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Gestern und Heute

Über das 120-jährige Jubiläum von Manor – ein Durchstöbern von Fotoalben

Bündner Woche
26.10.22 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Vergleich mit Fotoalbum: Wo eine Rolltreppe ist, war früher eine Treppe.
Vergleich mit Fotoalbum: Wo eine Rolltreppe ist, war früher eine Treppe.
Riccarda Hartmann

Von Riccarda Hartmann

«Sie ist im Vilan. Noch im Vilan. Immer noch im Vilan», kräht der Papagei. Kein echter Papagei. Und krähen tut er auch nicht. Doch die schwarz-weisse Werbeseite mit dem Vogel und dem Telefon sticht ins Auge. Niemand kräht die Worte, aber lesen kann man sie. Auf einem Zeitungsinserat von vor 50 Jahren. 1962 tauchte der Papagei beim Zeitungslesen auf. Damals war gerade ein grosser Saison-Ausverkauf im Manor – damals noch unter dem Namen Vilan. Heute hängt es mit weiteren Bildern und Zeitungsauszügen an einer temporären Wand im ersten Stock des Warenhauses in Chur. Zum 120. Jahresjubiläum. Daneben stehen lavendel- und türkisfarbene Ballone und ein Tisch, auf dem grosse Bücher – Fotoalben – in unterschiedlichen Farben liegen.

Mario Bosnjak, der Ladenleiter, steht davor und blättert durch die Seiten. Hin und wieder sagt er Dinge wie «Frühlingseröffnung 1959», «Firmensporttag» oder «Modenschau», während er durch die Jahre, die auf den Seiten eingefangen sind, stöbert. Kurze Momente in der Geschichte des Kaufhauses. Zeitungsausschnitte und Inserate sind in einem grösseren, grauen Album eingeklebt. Ein Stelleninserat, in dem nach einem «Burschen» gesucht wird, zum Beispiel.

Die erste Rolltreppe in Graubünden

Seit anfangs Juli ist Mario Bosnjak der 11. Direktor des Warenhauses in Chur. Er erzählt vom früheren Direktor, Rico Wieser. Er war derjenige, der den Vilan im Wiesental eröffnete und dem Vilan auch seinen Namen gab. Er prägte das Warenhaus über Jahre, so Mario Bosnjak.Weiterblättern. Eine Rolltreppe fährt auf der Strasse. So auf jeden Fall auf dem Foto. Eine Sensation war es, als im Jahr 1957 die erste Rolltreppe im Kanton Graubünden eingebaut wurde. Heute sind es im ganzen 16 Rolltreppen, mit denen man von der Tiefgarage bis hinauf ins Restaurant fahren kann.

«Wir waren das einzige Warenhaus in der Stadt», erklärt Mario Bosnjak und erinnert sich an Geschichten, die auch er nur gehört hat, über Samstage, an denen der Vilan überrannt worden sei und es keine Parkplätze mehr gegeben habe.

Damenmode: Wie sie heute präsentiert wird. Bild Riccarda Hartmann
Damenmode: Wie sie heute präsentiert wird. Bild Riccarda Hartmann
Damenmode: Wie sie in den 70er-Jahren präsentiert wurde. Pressebild
Damenmode: Wie sie in den 70er-Jahren präsentiert wurde. Pressebild

Die nächste Seite wird umgeblättert. «Schaufenster ‘Romanische Sprache’, schon interessant», sagt Mario Bosnjak und deutet auf ein Foto, das ein Schaufenster zeigt, in dem im Hintergrund Texte auf Romanisch hängen. Das Schaufenster hat sich auch verändert. Dort wo früher eine Wand war, kann man heute in den Laden hineinsehen. Deutlich mehr Produkte wurden damals im Fenster ausgestellt, was man in dieser Menge heute nicht mehr tun würde. Beim Weiterblättern ist das gleiche Schaufenster auf unterschiedlichste Arten abgebildet. Wintersport. Spielwaren. Einmal eines, das komplett in Holz gekleidet ist.

Mit der Zeit hat sich nicht bloss der Name, sondern auch das Sortiment verändert. Vermehrt Konkurrenz ist gekommen und das Angebot hat sich gewandelt. Papeterie und Parfümerie, Konfektionen, Mercerie, Supermarkt, Boutiquen und Bijouterie gab es schon vor 100 Jahren. Dazu gab es eine Fischerei. Und ein Jagdsortiment – eines der grössten Sortimente im Kanton.

Ein grosser Unterschied zu früher ist, dass es heute auch das Onlinegeschäft gibt. «Wir sind auf beiden Kanälen gut vertreten», sagt Mario Bosnjak. Die Leute würden online schauen, aber auch ins Haus kommen, um die Ware betrachten zu können, um sie in die Hand zu nehmen, um sie anzuprobieren. «Stand heute. In 20 Jahren machst du das virtuell», fügt er an und lacht.

«Flanieren, schauen, sich inspirieren lassen»
Mario Bosnjak

«Für die Zukunft ist es interessant, wie sich das Onlinegeschäft entwickelt. Hat das Warenhaus eine Berechtigung?», fragt der Ladenleiter und beantwortet die Frage für sich selbst. «Aus meiner Sicht ja.» Er deutet auf die Leute, die an diesem Mittwochmittag gerade im ersten Stock des Manors sind. «Flanieren, schauen, sich inspirieren lassen, Dinge wie ein Jubiläum zelebrieren, wird immer ein Thema sein. Die Form und Art und Weise wird sich verändern, aber aus meiner Sicht wird es immer ein Warenhaus in der Stadt geben.»

Der Haupteingang heute. Bild Riccarda Hartmann
Der Haupteingang heute. Bild Riccarda Hartmann
Der Haupteingang in den 70er- bis 90er-Jahre. Bild zVg
Der Haupteingang in den 70er- bis 90er-Jahre. Bild zVg

Zuerst geht es aber über die Rolltreppe einen Stock tiefer und zum Haupteingang. Der Manor sei nicht bloss ein Kaufhaus in einer Stadt. Es sei auch ein Treffpunkt, so Mario Bosnjak. Wenn man sich in Chur trifft, verabredet man sich in der Regel vor dem Manor. Früher, als der Bus durchfuhr, noch mehr. Leute seien im Winter drinnen gestanden, um sich aufzuwärmen. An jenem Mittwoch, Mitte Oktober, ist es warm genug, um draussen zu stehen. Am Eingang warten zwei junge Männer, auf ihr Handy starrend. Sie stehen unter dem neu angebrachten Buchstaben. Für kurze Zeit ist aus dem Manor wieder der Vilan geworden. Oder zumindest über dem Haupteingang. «So wird gesagt, 'du bist von Chur, wenn du den neuen Vilan schon gesehen hast'.» Der Ladenleiter schaut zu den grossen, grünen Buchstaben hinauf. «Die Resonanz ist super. Uns freut das coole Feedback sehr, das wir bekommen haben für eine simple Idee».

Eine Extrakollektion zum Jubiläum

Am Schaufenster entlang. Die Bijouterie ist durch die Scheiben zu sehen. In der Auslage wird eine Extrakollektion für die 120 Jahre gezeigt. In Zusammenarbeit mit der Schweizer Künstlerin Yael Anders. Ein weisser Kissenbezug mit blauen Linien. Das Design mit den Linien soll alle Warenhäuser auf der Schweizer Landkarte symbolisieren. Der gemusterte Pullover in den Farben Orange, Gelb, Lila und Hellblau zeigt künstlerisch umgesetzt die Logos des Kaufhauses der vergangenen Jahre. Lila ein anderer Pullover mit dunkler Aufschrift über der linken Brust. Die Namen, die der Manor schon getragen hat (siehe Box).

Auch wenn der Manor in Chur für kurze Zeit den früheren Namen Vilan angenommen hat, kräht der Papagei nicht mehr Vilan. Die Zeiten haben sich eben doch gewandelt.

Die Geschichte mit den Namen
Unter dem Namen «Léon Nordmann» eröffneten die Brüder Ernest und Henri Maus zusammen mit Léon Nordmann das erste Warenhaus in Luzern. Das war im Jahr 1902. «Manor» setzt sich aus den Nachnamen Maus und Nordmann zusammen. Der Name entstand im Jahr 1965. Erst im Jahr 1994 hiessen alle Warenhäuser in der Deutschschweiz «Manor» und im 2000 folgten die Warenhäuser in der Westschweiz und im Tessin. Die Namen der Warenhäuser waren je nach Region in der Schweiz unterschiedlich. In Basel und Liestal hiessen sie Magazine zur Rheinbrücke oder einfach nur Rheinbrücke. In der Zentralschweiz trugen sie den Namen Nordmann. Im Kanton Tessin hiessen sie Innovazione. In der Französischen Schweiz Placette und in der Region der Ostschweiz und Raum Zürich hiessen sie Vilan.

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