Gottesdienst im Internet
Die Freikirche Prisma überträgt neu Gottesdienste im Internet. Auch für Landeskirchen könnte das ein Weg sein.
Die Freikirche Prisma überträgt neu Gottesdienste im Internet. Auch für Landeskirchen könnte das ein Weg sein.
Es ist schon fast gespenstisch ruhig in den Räumlichkeiten der Kirche im Prisma beim Albuville, mitten in Rapperswil-Jona. Es ist aber nicht die Ruhe vor dem Sturm, denn dieser kommt nicht. «Normalerweise gehen bei uns von Freitag bis Sonntag pro Woche 800 Kinder, Jugendliche und Erwachsene ein und aus», sagt Pressesprecher René Christen. Wegen des Coronavirus sah sich die Freikirche zum Handeln gezwungen: Gottesdienste ohne Publikum vor Ort.
Die vermehrte Nutzung von digitalen Medien dürfte auch für andere Kirchen immer wichtiger werden (siehe Infokasten).
Schon letzten Freitag übertrug Prisma ihren Jugendgottesdienst live im Internet. Davor stellten sie jeweils die Predigt als Video ins Internet, dadurch stand das Prisma schon in den «Startlöchern» für eine weitere Digitalisierung. Das technische Know-how sei vorhanden gewesen, sagt Christen. Wegen den kantonalen Bestimmungen musste es plötzlich schnell gehen: «Es brauchte einen Kraftakt», sagt Christen.
«Möchtegern-Theologe»
Der Jugendgottesdienst wird von Pfarrer Michael Berra geleitet – oder eher Pastor? Berra weiss selber nicht so genau, wie er sich bezeichnen würde. Auf seiner Website beschreibt er sich als «Möchtegern-Theologe». Das soll bedeuten, dass er die Weisheit nicht mit dem Löffel gefressen hat, erklärt er – und fügt schmunzelnd an: «Aber ich bin unterwegs dazu.»
Weil nun Zuschauer vor Ort wegfallen, muss der promovierende Theologe einige Elemente aus seinem Gottesdienst streichen: «Es gibt kein Gesang und kein gemeinsames Abhängen nach dem Gottesdienst.» Sofa, Gesprächsgäste, musikalische Untermalung gehören aber dazu. Es ist mehr eine Late-Night-Show als eine Messe, sagt Berra. Dafür können nun Zuschauer mit dem Handy an einem Quiz teilnehmen oder Fragen stellen.
Für Berra ist die Predigt ohne Publikum nicht das grösste Problem, er macht sich aber Sorgen um die ganze Gesellschaft: «Wie kann menschliche Nähe erhalten bleiben trotz Social-Distancing?» Die Frage werde uns die nächsten Wochen beschäftigen.
Zwischen den Corona-Polen
Das Thema Coronavirus greift der 43-Jährige nur am Rand im Livestream auf. Dennoch gebe es für ihn zwei wichtige Komponenten: «Bei jenen, die Ängste haben, gilt es zu deeskalieren; für andere, die es unterschätzen, müssen wir zeigen, wie ernsthaft das Thema ist.» Das Prisma wolle zwischen diesen Polen stehen und Hoffnung und Hilfe vermitteln.
Zweimal wöchentlich hält das Prismateam Sondersitzungen betreffend des Coronavirus ab. «Wir nehmen jetzt Woche für Woche und gehen davon aus, dass die Situation vorerst so bleibt», sagt René Christen.
Neben dem Freitagabend wird auch der Sonntagsgottesdienst als Direktübertragung angeboten. Die «Chinderchilä» wird als Kurzvariante aufgeschaltet.
Berra sieht trotz Krise Positives: «Notlagen erfordern neue Wege und Ideen.» Hunderte Personen verfolgten auf dem digitalen Weg die Gottesdienste. Exakte Zahlen fehlen, dafür ging es zu schnell.
Bischof Markus Büchel: «Verzicht wird zu einem Akt der Solidarität»
Auch die Kirche muss sich mit den Auswirkungen des grassierenden Coronavirus auseinandersetzen. Der St. Galler Bischof Markus Büchel (Bild) hat hierzu gestern einen Text veröffentlicht. Bischof Markus schreibt darin unter anderem:
«Die Vorbereitungswochen auf das Osterfest sind in unserer christlichen Tradition eine Zeit der Besinnung und Neuorientierung. Wer hätte am Aschermittwoch gedacht, dass unsere diesjährige Fastenzeit uns in eine so existenzielle und alle Menschen verbindende Herausforderung führen würde, wie wir sie nun mit der Corona-Epidemie erleben.
Dies betrifft auch unsere kirchlichen Anlässe und Gottesdienste. Jeder Verzicht wird zu einem Akt der Solidarität zugunsten der Menschen, die am stärksten gefährdet sind. Als Bischof danke ich allen, die in den Pfarreien und Kirchgemeinden diese Massnahmen unterstützen und sich der Betroffenen annehmen.
Wo physische Nähe zu Kranken und Betagten nicht mehr möglich ist, dürfen wir Glaubende einander im Gebet unterstützen. In der Seelsorge sind wir daran, neue Wege zu finden, über digitale Medien, Telefongespräche, Gebetsvorlagen, aufmunternde Briefe.
Auch wenn schliesslich sehr viele Menschen nicht oder kaum krank werden durch das Virus, spüren wir eine grosse, kollektive Angst. Gerade in diesen Erfahrungen der Angst und der Ohnmacht ist das Vertrauen auf Gott eine tragende und heilende Kraft: ER hat uns seine Nähe zugesprochen. ER lässt uns nicht im Stich und schenkt uns auch in grossen Herausforderungen eine Hoffnung, die trägt. Jesus Christus geht unseren Weg mit, auch durch diese Epidemie hindurch.» (red)
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Sehr informativ ! Vielen…
Sehr informativ ! Vielen Dank für diesen interessanten Artikel. Es wäre spannend zu sehen, ob andere Kirchen nachziehen.
Ein kleines inhaltliches Detail: so viel mir bekannt ist, ist René Christen nicht einfach der Pressesprecher, sondern ehemalige Hauptpastor und Leiter, der die Hauptleitung vor einiger Zeit an Jüngere übergeben hat. Michael Berra ist Pastor der Jugend (Teenager bis End-Zwanziger). Aber eben, dies sind Details. Ich wünsche der Kirche im Prisma alles Gute und mögen viele Leute Kraft schöpfen im der kommenden Zeit.