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«Beeindruckend, wie Indonesien mit der Katastrophe umgeht»

Ende September sorgten ein Erdbeben und ein Tsunami auf der indonesischen Insel Sulawesi für grossen Schaden. Der Bündner Flisch Jörimann war für die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit vor Ort. Und staunte, wie optimistisch die Indonesier nach vorne blicken – trotz schweren Verlusten.

Simone
Zwinggi
17.10.18 - 04:30 Uhr
Ereignisse
Indonesia Earthquake Ten Minutes of Terror
Verschwundenes Land: In Indonesien sieht seit der Naturkatastrophe Ende September nichts mehr so aus, wie es mal war.
Aaron Favila/KEYSTONE

Am 28. September erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,4 Zentral-Sulawesi. Zusammen mit dem Tsunami, dessen Wellen mit einer Höhe von bis zu sechs Metern auf die Insel trafen, richtete es grossen Schaden an, vor allem in der Hauptstadt Palu. Derzeit gebe es rund 2000 bestätigte Todesopfer, sagt Flisch Jörimann von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), der Humanitären Hilfe der Schweiz. Der Bündner war vom 1. bis 14. Oktober in Palu, um eine Hilfsstation einzurichten. Und brachte sowohl negative wie positive Eindrücke zurück in die Schweiz.

Vom Erdboden verschluckt

Leute zum Helfen finden, ein Büro einrichten, Autos auftreiben – Jörimanns Team von 13 Schweizern und einigen Einheimischen musste eine Basis einrichten, um Hilfe zu organisieren und zu verteilen. Sie mussten herausfinden, was am meisten benötigt wird und mit den Behörden vor Ort zusammenarbeiten. «Denn diese wollten und mussten unsere Aktionen vor Ort ganz eng begleiten», so Jörimann.

In Palu wurden viele Häuser ganz oder teilweise vom Erdbeben zerstört, in der näheren Umgebung gingen Hunderte von Erdrutschen nieder, wie Jörimann berichtet. «Diese Erdrutsche verschluckten unzählige Menschen, die man mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht mehr finden wird.» Und Jörimann sah etwas, was er noch nie gesehen hatte: verflüssigte Zonen. «Da sind ganze Dörfer einfach unter der Erde verschwunden», sagt er. Diese Verflüssigungszonen seien relativ schnell verhärtet, sodass es unmöglich sei, dort noch jemanden zu finden.

In Palu sei nach ein paar Tagen wieder Leben eingekehrt. «Es gab irgendwann wieder Strom und einige Geschäfte öffneten wieder», berichtet Jörimann.

Von der Hoffnung beeindruckt

Betroffen zeigt sich Jörimann vor allem von den direkten Auswirkungen des Tsunami. «Dass 100 Prozent, alles, was da war – Mensch, Tier, Infrastruktur – jetzt komplett weg ist, ist eindrücklich und irgendwie nicht zu fassen», erzählt er in Bezug auf die Tsunami- und Verflüssigungszonen sowie die von Erdrutschen zerstörten Gebiete. Kaum eine Familie sei von dem Ereignis verschont geblieben, der Schrecken sitze Vielen noch in den Knochen.

Aber Jörimann staunte in Indonesien nicht nur über die grosse Naturkatastrophe, sondern auch über die Mentalität der Einheimischen: «Wie sie bald wieder zu lachen begonnen haben und wieder nach vorne schauen, das hat mich beeindruckt.» Auch wenn es vor Ort – «vor allem aus den Augen eines Europäers» – nach Chaos aussehe, so hätten die indonesischen Behörden schon sehr viel Arbeit geleistet, sagt Jörimann. «Die Behörden und die Bewohner haben grosse Bewältigungskapazitäten. Das Land ist nicht am Anschlag, wie man vielleicht meinen könnte, die Solidarität unter Indonesiern ist beispiellos. Deswegen beziehen die Behörden auch nur hochwertige Hilfsgüter und Expertisen aus dem Ausland.»

Voraussichtlich bis Ende Monat

Derzeit seien noch sieben Schweizer vor Ort, die sauberes Trinkwasser produzieren und verteilen und Notbehausungen organisieren, erzählt Jörimann. «Sie bleiben so lange in Palu, wie die Behörden sie noch brauchen, voraussichtlich noch bis Ende Oktober.» Ein langfristiger Einsatz sei nicht geplant.

Jörimann geht seit dieser Woche wieder seiner gewohnten Aufgabe an der Deza nach, wo er zuständig ist fürs Krisenmanagement und die Ausbildung von Hilfstrupps.

Simone Zwinggi ist Redaktorin bei Zeitung und Online. Nach einem Sportstudium wendete sie sich dem Journalismus zu. Sie ist hauptberuflich Mutter, arbeitet in einem Teilzeitpensum bei der «Südostschweiz» und hält Anekdoten aus ihrem Familienleben in regelmässigen Abständen im Blog Breistift fest. Mehr Infos

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