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Ein Hauch von Tibet weidet im Prättigau

Die Prättigauer Alpen werden hauptsächlich von Kühen und Schafen bestossen. Oberhalb von Klosters weidet jedoch auch eine Herde Yaks – in Gemeinschaft mit anderen Kuhrassen.

Jasmin
Schnider
05.08.22 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass eine Herde Kühe gemütlich auf einer Weide bei Schlappin, einer kleinen Walsersiedlung oberhalb von Klosters, vor sich hin grast. Doch wer etwas genauer hinsieht, der erkennt, dass sich unter all denn Simmentalern, Charolais, Limousin, Braun- und Grauviehkühen auch einige Yaks befinden. Nämlich die 20 Stück des Landwirts Bartli Gruober aus Klosters. Sie verweilen Anfang Sommer jeweils eine Zeit lang in Schlappin auf einer Gemeinschaftsweide der Kooperation Klosters Dorf, bevor sie weiter auf die Alp ziehen.

Noch mehr Eindrücke seht ihr im Video.

Video Jürg Huber

Ein intelligentes Tier

Bereits seit rund 20 Jahren hält Gruober einige Yaks auf seinem Landwirtschaftsbetrieb. Aufmerksam auf die Rinderart aus dem Tibet wurde der Landwirt durch die Beef, eine landwirtschaftliche Ausstellung für Mutterkuhhalter und Fleischrinderzüchterinnen. Er wollte ein Tier, welches er auch in steilem Gelände halten konnte. Schafe haben ihm jedoch nicht so zugesagt, so entschied er sich für Yaks. Diese gehen wie Gämse in steiles Gelände und auch auf Felsen. «Das ist für uns auf der Alp gut, denn sie weiden auch Flächen, die eine Kuh nicht weiden würde.» 

Die Yaks haben es dem Bauern aus dem Prättigau angetan. Sie seien intelligente Tiere, so Gruober. Wenn sie vor etwas Angst haben, so fliehen sie. Sie würden jedoch immer wieder zurückkommen. Zudem seien sie sehr interessierte Tiere. Sie würden jedem Geschehen immer sehr aufmerksam zusehen, «als könnten sie daraus etwas lernen», erklärt er. Häufig werde «die dumme Kuh» als Schimpfwort genutzt, setzt der Landwirt an. «Dabei sind Kühe gar nicht dumm, aber Yaks sind noch ein Stück intelligenter.»

Freude am Tier: Bartli Gruober sind seine Yaks sehr ans Herz gewachsen.
Freude am Tier: Bartli Gruober sind seine Yaks sehr ans Herz gewachsen.
Bild Jasmin Schnider

Zusammenleben funktioniert

Anfangs hielt Gruober die Yaks getrennt von seinen Mutterkühen. So gingen die Kühe im Sommer auf die Alp und die Yaks auf eine andere Weide. Dem Hirten Walter Stucki, schwirrten jedoch andere Pläne durch den Kopf. Seit mehr als zehn Jahren schon schaut der pensionierte Landwirt im Sommer zu den Tieren der Kooperation Schlappin, und dabei auch zu Gruobers Tieren und er sei schnell von den Yaks überzeugt gewesen. «Ich habe Bartli sogar aufgefordert, sie mit den Kühen auf die Alp zu bringen.» Und so kam es dann auch. Teilweise verbrachten gar über zehn verschiedene Kuhrassen von mehreren Landwirten zusammen mit Gruobers Yaks den Sommer auf der Alp. Zu Problemen kam es jedoch nie, betont Stucki. «Die Tiere akzeptieren sich gegenseitig, teilweise besser als die Menschen.»

Auch dem Hirten ist die spezielle Rinderart ans Herz gewachsen. So habe er schon das eine oder andere schöne Erlebnis mit den Tieren gehabt. Stucki zeigt auf ein Yak. «Diese Yakdame stand vor zwei Jahren plötzlich in meiner Küche in der Hütte oben auf der Alp.» Er sei draussen am Frühstücken gewesen, in dieser Zeit schlich sie in die Hütte und ging direkt in die Küche. «Als ich dann den Fotoapparat holen wollte, war das Tier aber schon wieder weg.» Allgemein seien die Yaks sehr beliebte Fotomotive. Es kämen viele Touristinnen und Wanderer hier vorbei. «Bei den Yaks wird immer der Fotoapparat gezückt, bei den Kühen nicht», sagt Stucki. Und prompt kommen nur kurze Zeit später eine Velofahrerin und ein Velofahrer vorbei und lichten die Yaks mit ihren Smartphones ab – die Kühe hingegen nicht.

Von Anfang an begeistert: Werner Stucki überzeugte Gruober, die Yaks mit den Kühen auf die Alp zu bringen.
Von Anfang an begeistert: Werner Stucki überzeugte Gruober, die Yaks mit den Kühen auf die Alp zu bringen.
Bild Jasmin Schnider

Auf eine Abkühlung

Für Yaks, die ursprünglich aus dem Tibet kommen, sei die Schweiz ein guter Ort zum Leben, erklärt Gruober. Im Winter hätten sie den Schnee, im Sommer die Alp und wenn es ihnen im Sommer zu heiss ist, suchen sie sich gerne eine Abkühlung. So geschieht es auch an diesem warmen Sommertag im Juni. Denn plötzlich machen sich alle Yaks auf in Richtung Bach. Eines nach dem anderen steigt ins Wasser, bis die ganze Herde im breiten Bach steht.

«Yaks baden gerne», so der Landwirt. Manchmal seien es nur fünf Minuten, ein anderes Mal gar bis zu zwei Stunden. Auch weiter oben auf der Alp zieht es die Yaks gerne ins kühle Nass. Sogar wenn es bereits Menschen im Wasser habe, die sich nach einer Wanderung abkühlen wollen, erzählt Gruober. Doch weder er noch sein Hirte waren schon mit den Yaks im Wasser. Sie seien beide keine guten Schwimmer.

Ab ins kühle Nass: Die Yaks gehen im Sommer gerne ins Wasser.
Ab ins kühle Nass: Die Yaks gehen im Sommer gerne ins Wasser.
Bild Jasmin Schnider

Bedrohung durch den Wolf

«Es ist schon friedlich hier», sagt Gruober, während er über seine Herde schaut und die grasenden, ruhigen Tiere beobachtet. Das sei aber nicht immer so. Der Wolf macht dem Landwirt und dem Hirten zu schaffen. Im letzten Sommer wurden rund 35 Schafe auf den Nachbaralpen gerissen. Bei den eigenen Tieren sei es bisher zwar zu keinen Rissen gekommen, aber der Wolf habe sich auch schon in der Herde rumgetrieben. Gemäss Stucki war der Zaun an mehreren Stellen kaputt, die Kühe waren ganz nervös und die Yaks seien in Richtung Kübliser Alp gelaufen. Ein Jäger habe den Wolf noch gesehen, so Stucki. «Ich sah ihn zwar nicht mehr, aber die Unruhe der Tiere war auch Stunden später deutlich spürbar.» Diese Unruhe macht auch Gruober zu schaffen. Seine Tiere seien normalerweise sehr zahm. «Doch sobald einmal ein Wolf in der Herde ist, ist diese Arbeit dahin.» 

Jasmin Schnider produziert als Redaktorin Beiträge und Interviews für Radio Südostschweiz. Sie kommt aus Obersaxen und ist seit August 2020 Teil der Medienfamilie Südostschweiz. Mehr Infos

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