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Habe keine Zeit, muss weiter

Im Blog «Zillennials» beleuchten eine Vertreterin der Generation Z und ein Millennial aktuelle Themen.

Nicole
Nett
09.02.22 - 16:17 Uhr
Bild Pixabay

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

«Ich habe keine Zeit, muss nach Hause.» Das war mein Standardsatz als achtjähriges Mädchen. Immer um fünf Uhr abends kamen nämlich meine Lieblingsserien. Das waren «Wickie und die starken Männer», «Biene Maja», «Pinocchio», «Nils Holgersson mit den Wildgänsen» oder natürlich «Heidi». Das war ein Ritual, welches sich so eingependelt hatte und meinen Kolleginnen und Kollegen ging es gleich. Wenn ich einmal nicht dazu kam, die Sendung live zu verfolgen, nahm sie meine Mutter auf einer VHS-Kassette für mich auf. Das war ein technisches Highlight. So konnte ich es nachschauen und das, wann ich wollte. Ja, damals war noch nichts mit Replay-TV oder Disney Plus. Man musste zeitig nach Hause, wenn man das Märchen nicht verpassen wollte. Und nach einer halben Stunde war auch schon wieder Schluss und ich schaltete den Fernseher aus. 

Die Zeiten haben sich schon geändert. Heute kann man auf eigenen Wunsch immer alles jederzeit schauen. Die Vielfalt ist so riesig, dass man sich oftmals im Dschungel von zahlreichen Filmen und Serien völlig verirrt. Es gibt sogar Abende, an denen mein Freund und ich uns nicht einmal mehr für einen passenden Film entscheiden können. «Such du etwas aus», sagt er dann. «Nein, mach du», antworte ich und gebe ihm die Fernbedienung zurück. Und so geht das hin und her. Es hat auch schon fast eine Stunde gedauert, bis wir uns endlich für einen passenden Film entschieden haben. Eigentlich verschwendete Zeit, oder? Das fängt bei uns von der Generation Z an und hört bei den Kleinsten auf. 

Mein «Gottameitali» ist zwei Jahre jung und ihre Schwester, meine Nichte, bald vier Jahre. Die beiden wissen genau, was sie wollen. Nicht selten kommen sie mit der kleinen Apple-TV-Fernbedienung zu mir und sagen die Wörter, die sie gerade so knapp sprechen können: «Baby Hai», also die deutsche Version eines Kinderliedes über Haifische. Na ja, was soll ich sagen, wenn sie mich mit ihrem süssesten und liebsten Blick anschauen? «Dann halt, aber heute wirklich nur ein Video», antworte ich mit gemischten Gefühlen. Ich weiss ja, dass das irgendwie nicht gut für sie ist, aber auch, dass sie es so lieben. Und schon hüpfen sie auf der Couch herum, setzen ein breites Lächeln auf und können es kaum erwarten. Wie das Youtube-Video läuft, singen und tanzen sie mit – mit voller Wucht und Energie. Wenn das Video fertig ist, wollen sie noch ein weiteres schauen. «Peppa Wutz» ist offenbar total im Trend bei den Kleinen. Das aktuelle Zeitalter macht es möglich, auch das noch zu sehen – wo und wann man möchte. Manchmal lasse ich es zu, manchmal muss ich aber schweren Herzens den Fernseher ausschalten. Klar sind die Kleinen dann traurig. Aber dennoch. Als ich klein war, durfte ich auch nicht den ganzen Nachmittag vor dem Schirm sitzen. 

Ich denke, der Bezug zur Realität sollte nicht verloren gehen. Ich habe Mitleid mit Personen, die kaum ohne ihr Smartphone sein können. Und da muss auch ich mich an der Nase nehmen. Wie schnell ist man heutzutage abgelenkt von allen möglichen medialen Einflüssen. Die aktuelle Zeit macht es nicht immer einfach, uns in der digitalen Welt zurechtzufinden. Das fängt mit dem Gong einer Whatsapp-Nachricht an, geht über die Mailnachricht des Geschäfts und hört bei Push-Meldungen auf. Wie soll man das alles in Einklang bringen? Es wird teils ja von der Gesellschaft auch erwartet, dass wir schnellstmöglich die Nachrichten beantworten. Die heutige Zeit ist schnelllebig geworden. Und das muss uns bewusst sein. Daran kann man auch nichts ändern. Aber wir können versuchen, mehr im Hier und Jetzt zu sein und uns bewusst für die wichtigen Dinge im Leben Zeit zu nehmen. Und das Hier und Jetzt spielt sich in der realen Welt, vor den eigenen Augen ab. Nicht am Handy. Und vielleicht können wir uns auch an der Vergangenheit orientieren, als wir noch mit einer halbstündigen Sendung mehr als zufrieden waren.

 

Nicole Nett

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