biologin ist der Ansicht: «Es gilt eine Balance zu finden zwischen den Ansprüchen des Menschen und den Ansprüchen der Natur.» Zudem habe das Ausbleiben der Maikäfer einen Einfluss auf das Ökosystem. Denn der Maikäfer stellt als Grossinsekt einen wichtigen Futterbestandteil für viele andere Tiere dar. Zum Beispiel für den Wiedehopf, der im Kanton Glarus zwar nicht als ausgestorben gilt, aber schon lange nicht mehr brüte, erzählt Marti. Denn wie eine Vielzahl anderer Lebewesen sei er unter anderem auch auf Maikäfer angewiesen. Die fehlende Nahrungsgrundlage sei vermutlich mit Grund, warum es weniger Wiedehopfe gäbe. 

Den Maikäfer als Tier würdigen

Es sei faszinierend, zu welcher Leistung Maikäfer im Allgemeinen fähig seien, so Monica Marti. Über eine Distanz von 800 Metern rieche dieser Pflanzenduftstoffe, welche entstehen, wenn Blätter angefressen würden: «Das ist in etwa so, als ob man sich am Bahnhof in Glarus befindet und von dort aus riechen kann, wie ein Freund im Kantonsspital ein Brötchen isst, und man so weiss, wo sich dieser befindet.» Maikäfer und vor allem die Männchen hätten daher genau Kenntnis darüber, wo sich ihre Artgenossen beziehungsweise die Weibchen aufhalten.

«Über eine Distanz von 800 Metern riechen Maikäfer Pflanzenduftstoffe, welche entstehen, wenn Blätter angefressen werden.»

Monica Marti, Biologin

Generell erkenne man das Geschlecht der Maikäfer an der Anzahl ihrer Lamellen an den Fühlern, auf welchen sich auch die Geruchssinnzellen befinden. Marti erklärt: «Männchen besitzen sieben Lamellen und haben damit genau eine mehr als die Weibchen.» Es sei gerade für Kinder ein grosses Naturerlebnis, sich einmal genauer mit dem Maikäfer auseinanderzusetzen. Völlig ohne Gefahr könne dieser auf die Hand gesetzt, beobachtet und gespürt werden, so Marti: «Man kann einfach Natur pur erleben durch den Käfer.» Ihr sei es wichtig, den Maikäfer nicht nur als Schädling zu sehen, sondern als Tier zu würdigen und als Bestandteil der Natur zu betrachten. 

Landwirtschaft profitiert 

Die Landwirtschaft bemerkt das Ausbleiben der Maikäfer im aktuellen Flugjahr ebenfalls. Fritz Waldvogel, Präsident des Glarner Bauernverbands, prognostiziert daher geringe Schäden durch den Engerling: «Wahrscheinlich kommt es zu keiner ausgeprägten Eiablage.» Er sieht wie Marti sowohl die nasskalte Wetterlage als auch die jahrelange Bekämpfung als Grund. Das letzte Mal, als die Landwirtschaft grössere Probleme hatte, war in den Jahren 1999 und 2000, so Waldvogel. Das sei auch die Zeit gewesen, in der man aufgrund grosser Schäden damit angefangen habe, besagten Pilz im Boden zur Bekämpfung einzusetzen. Alleine im Glarnerland habe man mit diesem mehrere Hundert Hektare geimpft. 

Der Junikäfer, auch Gartenlaubkäfer genannt, war in der Vergangenheit ebenfalls für grössere Schäden bekannt, auch weil er im Gegensatz zum Maikäfer jedes Jahr vorkommt. Aktuell sei aber auch dieser kein Problem. Gegen den Junikäfer werde ebenfalls ein Pilz eingesetzt, so Waldvogel. Erfolgreich sei der Pilz aber nur, solange genügend Käfer und Engerlinge vorhanden seien. Denn diese seien die Grundlage für den Pilz. Er sterbe ab, wenn es nicht eine gewisse Zahl Engerlinge im Boden gebe. 

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Informativer und interessanter Beitrag, wir haben als Kinder diesen Maikäfer eingesammelt und für einen Batzen zur Sammelstelle gebracht.

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