×

Tier des Jahres: Der Iltis ist gut versteckt

Der Iltis ist das Tier des Jahres – ein Porträt über ein kleines Raubtier, das man nie zu Gesicht bekommt

Bündner Woche
01.02.24 - 04:30 Uhr
Klima & Natur

von Susanne Turra

Er riecht nach Veilchen. Und er ist ein Einzelgänger. Ein unsichtbarer Nomade. Ein Fleischfresser. Ein Sammler. Er gehört zur Familie der Marder. Ist nachtaktiv. Gerne heimlich unterwegs. Und gut versteckt. Um seine Nase trägt er weisses Fell. Aus seinen schwarzen Knopfaugen schaut er neugierig in die Welt. Er ist klein und leicht. Ein putziges Kerlchen. Der Iltis. Pro Natura Schweiz hat ihn zum Tier des Jahres gewählt.

Das Frettchen als Haustier

Aber Achtung. Das kleine Raubtier ist nicht mit dem Frettchen zu verwechseln. Dieses wird als domestizierte Form des Iltisses zum Teil aus Haustier gehalten. Dies allerdings unter strengen Auflagen. «Und in der Schweiz auch nicht so oft», betont Josia Orlik, Umweltingenieur und Projektleiter bei Pro Natura Graubünden. Trotzdem. Einige Halterinnen und Halter lassen ihren Frettchen die Analdrüse entfernen, mit welcher sie, wie der Iltis, bei Gefahr ein übel riechendes Sekret verspritzen. Das ist in der Schweiz aber verboten.

Zurück zum Iltis. Josia Orlik weiss viel über das Tier des Jahres. Doch gesehen hat er es auch noch nie. Ausser auf Bildern. Oder Wildfotokameras. Halt. «Anlässlich eines Projekts haben wir vor Jahren auf der Wildtierbrücke in Trimmis ein Spurentunnel gelegt», erinnert sich der Fachmann. «Und dort ist ein Iltis hindurchgelaufen. Wir haben seine Spuren erkannt.» Das war dann aber auch schon das Höchste der Gefühle. Ansonsten bleibt der Iltis unsichtbar. Und man kann ihn leider oftmals nur bei Totfunden entlang einer Strasse nachweisen. Einzelne Nachweise vom Iltis gibt es fast aus allen grossen Tälern Graubündens. Ausser aus den Südtälern. Und selten aus der Siedlung. Er bewegt sich vorwiegend im Wald. Oder im Kulturland, das reich strukturiert ist. Oder sein sollte.

Um gut über den Winter zu kommen

Und da sind wir auch schon beim Thema. Der Iltis ist nämlich auf der Roten Liste als verletzlich eingestuft. Und die Rote Liste ist bekanntlich ein Indikator für den Zustand der Biodiversität. Zu viele Feinde, zu wenig Futter, ein zu kleiner Lebensraum. Gründe für die Gefährdung.

«Die Erdkröte und der Grasfrosch sind bei uns am Schwinden.»
Josia Orlik

Amphibienförderung hilft: Frösche und Kröten sind die Hauptnahrung des Iltisses in der Schweiz. Wo es an ihnen mangelt, fehlt dem Iltis eine wichtige Lebensgrundlage.
Amphibienförderung hilft: Frösche und Kröten sind die Hauptnahrung des Iltisses in der Schweiz. Wo es an ihnen mangelt, fehlt dem Iltis eine wichtige Lebensgrundlage.
Bild Fabrice Cahez
So mag es der Iltis: Büsche, Gras und Stauden bieten Deckung und Lebensraum.
So mag es der Iltis: Büsche, Gras und Stauden bieten Deckung und Lebensraum.
Bild Dominic Tinner

Während der Sommermonate frisst der Iltis vorwiegend Frösche und Kröten. «Aber auch häufige Amphibienarten, wie die Erdkröte und der Grasfrosch sind bei uns am Schwinden», bedauert Josia Orlik. «Das führt zu weniger Futter für den Iltis». Übrigens frisst sich der Iltis während des Sommers bis zu 30 Prozent Fett an. Um gut über den Winter zu kommen. Doch auch der Lebensraum wird immer weniger. Die Landschaft wird ausgeräumt. Hecken und Bächlein verschwinden. Wege und Korridore, in denen sich das Tier von einem Wald in den nächsten bewegen kann, verschwinden. Das alles macht dem Iltis das Leben schwer. Kommt dazu, dass der Iltis von den Marderartigen das schlechteste Fell hat. Und so sucht er sich im Winter oftmals ein wärmeres Plätzchen. Das gerne in einem Stall. Aber auch die Ställe sind heute anders als vor 50 Jahren. Sie sind aufgeräumter. Das führt zu weniger Mäusen und Ratten. Und für den Iltis wiederum zu weniger Nahrung. In der Vergangenheit war der Iltis gar regelrecht als Hühnermörder und Eierdieb verschrien. Das mit den toten Hühnern war aber wohl meistens eher ein Marder. Wie auch immer. Heute kennen viele Leute den Iltis nicht mehr. Und so muss er auch nicht mehr so oft mit seinem Namen als Sündenbock herhalten.

Das Weibchen ist alleinerziehend

So oder so. Im Sommer ist der Iltis nomadisch unterwegs. Er geht in seinem Gebiet auf Nahrungssuche, bis er es geleert hat. Dann zieht er weiter. Und kommt nach ein paar Monaten zurück. Und er schaut, was an Nahrung wieder so anfällt. Sein Revier kann bis zu 500 Hektaren gross sein. Kulturland, das dringend wieder mit Strukturen eingeräumt werden muss. Neue Teiche legen. Neue Hecken bauen. Und das nicht nur für den Iltis. Es geht um diesen Kreislauf. Das Zusammenspiel. Und genau darauf zielt Pro Natura bei ihrer Wahl des Tier des Jahres ab. Die Zusammenhänge sollen aufgezeigt werden. Die Kettenreaktionen. Wenn häufig vorkommende Tierarten seltener werden, haben andere Tierarten auch wieder Mühe, zu überleben. Zurück zum Iltis. Ausserhalb der Paarungszeit ist das kleine Raubtier einzelgängerisch unterwegs. Und das Weibchen zieht die Jungen alleine gross. Sie ist sozusagen alleinerziehend.

Auf das Cover geschafft

Und was kann der Mensch für den Iltis tun? Den Garten eigens für den Iltis herzurichten, dürfte wenig erfolgversprechend sein. Er wird höchstens kurz vorbeischauen und dann wieder gehen. Ein Garten allein ist für den Iltis ganz einfach zu klein. «Aber man kann den Garten so anlegen, dass er dem Iltis indirekt zugutekommt», so Josia Orlik. Einen kleinen Teich mit Fröschen unterhalten, zum Beispiel. So kann der Iltis im Sommer wieder vermehrt sein Futter finden. Oder man kann auf einen insektenreichen Garten achten. Dieser bietet Nahrung für die Frösche. Und schlussendlich auch wieder für den Iltis. Da ist sie wieder. Diese Kette. Wie auch immer. Dem Iltis ist dieses Jahr ein ganzes Magazin gewidmet. Er hat es auf das Cover geschafft. Vielleicht nicht jenes des Cosmopolitan. Aber der Pro Natura.

Am Donnerstag, 14. März, um 19 Uhr, im B12 an der Brandisstrasse 12, erzählt Kleinsäugerspezialist Jürg Paul Müller mehr über den Iltis. Informationen unter www.pronatura-gr.ch.

Kleiner Steckbrief

Kopf- und Rumpflänge:
30 bis 45 cm
Schwanzlänge: 9 bis 18 cm
Gewicht: Männchen rund 1,1 Kilogramm, Weibchen rund 0,7 Kilogramm
Lebensdauer: bis 8 Jahre, die meisten Jungtiere sterben im ersten Jahr
Ernährung: Fleischfresser (vor allem Kröten und Frösche, aber auch Kleinsäuger und weitere)              
Winter: bis zu 30 Prozent Fett, eingeschränkter Bewegungsradius
Frühling bis Herbst: grosse Streifgebiete mit mehreren Verstecken
Streifgebiet: 50 bis 500 Hektaren, nomadisch in Teilgebieten unterwegs
Dichte: 1 bis 10 Iltisse pro 1000 Hektar
Höhenverbreitung: bis zu 1600 Meter über Meer
Hauptverbreitung: unterhalb 1200 Meter über Meer
Paarungszeit: Februar bis August (Ranzzeit hauptsächlich April bis Juni)
Tragzeit: 6 Wochen
Wurf: 3 bis 6 Welpen
Junge: Weibchen ziehen Welpen allein auf
Geschlechtsreif: nach 10 Monaten
Besonderes: Analdrüse mit stinkendem Sekret zur Verteidigung

Inhalt von buew logo
Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Klima & Natur MEHR