×

Ziel: Einen Blackout vermeiden

«Wenn plötzlich das Licht ausgeht, ohne dass Sie avisiert wurden, dann haben wir ein Problem», sagte Fabio Bühler, Leiter Vertrieb und Marketing bei der Elektrizitätswerk Davos AG am Mittwochabend.

Barbara
Gassler
28.10.22 - 06:44 Uhr
Ereignisse
Boris Bossi durfte eine äusserst interessierte Zuhörerschaft begrüssen.
Boris Bossi durfte eine äusserst interessierte Zuhörerschaft begrüssen.
bg

Während einer spannenden Stunde erklärt Boris Boss, welche Massnahmen dem schlimmsten Fall vorangeschaltet sind.

Zum Informationsanlass im Hotel Ameron eingeladen hatte der Handels- und Gewerbeverein, und dessen Präsident Boris Bossi begrüsste die Mitglieder, unter die sich auch verschiedene Vertreter von Hotel Gastro gemischt hatten.

Seit das Thema Energiemangellage in ­aller Munde ist, wissen auch die meisten, dass es zwei Arten von Stromkunden gibt: Jene mit einem jährlichen Verbrauch von weniger als 100 000 kWh, also Privathaushalte und Kleinbetriebe. Sie erhalten Strom über die sogenannte Grundversorgung und müssen in Davos einen Preisaufschlag von rund einem Drittel gegenwärtigen. Anders jedoch die mittelgrossen Betriebe und viele Hotels. Sie konnten bisher auf dem freien Markt von günstigeren Preisen profitieren. Doch dort kostet das kWh-Strom inzwischen 80 bis 90  Rappen. «Noch vor einem Jahr fanden unsere Kunden Aufschläge von 1 Rappen viel», stellte Bühler die Zahlen in Relation. Die Situation werde sich auf einige Jahre hinaus nicht verbessern, führte Bühler, der sich als Mitglied der Kommission Energiewirtschaft des Dachverbandes der Schweizerischen Elektrizitätswirtschaft intensiv mit dem Thema beschäftigt, aus und zeigte ein Energieszenario 2050, das im Winter noch immer einen Mangel an in der Schweiz produziertem Strom prognostiziert.

Ostral

Strommangel war dann auch das Stichwort für den zweiten Teil des Referats, zur im kommenden Winter befürchteten Energiemangellage und den Massnahmen zur Abwendung des Schlimmsten: dem Blackout. Darunter versteht man einen flächendeckenden Zusammenbruch des Stromnetzes, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt und deshalb die Spannung von 50 Hertz nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. «In der Schweiz würden wir ein Wiederherstellen des Netzes auf lokaler Ebene wohl innert 24 Stunden hinbekommen», erklärte Bühler. Doch das nütze nichts, weil das Schweizer Netz untrennbar mit dem Europäischen verbunden sei und der Prozess in Deutschland mehrere Tage dauern würde. Die Folgen kann man sich leicht vorstellen, weshalb es gilt, alles daran zu setzen, dass es nicht soweit kommt. Hier kommt Ostral, die Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen, ins Spiel. Die Pläne für eine solche Situation bestehen seit 30 Jahren und werden mit den Grossverbrauchern regelmässig durchgespielt. «Doch wie die praktische Umsetzung funktionieren wird, weiss derzeit niemand.»

Von der Freiwilligkeit zu Verboten

Die Pläne fussen auf einem Kaskadensystem, auf dessen zweiten Stufe wir uns bereits befinden: «Alarmierung und erhöhte Bereitschaft.» Es werden Sparappelle lanciert, die Massnahmen funktionieren auf freiwilliger Basis. Im nächsten Schritt – «Der Strom ist erfahrungsgemäss im Februar und März am knappesten», sagte Bühler – beschliessen die Behörden die Bewirtschaftungsverord-nungen Elektrizität (BVO). Ab diesem Moment übernimmt, wie in der Ausserordentlichen Lage während der Covid-Pandemie, der Bundesrat die Leitung, und mit der Freiwilligkeit ist es vorbei. Bei der Umsetzung der BVO – Stufe 4 bei Ostral – wird zuerst ein Verbot der Nutzung bestimmter Stromverbraucher ausgesprochen. «Die Liste liegt vor, aber auch wir wissen nicht genau, was genau sie beinhaltet.» Naheliegende Kandidaten sind Saunaanlagen und Schwimmbäder, Klimaanlagen, Schaufenster und Leuchtreklamen sowie Rolltreppen und Aufzüge. Reichen diese Massnahmen noch nicht aus, wird der Strom für die Grossverbraucher kontingentiert. Obwohl die Haushaltungen in der Schweiz für knapp 35 Prozent des Stromverbrauchs verantwortlich zeichnen, setze man bei den Grossverbrauchern an, weil sich diese am besten auf die Situation vorbereiten könnten, wird argumentiert.

Zyklische Abschaltungen

Sollte auch das noch nicht ausreichen, kommt es zur letzten verzweifelten Massnahme: Abwechselnd werden ganze ­Trafostationen während vier Stunden abgeschaltet. Was das bedeutet, erklärte Bühler: «Ganze Ortsteile haben einfach keinen Strom mehr.» Dahinter steht die Überlegung, dass man diese Zeit irgendwie überstehen kann. Besonders, weil die Abschaltungen angekündigt werden und man sich vorbereiten kann. Abgeschaltet werde der Strom auch bei systemrelevanten Nutzern wie dem Spital und der ARA. Doch diese müssen ohnehin über eine Notstromversorgung verfügen. «Die Pläne was wann abgeschaltet wird, liegen vor. Sie sind jedoch geheime Verschlusssache. Auch innerhalb der EWD AG kennen nur ganz wenige Personen sie.» Eine Herausforderung für den Energiever­sorger sei es dann, wenn ganze Trafo­gruppen gleichzeitig wieder ans Netz gingen, zeigte Bühler eine Problematik auf.

Andere Probleme wälzten jedoch die ­Zuhörenden. Sie waren offensichtlich beeindruckt von der Tragweite der geschilderten Massnahmen. «Dann könnten auch Grossveranstaltungen abgesagt werden», fragte jemand, und erhielt ein Ja von Bühler. Im Gedanken mit den Massnahmen beschäftigt, waren andere: «Werden wir denn auch rechtzeitig avisiert?», lautete eine bange Frage. Ja, das würden sie, antwortete Bühler. Anderenfalls ..., siehe ­Anfang.

www.ostral.ch/de

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.

Kommt es zu einem von Deutschland oder Frankreich ausgelösten Blackout nützen all diese Massnahmen nichts, wenn sich die Schweiz nicht automatisch und rechtzeitig aus dem europäischen Stromnetzverbund auskoppeln kann (siehe auch https://www.nzz.ch/wetter/wetter-schweiz/ex-swissgrid-manager-schweiz-s…)
.
Eine weitere wichtige Massnahme ist, dass die ausgchriebene Regelleistung von heute 1 auf 5 GW erhöht wird. Dadurch erhalten Stromkunden Geld, wenn sie bereit sind ihren Stromverbrauch zu reduzieren oder gezielt Strom produzieren (z.B. mittels Notstromanlagen). Die Verschandelung der Alpen durch Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen entfällt und auch die öelthermischen Notkraftwerke im Aargau werden gar nicht benötigt..
Urs Anton Löpfe Gründer Energieeffektivität Community

Mehr zu Ereignisse MEHR