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Bis ins Schlafgemach des Grafen

Ungewöhnlich viele Schlösser und Burgen in Graubünden sind in Privatbesitz. «Daheim im Schloss» heisst die Serie, die hinter die dicken Mauern blickt.

Südostschweiz
30.10.18 - 16:34 Uhr
Leben & Freizeit
Palazzo Salis in Bondo
Der erste Besuch bei einem der Bündner Schlossbesitzer hat ins Palazzo Salis nach Bondo geführt
Rolf Canal / Bild Rolf Canal

Man macht es vielleicht ein bisschen verstohlen: Aber wie viele lassen sich sonntäglich vom «Herzkino» des ZDF in englische Schlösser entführen und Geschichten wie diese nachleben: Da stolpert die junge Heldin unbedarft auf ein herrliches Anwesen in Cornwall, macht sich beim alten Lord nützlich und bezaubert den Enkel, der sich daraufhin entschliesst das Erbe doch noch anzutreten. Schade, dass es keine bündnerische Rosamunde Pilcher gibt. Denn an Drehorten würde es hier weiss Gott nicht mangeln.

Alte und neue Fürsten

Von Maienfeld bis Bondo, von Zillis bis Tarasp gibt es zahllose Schlösser und Herrenhäuser. Das Domleschg wird sogar immer wieder als die Gegend mit der grössten Burgendichte Europas bezeichnet. Einen wissenschaftlichen Nachweis für die Behauptung haben wir nicht gefunden. Mit dem Titel schmücken sich etwa auch das Rheintal zwischen Bingen und Koblenz sowie die Umgebung von Bozen. Wohl die Besonderheit Graubündens, ist der hohe Anteil an Privatbesitz. Und genau dem wollen wir einen Besuch abstatten in einer neuen Artikelserie, die immer am letzten Mittwoch eines Monats erscheint.

Auch wenn natürlich eine tüchtige Portion Neugier dabei ist, Sightseeing ist nicht das einzige Ziel. Es soll um die Menschen hinter den dicken Mauern gehen. Die Schlossherren oder Schlossherrinnen sind Persönlichkeiten, über die wir gerne mehr erfahren möchten. Einige von ihnen, wie die neuen Fürsten von Fürstenau, haben ihren aussergewöhnlichen Besitz erst kürzlich erworben. Andere blicken auf einen «Rattenschwanz von Vorfahren», wie es Helene von Gugelberg im jüngst erschienen Buch «Adel in der Schweiz» ausdrückt.

Dessen Autor, der Wirtschaftsjournalist Andreas Z’Graggen, beschäftigt sich in dem üppigen Band mit den vielen Facetten der Herrscherfamilien unseres Landes. Zum wichtigsten Bündner Adelsgeschlecht, den von Salis, steuert er etwa die Anekdote bei, dass einer ihrer Verwandten der 4. Earl of Sandwich war, und das von ihm erfundene Ur-Sandwich mit Bündnerfleisch belegt gewesen sei. Die Schlösser bezeichnet Z’Graggen als die «Visitenkarten des Adels».

Wie man weiss, haben sich in Graubünden auch erfolgreiche Wirtschaftsführer diese Visitenkarte zugelegt. So gehört das Schloss Rhäzuns der Familie Blocher beziehungsweise ihrer Ems-Chemie. Gar nicht weit davon wohnt Christoph Blochers langjähriger politischer Gegner, alt SP-Nationalrat Andrea Hämmerle, auch auf einem Schloss, nämlich Rietberg.

Für die Allgemeinheit

Ob adelig oder nicht, der weitaus grösste Teil der Eigentümer von Schlössern, Bürgern oder Patrizierhäusern hat sich dem Verein Domus Antiqua angeschlossen. «Wir tauschen uns aus über ganz konkrete Probleme, die so ein Besitz mit sich bringt», sagt Nina von Albertini, die Präsidentin der Sektion Raetia. Dass diese von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, ist ihr wichtig. «Wir Private erhalten mit unseren eigenen Mitteln wertvolles kulturelles Erbe für die Allgemeinheit», betont sie. Dass Schlossbesitzer sein eine grosse Herausforderung darstellt, sieht auch Simon Berger, der kantonale Denkmalpfleger. «Ich habe den allergrössten Respekt davor, was die meisten von ihnen da leisten», sagt er.

Sie dürfen also stolz sein auf ihre prächtigen alten Gemäuer und zeigen, was sich hinter schweren Toren verbirgt. Es werden uns nicht alle gleich bis ins Schlafgemach führen, wie es Graf de Salis in seinem Palazzo in Bondo getan hat. Doch gerne folgen wir ihnen in den nächsten Monaten über knarrende Böden in ihr privates Reich.

Die Schlösser mit allen Bildern hier im Dossier.

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