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Alles geht vorbei

Kennen Sie das Gefühl, wenn jemand zu ihnen sagt: «Sie haben mit ihren Kindern aber alle Hände voll zu tun?» Nun, ich habe meine Antwort auf diese Aussage gefunden.

Kristina
Schmid
01.10.21 - 04:30 Uhr
Bild Rainer Maiores / Pixabay

Beginnt das Chaos jeden Tag von vorn, sagen wir: Herzlich Willkommen im Familienleben. Unser Alltag reiht verrückte, bunte, profane und ab und zu unfassbar perfekte Momente aneinander. Das Leben als Mama oder Papa ist eine aufregende Reise, auf die wir Euch nun mitnehmen. Ganz nach dem Motto: Unser Alltag ist ihre Kindheit.

Und jedes Mal, wenn ich abends aufatme, weil sie endlich eingeschlafen sind, schaue ich sie mir noch ein letztes Mal am Tag an und denke, wie verrückt es doch ist, dass so kleine Menschen aus dem Nichts entstehen und dann einfach so daliegen, in den Schlaf finden, aufwachen, wachsen, lieben und irgendwann Bundesrätinnen und Bundesräte werden. Wenn sie wollen, versteht sich – aber Hauptsache glücklich sind. Kennt ihr diesen Moment, diesen letzten Blick auf ihre schlafenden Gesichter, kurz bevor man ihr Zimmer verlässt? Diesen letzten Kuss auf die Stirn? Dieser Moment beschreibt ganz gut, weshalb Elternschaft das so ziemlich Beste ist, das ich mir vorstellen kann. Es ist ein anstrengendes und lohnenswertes Wunder.

Sonnenschein gepaart mit Sommersturm. So sind meine beiden Jungs. Neugierige Wirbelwinde, die nicht eine Minute, ja Sekunde, ruhig dasitzen können. Einem renne ich bestimmt immer hinterher. «Wow, Sie haben aber Ihre Hände voll zu tun», sagte letztens ein älterer Herr bei einem Spaziergang zu mir. Und er war bei Weitem nicht der Erste, der diesen Satz jemals zu mir sagte.

Viele Leute tun das. Sie sagen es in einem bemitleidenswerten oder mit sarkastischem Unterton. An schwierigen Tagen, an denen man selbst kaum noch mag, kann das sehr frustrierend sein, weshalb ich mir selbst eine Regel auferlegt habe. Damit die Freude in meinem Herzen niemals die Überhand verliert, antworte ich jeder Person jedes einzelne Mal auf diesen Satz.

«Wenn Sie glauben, meine Hände wären voll, sollten Sie erst mein Herz sehen.»

Dieser Satz erinnert mich daran, dass eben selbst in den Momenten der Verzweiflung, während ich etwa den Bedürfnissen beider Buben mitten in der Migros versuche gerecht zu werden, meine Liebe für sie mein Herz bis zum Überlaufen füllt. Vor einigen Wochen sagte ich diesen Satz auch zu einer Frau im Supermarkt, die dann mit überraschtem Blick erwiderte: «Sie meinen das wirklich ernst.» «Ja, das tue ich.»

Mama zu sein ist keine Strafe, es ist eine Ehre. Meine Söhne sind keine Last, sie sind ein Geschenk. Mein Leben ist dafür gemacht, für andere hingegeben zu werden. Und das tu ich – mit Freude. Auch wenn es nicht immer einfach ist. Jeder Tag geht zu Ende. Auch ein schlechter. Irgendwann am Abend kann ich wieder aufatmen, die Türe zu ihrem Zimmer schliessen – und dankbar sein.

Es ist nie nur dieser eine Tag, der zu Ende geht, es ist immer auch ein Stück dieser Zeit. Dieser verrückten und wilden Tage mit meinen Kindern, an denen wir nichts zu tun hatten, ausser zu spielen und Spass zu haben. An denen noch nichts auf dem Programm stand, kein Kindergarten, keine Schule. An denen es keine To-do-Listen oder volle Terminkalender gab, nur unendlich viel Zusammensein. Sie wird vorbeigehen, diese wundervolle Zeit. In nicht so ferner Zukunft. Und sie wird mir fehlen. Daran denke ich jeden Abend, wenn ich aufatme. Ich will nicht bereuen, die Zeit nicht bis zum Ende genossen zu haben.

Jede Zeit ist besonders, aber auch flüchtig. Und ich hoffe, dass wir alle eines Tages auf die Kindheit unserer Kinder zurückblicken können mit dem Gefühl, so weit wie möglich in die Schönheit, die sie mit sich gebracht hat, eingetaucht zu sein.

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