Falscher Arbeitgeber statt falscher Körper: Warum Kranksein kein Versagen ist
Eine hitzige Diskussion auf Linkedin hat mich dazu inspiriert, dieses Thema genauer zu beleuchten.
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Die digitale Transformation ist in vollem Gange und verändert unser Leben in allen Bereichen. Im Blog Graubünden Digital informieren wir über die neuesten Entwicklungen im Kanton Graubünden. Wir zeigen Möglichkeiten für Fortschritt und Wachstum durch die digitale Transformation und dass sie auch Herausforderungen mit sich bringt. Zudem gibt es immer wieder Ansatzpunkte, wie man die digitale Transformation für sich selbst nutzen kann.
In einer Arbeitswelt, die von digitaler Transformation und New Work geprägt ist, gerät eine fundamentale Selbstverständlichkeit ins Wanken: das Recht, krank zu sein, ohne Schuldgefühle oder Angst vor negativen Konsequenzen. Doch in vielen Unternehmen wird krankheitsbedingte Abwesenheit immer noch als mangelndes Engagement gewertet. Die Frage ist nicht, warum Mitarbeitende krank sind, sondern warum sie sich schuldig fühlen, wenn sie es sind.
Eine Kultur der Präsenzpflicht
In vielen Betrieben gibt es eine unausgesprochene Erwartung: Wer trotz Krankheit arbeitet, beweist Loyalität. Doch dieser implizite Zwang ist nicht nur gesundheitlich riskant, sondern auch ein Relikt überholter Arbeitskulturen. Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden ermutigen, sich auszukurieren, stellen nicht nur deren Wohl in den Mittelpunkt, sondern profitieren langfristig von höherer Produktivität und geringeren Ausfallzeiten. Studien zeigen, dass sogenannter "Präsentismus" – also das Arbeiten trotz Krankheit – die Wirtschaft jährlich Milliarden kostet, weil sich Genesungszeiten verlängern und Kolleginnen angesteckt werden (Johns, 2010).
Digitale Transformation und das Problem des Unsichtbaren
Mit der wachsenden Verbreitung von Homeoffice wird das Thema noch komplexer. Früher war Krankheit im Büro sichtbar: rote Nasen, hustende Kollegen. Im digitalen Raum hingegen bleibt sie oft unbemerkt. Viele Mitarbeitende fühlen sich verpflichtet, selbst mit Fieber an Videokonferenzen teilzunehmen oder E-Mails zu beantworten. Dabei sollte die digitale Transformation nicht dazu führen, dass das Recht auf Erholung erodiert, sondern vielmehr flexible, gesunde Arbeitsmodelle fördern.
Fehlanreize durch Gesundheitsboni
Besonders problematisch sind Bonusprogramme für Mitarbeitende, die sich nicht krankmelden. Diese setzen Anreize, Krankheit zu verschleppen, anstatt sich rechtzeitig auszukurieren. Das Resultat? Langfristig höhere Ausfallraten durch chronische Erkrankungen oder Burnout. Gesundheit darf kein Wettbewerb sein, sondern muss als Selbstverständlichkeit betrachtet werden. Wer sich krankmeldet, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch sein Umfeld – und darf dafür nicht bestraft werden.
Führungskultur als Schlüssel
Letztlich liegt die Verantwortung nicht bei den Mitarbeitenden, sondern bei den Unternehmen. Welche Werte werden gelebt? Gibt es eine Kultur der Angst oder eine Kultur des Vertrauens? Unternehmen, die Krankmeldungen nicht sanktionieren, sondern als Teil eines gesunden Arbeitsumfelds betrachten, profitieren von motivierten, leistungsfähigen und loyalen Teams.
Fazit: Kranksein ist kein Versagen
Die Angst vor der Krankmeldung ist ein Symptom eines strukturellen Problems, nicht eines individuellen Versagens. Wer für ein Unternehmen arbeitet, das Krankheit als Schwäche betrachtet, sollte sich nicht fragen, ob er/sie sich die nächste Krankmeldung leisten kann – sondern ob er oder sie beim richtigen Arbeitgeber ist.
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