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«Ich will mit 30 noch Schneeflocken mit dem Mund fangen können»

Aufmarsch der Glarner Schüler: Wie hunderttausende andere Schüler in der ganzen Welt haben sie gestern bei kühlen Temperaturen gegen die Klimaerwärmung protestiert.

Martin
Meier
15.03.19 - 20:49 Uhr
Ereignisse

Je schlechter das Wetter, desto fester muss der Wille sein, für eine Sache einzustehen. Die Schüler trotzen am Freitag in Glarus Wind und Wetter und beweisen, dass es ihnen mit der Umwelt ernst ist. An die 100 Jugendliche, denen die Zukunft nicht egal ist, beteiligen sich am Klimastreik. Schüler und Schülerinnen von der Kanti und aus andern Schulhäusern, eine Gruppe Kinder und ein paar Erwachsene sind mit dabei. Lautstark ziehen sie gegen elf Uhr über die abgesperrte Hauptstrasse von der Kantonsschule zum Rathaus, aus dem sich kein Würdenträger hinaus in die raue Natur wagt. Regenschirme und -jacken dominieren den Vorplatz.

Im Rat- und im Gemeindehaus von Glarus hat man sich mit der Schülerdemonstration schliesslich bereits im Voraus auseinandergesetzt – und die Bewilligung an eine Rechnung geknüpft: An die 1000 Franken sollten die Schüler an die Kosten für Polizei und andere Personen bezahlen. Nachdem die Organisatoren interveniert hatten, wurde das dann doch noch erlassen. Allerdings mussten sie die Haftung für allfällige Schäden übernehmen.

Viele Transparente transportieren die Botschaft, die von den Schülern ausgeht: «Zuerst die Eisbären, dann wir.» Gemeint sind die vom Aussterben bedrohten Arktisbewohner und durchaus ernst gemeint der Nachsatz: «Nicht mit uns!»

«Noch zehn Jahre Zeit, den Klimawandel zu stoppen»

Nicht mit uns. Dies sagt sich wohl auch Kanti-Viertklässler Kaspar Fischli, der mit der Kanti-Drittklässlerin Sofie Ellinger den Anstoss zum Klimastreik gegeben hat. Die Glarner Gruppe ist untereinander und mit den andern Gruppen in der ganzen Welt über den Messaging-Dienst Whatsapp vernetzt. Feste Strukturen mit Vorständen oder Präsidenten wie bei etablierten Parteien oder Verbänden gibt es nicht.

«Uns bleiben jetzt noch zehn Jahre Zeit, den Klimawandel zu stoppen», sagt Kaspar Fischli. Alleine könne er da nicht viel tun. «Uns geht es darum, das System zu ändern.» Die Politik sei gefragt. Natürlich habe er selber angefangen, beispielsweise weniger Fleisch zu essen. Um wohin in die Ferien zu fliegen? Kaspar Fischli sagt: «Ich fliege nicht. Ich verreise mit dem Zug – nach England.»

«Gebt unserem Zuhause, der Erde, erste Priorität»

Der Klimawandel sei eine weltweite Krise, warnt Sofie Ellinger in ihrer Rede. Trotzdem gebe es noch immer Politiker, die allen Ernstes diese unnatürliche, definitiv menschengemachte Entwicklung leugnen. Auch in der Schweiz gebe es noch viele Leute, so Ellinger weiter, welche die jahrelangen Warnungen ignorierten und so täten, als müsste man erst noch diskutieren, ob das alles schlimm sei. «Wir müssen etwas tun. Die Politik muss etwas tun. Also hört bitte auf, die Klimabildung zu unterschlagen, und gebt unserem einzigen Zuhause, der Erde, die erste Priorität, die sie schon lange verdient hätte», schliesst Ellinger.

Ans «Rednerpult», genauer gesagt auf die zwei grauen Plastikkisten, wagt sich auch ein ehemaliger Lehrer, der die Schüler ermuntert, für den Klimaschutz einzustehen.

«Ich will nicht, dass ihr meine Zukunft klaut»

Fast schon ein literarisches Werk ist die Eröffnungsrede von Tamara Antonazzo und ihrer Kollegin Jennifer Greye, die im Buchholz in die Schule gehen. Sie sagt: «Ich will, dass meine Kinder eine Zukunft haben. Ich will auch noch, wenn ich 30 bin, Schneeflocken mit dem Mund fangen. Ich will durch den Park laufen und Kinder sehen, die einen Schneemann bauen. Ich spreche im Namen von jedem hier, wenn ich sage, dass ich nicht will, dass ihr meine Zukunft klaut.» Und Tamara Antonazzo sagt zur Menge: «Ich stehe hier im Namen aller, die auf Demos gehen, die sich engagieren, die sich für Klimapolitik interessieren. Ich stehe hier für das Leben meiner zukünftigen Kinder und Enkel, für meine Familie, für meine Erde, für uns alle!»

Schäden, für die die Schüler hätten geradestehen müssen, hat es dann – wenig überraschend – während der ganzen Demonstration nicht gegeben.

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