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Schwere Vorwürfe gegen Bündner Richter und kantonale Behörden

Einem Richter am Verwaltungsgericht Graubünden wird laut dem Nachrichtenportal «Inside Justiz» eine Vergewaltigung vorgeworfen. Kritik übt das Portal an den Ermittlungen durch die Bündner Behörden.

Südostschweiz
10.12.22 - 11:15 Uhr
Ereignisse
Ein Verfahren läuft: Am Verwaltungsgericht Graubünden soll ein Richter eine Praktikantin vergewaltigt haben.
Ein Verfahren läuft: Am Verwaltungsgericht Graubünden soll ein Richter eine Praktikantin vergewaltigt haben.
Bild Archiv

Unter dem Titel «Der nächste Bündner Justizskandal» berichtet das Internetportal «Inside Justiz» über schwerwiegende Vorwürfe gegen einen hauptamtlichen Richter am Verwaltungsgericht Graubünden. Der Mann sei von einer ehemaligen Praktikantin wegen Vergewaltigung angezeigt worden, heisst es in einem am Samstag veröffentlichten Artikel. Das entsprechende Strafverfahren laufe, für den Mann gelte die Unschuldsvermutung, so «Inside Justiz».

Die Frau habe angegeben, der Vorfall habe sich vor ziemlich genau einem Jahr, am 13. Dezember 2021, abgespielt, heisst es in dem Artikel. An diesem Abend habe der Richter die damalige Praktikantin am Verwaltungsgericht Graubünden auf 18.30 Uhr in sein Büro bestellt, um mit ihr einen Fall zu besprechen. Dazu sei es nicht gekommen; der Richter habe sich an der Frau vergangen und sie vergewaltigt. Laut «Inside Justiz» bestreitet der Mann den sexuellen Kontakt nicht; dieser habe aber im gegenseitigen Einvernehmen stattgefunden. 

Gegenüber «Inside Justiz» sagte die Anwältin des Richters, ihr Mandant habe sich mehrere Monate nachdem eine 25-jährige Juristin ihr Praktikum abgeschlossen habe, plötzlich mit den Vorwürfen konfrontiert gesehen. «Er bestreitet jegliches widerrechtliche Verhalten. Die bestrittenen Vorwürfe sind sehr überraschend und belastend für meinen Mandanten.» Dieser habe von Beginn weg umfassend mit den Untersuchungsbehörden kooperiert. Die Frau, welche die Anzeige gegen den Richter erstattet habe, habe auf Interviewanfragen nicht reagiert, so «Inside Justiz».

Die Bündner Staatsanwaltschaft bestätigt eine Untersuchung

Wie es in dem Artikel weiter heisst, bestätigt die Staatsanwaltschaft Graubünden das Verfahren. «Wir bestätigen Ihnen, dass bei der Staatsanwaltschaft Graubünden eine Strafuntersuchung gegen einen vollamtlichen Richter des Bündner Kantons- oder Verwaltungsgerichts wegen strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität hängig ist», wird Staatsanwalt Maurus Eckert in dem Bericht zitiert. Weitere Auskünfte habe Eckert mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht erteilt.

Auch Julia Müller (SP), Präsidentin der grossrätlichen Kommission für Justiz und Sicherheit (KJS), hat laut «Inside Justiz» bestätigt, dass die Kommission die Anschuldigung kennt. Die KJS habe von der Staatsanwaltschaft ein sogenanntes Ermächtigungsgesuch erhalten und bewilligt, wird Müller zitiert. Das bedeutet, dass die Kommission die strafrechtliche Immunität des beschuldigten Richters aufgehoben hat.

Vorwürfe gegen Bündner Behörden

«Inside Justiz», das es sich laut seiner Website «zum Ziel gemacht hat, kritisch über die Justiz zu berichten», erhebt gegen die Bündner Behörden schwere Vorwürfe. Im Artikel wird die bisherige Ermittlungsarbeit scharf kritisiert. So sei der Beschuldigte zwar am 30. März des laufenden Jahres – rund einen Monat nach Eingang der Strafanzeige – von der Kantonspolizei Graubünden abgeholt und einen Tag lang befragt worden. «Es wurden aber weder sein Handy noch sein Computer oder andere Arbeitsgeräte eingezogen und ausgewertet.» Das Büro und der private Wohnsitz des Richters seien nie durchsucht worden, «Befragungen der anderen Angestellten des Verwaltungsgerichts fanden bis heute nicht statt».

Gegenüber «Inside Justiz» bestritt Staatsanwalt Eckert laut dem Artikel, dass es zu Versäumnissen bei den Ermittlungen gekommen sei. «Die erforderlichen Beweismittel wurden sichergestellt», wird er zitiert.

Erstaunt zeigt sich «Inside Justiz» auch darüber, dass der Beschuldigte nicht in Untersuchungshaft genommen wurde. In den letzten 19 Vergewaltigungsfällen, welche in Graubünden bis vor Kantonsgericht weitergezogen worden und deren Urteile deshalb öffentlich einsehbar seien, sei jedes Mal Untersuchungshaft angeordnet worden. «Ob da dann doch nicht ganz so streng untersucht wird, wenn die Vorwürfe ‘einen Eigenen’ betreffen?», fragt sich «Inside Justiz» in dem Artikel.

Auch dieser Vermutung widersprach Staatsanwalt Eckert laut «Inside Justiz: «Die Frage impliziert, dass wir unsauber arbeiten, wenn es sich bei der beschuldigten Person um eine Magistratsperson handelt. Diese Unterstellung weisen wir zurück», heisst es in dem Artikel. Es seien Vorkehrungen getroffen worden, «um gerade in diesem Fall eine sorgfältige, pflichtgemässe und unabhängige Arbeit garantieren zu können».

Bündner Richter bleibt im Amt

Wie es im Artikel weiter heisst, ist der beschuldigte Richter weiterhin im Amt und fällt Urteile. Die KJS hätte demnach die Möglichkeit, ein Gesuch um Suspendierung des Beschuldigten zu stellen. Dies habe sie aber nicht getan. Die Frage, wieso dies nicht geschehen sei, habe Kommissionspräsidentin Müller gegenüber «Inside Justiz» nicht beantworten wollen. «Wir beschäftigen uns eingehend mit dem Fall», sei das Einzige, was sie sich habe entlocken lassen.

«Inside Justiz» sieht die vermuteten Verfehlungen der Ermittlungsbehörden nicht als Einzelfall in Graubünden an. Das Portal erinnert unter anderem an die Freisprüche für einen Kantonspolizisten und den Präsidenten des Regionalgerichts Unterengadin / Val Müstair im Zusammenhang mit dem Baukartellskandal sowie an die Querelen rund um das Kantonsgericht Graubünden. Der Freispruch für den Polizisten, welcher der Urkundenfälschung und des Amtsmissbrauchs angeklagt gewesen war, habe «zumindest ausserhalb des Kantons unter Strafrechtlern für Kopfschütteln gesorgt», heisst es im Artikel.

Zum aktuellen Fall des der Vergewaltigung beschuldigten Richters liegen dieser Redaktion weitere Unterlagen und Informationen vor. Diese werden auf «suedostschweiz.ch» sowie in der Dienstagsausgabe der «Südostschweiz» thematisiert. (red)

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