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Gebilde zwischen Erde und Wasser

Die Gruppe, die sich an diesem Abend den Weg durchs Hochmoor im Laret suchte, war fast zu gross für den empfindlichen Untergrund. Denn eigentlich sollten Moorflächen gar nicht betreten werden. Doch bei der dritten Exkursion zur Biodiversität der Naturforschenden Gesellschaft Davos sollte eine Ausnahme gemacht werden.

Davoser
Zeitung
04.09.24 - 17:00 Uhr
Klima & Natur
Markus Camastral auf dem die Vernässung des Moors kontrollierenden Brunnen.
Markus Camastral auf dem die Vernässung des Moors kontrollierenden Brunnen.
bg
Schliesslich ging es um wertvolle Wissensvermittlung. «Torf ist ein ausgesprochen wertvoller CO2-Speicher», sagte Markus Camstral, Umweltplaner beim Büro Naturplan, während er mithilfe einer Sondierstange den Untergrund beprobte. Gut drei Meter Moorboden fand er zu diesem Zeitpunkt unter seinen Füssen. Oder genauer: Torf. Das ist die Ansammlung an organischem Material, das unter den besonderen Bedingungen des Moores nicht verrottet, sondern im Wasser und ohne Sauerstoff zu diesem speziellen Material wird. «15 Zentimeter Torf speichern gleich viel Kohlenstoff wie ein hundertjähriger Wald.»
Martin Schneebeli zeigt die Baumeister des Moors.
Martin Schneebeli zeigt die Baumeister des Moors.
bg

Die Baumeisterin eines Moors wusste Martin Schneebeli, Schnee- und Moorforscher, SLF, einige Schritte weiter zu zeigen: Torfmoos. Die unscheinbare Pflanze verfügt über keine Wurzeln, sondern wächst mit ihrem grünen Kopf einfach ständig weiter. «Sie kann so mehrere hundert Jahre alt werden.» Er wusste noch mehr zu berichten: «Eigentlich ist es ein so richtig gemeines Kraut, denn es zweigt alle Nährstoffe für sich ab und erzeugt ein so saures Millieu, dass kaum eine andere Pflanze daneben gedeihen kann.» Doch solche Künstler gibt es durchaus, so zum Beispiel viele Seggen und der Sonnentau. Er ist auch im Lareter Moor heimisch und besorgt sich durch das Fangen und Verdauen von Insekten die nötigen Nährstoffe. Seggen wiederum haben die Fähigkeit, Sauerstoff bis in die Wurzeln zu leiten, was ihnen das Überleben in dieser unwirtlichen Umgebung ermöglicht. Sie sind nur zwei von zahlreichen pflanzlichen und tierischen Spezialisten, die auf Moore als Lebensgrundlage angewiesen sind.

Wissend, dass ein Hochmoor in einem Jahr lediglich einen Millimeter in die Höhe wächst, ergeben mehr als drei Meter ein Alter von mindestens 3000 Jahren, Schneebeli schätzt das Lareter Moor sogar auf 6000 Jahre. Er vermute, Feinmaterial der sich zurückziehenden Gletscher habe Toteis­löcher abgedicht, was die Entstehung des Moors ermöglichte. Doch in den vergangenen gut 100 Jahren wurde ihm arg mit­gespielt. Wurde das Gebiet vorher lediglich als Weide oder für den Schnitt von Einstreu genutzt, wurde nach 1900 zwischen Schwarzsee und Moor ein Gaswerk, später die Kehrichtverbrennung, errichtet. Für das Gaswerk wurde Torf, für die Kehrrichtverbrennung Ablagefläche benötigt. Für das erstere wurde ein Kanal durch das ganze Moor gegraben und mehrere Torfstiche entstanden. Mit den Schlacken der Kehrichtverbrennung wurde ein Hügel aufgeschüttet, der das Moor in zwei Teile  schnitt. Noch heute zeugen zahlreiche Scherben von dieser Vergangenheit.

Unter Schutz gestellt wurde das Gebiet 1987. Es sollte aber noch bis 2004 dauern, bevor die Gemeinde erstmals Anstrengungen zu seinem Schutz unternahm und Entwässerungsgräben zuschüttete. Eine zweite solche Massnahme erfolgte 2021, als der Richtung Prättigau entwässernde Kanal geschlossen wurde. Absterbende Bäume auf gewissen Flächen zeugen vom Erfolg der Massnahmen, anderenorts zeugen nachwachsende kleine Fichten von einer noch nicht ausreichenden Durchfeuchtung. Inzwischen gibt es im Laret auf kleiner Fläche ganz unterschiedliche Feuchtstandorte mit ihrer jeweils typischen und angepassten Flora und Fauna bis hin zum Flachmoor im Ausflussbereich. «Ein Moor ist ein Gebilde zwischen Erde und Wasser», beschrieb Camastral. «Es enthält bis zu 95 Prozent Wasser.» Dadurch hat es eine enorme Bedeutung für den Wasserhaushalt. «Torfmoos kann bis zum 30-fachen seines eigenen Gewichts an Wasser aufnehmen», erklärte Schneebeli und liess das Wasser aus einer zerdrückten Pflanze fliessen.

Auf Händen und Knien forschen die Teilnehmenden nach Sonnentau.
Auf Händen und Knien forschen die Teilnehmenden nach Sonnentau.
bg
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