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Parlament soll für Ordnung am höchsten Bündner Gericht sorgen

Die Kommission für Justiz und Sicherheit (KJS) des Grossen Rats hat heute zu der angespannten Situation am Kantonsgericht Graubünden informiert. Darunter fallen Beschlüsse zu Anträgen auf Amtsenthebung gegen Angehörige des höchsten Bündner Gerichts.

Agentur
sda
02.06.20 - 12:12 Uhr
Ereignisse
Kantonsgericht Chur
Kantonsgericht an der Poststrasse in Chur.
PHILIPP BAER

In den Wirren am Kantonsgericht Graubünden soll der Grosse Rat für klare Verhältnisse sorgen. Dessen Justizkommission entschied, einen aufmüpfigen Richter nicht mehr zur Wiederwahl vorzuschlagen. Gegen den Gerichtspräsidenten läuft ein Strafverfahren wegen Amtspflichtverletzung.

Die grossrätliche Kommission für Justiz und Sicherheit informierte am Dienstag in Chur über ihre Entscheide. Sie betreffen hauptsächlich Auseinandersetzungen am höchsten Bündner Gericht in Chur, die sich sich in den letzten Jahren zuspitzten und in einem Antrag auf Amtsenthebung gegen Richter Peter Schnyder gipfelten.

Richter Schnyder soll nach Auffassung der elfköpfigen und einstimmigen Grossratskommission aus Gründen der Verhältnismässigkeit nicht des Amtes enthoben, sondern nicht mehr für eine weitere Amtsperiode wiedergewählt werden. Die Kommission begründet den Antrag mit dem «ausgeprägten Individualismus» von Richter Schnyder verbunden mit einem «Beharren auf der eigenen Meinung in der Art und Weise, die für eine Kollegialbehörde als unverträglich beurteilt werden müsse».

Ernsthafte Amtspflichtverletzung vermutet

Die Kommission nahm überdies die Rolle von Gerichtspräsident Norbert Brunner unter die Lupe. Bei ihm sei eine «sehr ernsthafte Amtspflichtverletzung» festgestellt worden. Die Verletzung stehe im Zusammenhang mit einem Berufungsurteil in einem Erbrechtsfall.

Richter Schnyder, der nicht wiedergewählt werden soll, wirft dem Gerichtspräsidenten vor, ein Fehlurteil gefällt zu haben. Der Gerichtspräsident soll ein Urteil nachträglich und eigenmächtig abgeändert haben. Dadurch soll eine nicht am Erbstreit beteiligte Person eine sechsstellige Summe zugesprochen erhalten habe.

Auf eine Wahlempfehlung des Gerichtspräsidenten verzichtet die Kommission. Der 67-jährige Gerichtspräsident geht Ende Jahr in Pension. Gegen ihn führt die Staatsanwaltschaft allerdings ein Strafverfahren. Den Weg dafür machte die Kommission frei mit der Aufhebung von Brunners Immunität.

Der 120-köpfige Grosse Rat als Wahlgremium befasst sich mit den Richterwahlen am Kantonsgericht in der Augustsession. Entscheiden muss die Kommission auch noch darüber, ob eine Disziplinarmassnahme gegen den Gerichtspräsidenten wegen der ernsthaften Amtspflichtverletzung ausgesprochen werden soll.

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Das scheint ein riesiger Sauhaufen in Graubünden zu sein. Nichts unter Kontrolle. Willkür und Arroganz sondergleichen. Sowohl beim Gericht als auch bei der Kantonalbank. Alles Vertrauen verloren.

Es ist ein Armutszeugnis, was die Kommission für Massnahmen vorschlägt. Der Gerichtspräsident, dem Amtspflichtverletzungen vorgeworfen werden, ist fein raus. Keine Abstrafung durch die Kommission. Der Richter, der sich als eine Art Wistleblower geoutet hat, wird hingegen abgestraft, indem man ihm Aufmüpfigkeit vorwirft. Eigentlich müsste man diesen Richter zum Gerichtspräsidenten befördern. Aber nein, die Kommission schlägt seine Nicht-Wiederwahl vor. Das ist wieder ein Mal der Bündner Filz, wie er leibt und lebt. Ein bitterer Schlag für den Rechtsstaat. Ich schäme mich als Bündner dafür. Es kommt der Eindruck auf, dass die Kommission die ganze Angelegenheit am Liebsten unter dem Teppich gehalten hätte. Alles sollte so weitergehen wie bis heute.

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