Kleiner Botschafter: Wie der Igel uns den Spiegel der Natur vorhält
Dem Igel geht es schlecht, seit Kurzem steht er auf der Roten Liste der bedrohten Arten: Was er uns lernen kann und wie wir seinen Lebensraum verbessern und somit das Ökosystem stärken können.
Dem Igel geht es schlecht, seit Kurzem steht er auf der Roten Liste der bedrohten Arten: Was er uns lernen kann und wie wir seinen Lebensraum verbessern und somit das Ökosystem stärken können.

Von Cindy Ziegler
Der Igel ist ein besonderer, kleiner Kerl. Nicht nur wegen seiner 6000 bis 8000 Stacheln. Er gehört auch zu den ältesten noch lebenden Säugetieren. Die Familie der Erinaceidae entstand nämlich vor rund 50 Millionen von Jahren. Nun geht es dem Igel aber schlecht. Er wurde erstmals im Jahr 2022 in die nationale Rote Liste der gefährdeten Säugetiere der Schweiz aufgenommen. Das Bundesamt für Umwelt, das die Liste führt, reagierte damit auf den signifikanten Rückgang der Igel-Population in den letzten 25 Jahren. Im vergangenen November hat die Weltnaturschutzunion den westeuropäischen Igel zudem global als «potenziell gefährdet» in ihre Rote Liste der bedrohten Arten aufgenommen. Was bedeutet das? Und was können wir für den kleinen Kerl tun?
Immer mehr «totes» Gebiet
Annekäthi Frei ist Tierärztin und Co-Geschäftsleiterin des Igelzentrums in Zürich. Für sie und ihre Kolleginnen und Kollegen ist der Gefährdungsstatus des Igels nicht neu. Die Sorge ist dennoch gross. Denn geht es dem Igel nicht gut, dann geht es wohl einem ganzen Ökosystem schlecht. Neben dem Strassenverkehr, der vor allem bei männlichen Igeln in der Paarungszeit im Frühling und Sommer eine Gefahr darstellt, ist es vor allem der Lebensraumverlust, der den Tieren zu schaffen macht. «Durch das verdichtete Bauen geht immer mehr Naturfläche verloren. Für den Igel ist vieles in unserem heutigen Siedlungsgebiet und der aufgeräumten Landschaft totes Gebiet», gibt die Expertin zu bedenken.


Man könne das zunehmende Verschwinden des Igels auch darauf zurückführen, dass es ihm an Nahrung fehlt. Es ist kein Geheimnis, dass auch die Insektenwelt stark unter Druck steht. Gibt es weniger Insekten, finden Igel, andere Kleinsäuger und Vögel auch immer weniger zu essen. «Wenn wir verletzte Tiere gesund pflegen und sie dann wieder in eine Landschaft entlassen, wo es keine Nahrung und keine Versteckmöglichkeiten gibt, ist das wie eine Tonne mit einem Loch. Und wir versuchen immer, mit einem Kaffeelöffel wieder Wasser reinzuschaffen», sagt Annekäthi Frei. Dass der Igel derzeit vermehrt im Fokus steht, habe deshalb auch etwas Gutes. «Als ‹Jöö-Tier› ist er ein guter Botschafter», sagt sie. Dass eine zuvor weitverbreitete Art wie der Igel oder auch die Feldhasen, die ebenso auf der Roten Liste stehen, seltener werden, zeige, dass sich das Ökosystem bedeutend verändert habe, heisst es vonseiten des Bundesamts für Umwelt.
Eine Landkarte im Kopf
Was also ist zu tun? Der Igel bewohnt das gesamte Mittelland und die Voralpen bis auf eine Höhe von etwa 1000 bis 1200 Metern über Meer. Einmal wurde gar ein Exemplar auf 1640 Metern über Meer beobachtet. Auch im Kanton Graubünden ist der Igel also heimisch und müsste eigentlich vielerorts anzutreffen sein. Doch auch hier werden Magerwiesen, Hecken und Gehölz seltener. Der kleine Kerl braucht deshalb naturnahe Gärten. Und zwar eine Vielzahl davon. Denn der Igel ist auch ein Wanderer. Er hat einen hervorragenden Orientierungssinn und speichert sich im Laufe seines Lebens eine Art Landkarte im Kopf ab, in der Durchschlüpfe, Tagesverstecke und Futterstellen verzeichnet sind.
Und was, wenn man keinen Garten hat? Annekäthi Frei meint, dass alle, ob mit Garten oder ohne, etwas für den Igel tun können. Und zwar indirekt. «Auch auf einem Balkon kann man Töpfe mit einheimischen Pflanzen anbringen.» Das tut den Insekten gut. Und wenn es davon wieder mehr gibt, dann geht es bestimmt auch dem Igel wieder besser. Und wenn es mehr Igel gibt ...
In der vergangenen Ausgabe der «Büwo» klärte die Stiftung «Tier im Recht» darüber auf, was man tun sollte, wenn man einen verletzten oder geschwächten Igel findet. Weitere Informationen zum Igel gibt es unter www.igelzentrum.ch
Auf der Webseite buendnerwoche.ch finden Sie ein paar Tipps und Tricks für einen Garten, in dem sich Igel wohlfühlen.
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