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Schatten der Vergangenheit

25.08.17 - 10:47 Uhr
Ereignisse
Kommentar

Die Schweizer sind Profis im Umgang mit Naturgefahren. Selbst im Ausland ist ihre Expertise gefragt: Instabile Hänge und Felspartien werden von um die Erde kreisenden Satelliten ständig überwacht, ausgeklügelte Alarmsysteme sorgen dafür, dass im Ernstfall jeder weiss, was er zu tun hat, und jährlich werden Hunderte von Millionen Franken in den Hochwasser- und Lawinenschutz investiert.

Die Risiken lassen sich dadurch zwar minimieren. Die Sünden der Vergangenheit werden damit aber nicht rückgängig gemacht. Vor allem in den Sechziger- und Siebzigerjahren wurde allzu sorglos nahe an Bäche und an instabile Hänge gebaut. Einfach, weil sich während längerer Zeit keine Katastrophe ereignet hatte. Katastrophenlücke nennt sich das in der Wissenschaft. Schätzungen zufolge leben heute schweizweit bis zu 20 000 Menschen in gefährdetem Gebiet.

Die Erderwärmung sorgt dafür, dass sich die Gefahren häufen: Ehemals stabile Hänge rutschen ab oder der tauende Permafrost macht Felsen brüchig – wie eben geschehen im Bergell am Piz Cengalo. Der passionierte Alpinist erkennt das daran, dass beliebte Wanderrouten gesperrt oder unpassierbar geworden sind. Der Schutz vor Naturgefahren wird in der dicht und dezentral besiedelten Schweiz künftig noch teurer und aufwendiger.

Es stellt sich die Frage, welches Restrisiko wir als Gesellschaft zu tragen bereit sind und wie viel Geld wir investieren wollen, um Betroffene vor Steinschlägen und Murgängen zu schützen, obschon sie in nachweislich ungeeignetem Gebiet wohnen. Wir müssen uns wohl oder übel daran gewöhnen, nicht mehr überall leben zu können. Umsiedlungsaktionen sind für den Einzelnen zwar hart, können für die Gesellschaft aber unabdingbar werden.

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