Trump und seine neue «Realität»
Nach den zahlreichen Versprechen von US-Präsident Trump, den russisch-ukrainischen Krieg schnell zu beenden, haben nun die Verhandlungen begonnen. Ein Beitrag von Viktor Schewtschuk.
Nach den zahlreichen Versprechen von US-Präsident Trump, den russisch-ukrainischen Krieg schnell zu beenden, haben nun die Verhandlungen begonnen. Ein Beitrag von Viktor Schewtschuk.


Unter dem Namen Viktor Schewtschuk schreibt an dieser Stelle ein ukrainischer Offizier, Militärexperte und Politikwissenschaftler über den Verteidigungskrieg gegen Russland. Er drückt dabei seine persönliche Meinung aus, basierend auf allgemein zugänglichen Informationen.
Washington hat die Verhandlungen mit Moskau konträr zum von der Trump-Administration sonst propagierten Motto «Frieden durch Stärke» aufgenommen.
Ausserdem hat das US-Team begonnen, russische Lieder zu singen. Anstatt Druck auf Moskau auszuüben, erklärten die Amerikaner sich bereit, in einigen Fragen zurückzustecken.
Die diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und den USA hatten sich bereits vor der umfassenden russischen Invasion in der Ukraine verschlechtert. Jetzt feiert Moskau die mögliche Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen zu Amerika. Der Aggressor wird damit von Anfang an belohnt.
Die Frage der Lockerung der Sanktionen gegen Russland wurde aufgeworfen. Ausserdem sprechen die Russen von wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit den USA.
Anstatt zwischen zwei Seiten zu vermitteln, diskutieren die USA mit Russland über die Neuverteilung der Macht in der Welt.
Einer der Indikatoren für diesen Wandel im amerikanischen Ansatz ist die Wortwahl der US-Delegation während der Gespräche. Aussenminister Marco Rubio sprach von einem «Konflikt in der Ukraine» und nicht von einer russischen Invasion oder einem russisch-ukrainischen Krieg. Der «Konflikt in der Ukraine» ist nicht weit entfernt vom Begriff «Ukrainekrise», der von Russland und seinen Verbündeten verwendet wird.
Donald Trump hat erklärt, die Ukraine hätte diesen Krieg nicht hätte beginnen dürfen. Es ist nicht klar, was er damit genau meint. Aber seine Aussage steht im Einklang mit den russischen Erzählungen über diesen Krieg.
Trump ist dabei, die ideologische Grundlage für seine zweite Präsidentschaft zu schaffen. Es mag verrückt klingen, aber Teil der ideologischen Ansätze, die von einigen MAGA-Ideologen gepredigt werden, ist es, nicht nur die Ukraine, sondern ganz Europa als Teil der Interessensphäre Russlands zu betrachten.
Es ist unklar, wie die russisch-amerikanischen Verhandlungen ausgehen werden. Es gibt keine Klarheit über territoriale Fragen oder über Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Es scheint, dass die amerikanischen Unterhändler bereit sind, die russische Agenda in Bezug auf die ukrainische Innenpolitik – Wahlen, Religion, Sprache, Kultur – zu akzeptieren. Dies sind wichtige Fragen, in denen die Ukrainer nicht zurückstecken wollen. Genauso wichtig wie die Grösse der ukrainischen Armee.
Es scheint, dass Putin und Trump die innere Situation in der Ukraine falsch einschätzen. Sie nehmen die Situation Präsident Selenskyjs und der ukrainischen Armee als schlechter wahr, als sie ist. Da werden sie enttäuscht werden – Putin zum zweiten Mal nach seinem gescheiterten «Kiew in drei Tagen»-Krieg von 2022.
Ein weiterer Faktor ist Europa. Ob vereint oder vertreten durch eine Koalition der Tapferen: Auch Europa wird ein Wörtchen mitreden.
Wie auch immer die russisch-amerikanischen Verhandlungen ausgehen, die Ukraine wird ihr Ergebnis nicht automatisch übernehmen. Die ukrainische Gesellschaft und die ukrainische Armee werden mitbestimmen. Soziologischen Daten zufolge unterstützt die ukrainische Gesellschaft den weiteren militärischen Widerstand und auch Präsident Selenskyj. Und das ukrainische Militär hält die Frontlinie.
Die Moral des ukrainischen Volkes ist stark. Sie wird sich unter dem Druck von aussen – sei es von russischer oder amerikanischer Seite – noch verstärken.
Russland ist nicht unbesiegbar. Es steht vor ernsten wirtschaftlichen Problemen. Die russische Militärausrüstung ist um die Hälfte reduziert. Die Russen erleiden schwere Verluste an militärischem Personal.
Die Ukraine ist in der Lage, eine Zeit lang auch ohne amerikanisches Material Krieg zu führen. Vor allem, wenn Europa die Ukraine auf solidere Weise unterstützt.
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