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Aktion «Nez Rouge»: Den Autoschlüssel freiwillig abgeben

«Nez Rouge» will für eine sichere Fahrt nach Hause im eigenen Auto sorgen.

Bündner Woche
03.12.22 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Seit zehn Jahren auch in Graubünden: die Präventionsaktion «Nez Rouge».
Seit zehn Jahren auch in Graubünden: die Präventionsaktion «Nez Rouge».
Cindy Ziegler

von Cindy Ziegler

Die Nase des kleinen Rentiers leuchtet signalrot. Nach Aufmerksamkeit haschend, Blicke einfangend. Und das ist gut so. Denn Rudolph soll die Menschen überzeugen, ihre Autoschlüssel freiwillig in die Hände von ebenso freiwilligen Fahrerinnen und Fahrern von «Nez Rouge» zu geben. Sie bringen nicht mehr fahrtüchtige Menschen und ihre Autos sicher nach Hause. Rudolph fängt auch tagsüber Blicke ein. An einem grauen Dienstag Ende November sitzt er auf der weissen Motorhaube vor der Firma Kuoni Transport AG in Domat/Ems. Contardo Blumenthal und Michael Krebs stehen daneben, in ihren identischen grünen Jacken, nicht weniger auffällig als das gelbe Plüschtier. Die beiden Männer begrüssen mit einem kräftigen Händedruck und wichtiger Botschaft im Gepäck.

Für die Sicherheit engagiert

«Wenn sich durch ‘Nez Rouge’ nur ein einziger Unfall verhindern lässt, bin ich schon sehr glücklich», sagt Michael Krebs, der bei der Bündner Aktion für Infrastruktur und Fahrzeuge zuständig ist. Contardo Blumenthal, Marketingverantwortlicher, nickt zustimmend. Neben dem vierköpfigen Vorstand, dem noch Präsident Roland Jäggi und Geschäftsleitung Clau Caviezel angehören, sind es viele Helferinnen und Helfer, die sich freiwillig für die Sicherheit auf adventlichen Strassen einsetzen. In der Silvesternacht, der anstrengendsten – aber auch schönsten, wie die beiden Herren betonen – sind bis zu 40 von ihnen engagiert. In der Zentrale, mit der Distribution der Einsätze beschäftigt, oder in Zweierteams in den Regionen unterwegs, um Menschen und ihre Autos heimzubringen.

Gesichter hinter der Aktion: die beiden Vorstandsmänner Contardo Blumenthal (links) und Michael Krebs.
Gesichter hinter der Aktion: die beiden Vorstandsmänner Contardo Blumenthal (links) und Michael Krebs.

Die rote Nase von Maskottchen Rudolph hat für die Aktion gleich mehrere Bedeutungen. Um zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die Geschichte. Wie das Rentier kommt auch die Aktion ursprünglich aus dem Norden. Aus Kanada. In den 80er-Jahren sitzt ein Mann in einer Bar in Quebec und beobachtet Menschen, die trinken und eine gute Zeit haben. Er beobachtet aber auch, wie sich viele von ihnen, schon mehr oder weniger stark alkoholisiert oder (über)müde ins Auto setzen. Er ruft daraufhin die Aktion «Nez Rouge» ins Leben. 1990 übernimmt ein jurassischer Arzt das Konzept aus Kanada und organisiert die erste «Nez Rouge»-Aktion in der Schweiz. Es folgen Sektionen im Welschland und folglich auch erste in der Deutschschweiz. Später entstehen in weiteren Regionen solche Aktionen. 2012 wird der Dachverband «Nez Rouge Schweiz» gegründet. Im gleichen Jahr kommt «Nez Rouge» auch in Graubünden an. «Wir feiern dieses Jahr also unser zehnjähriges Jubiläum», sagt Michael Krebs nicht ohne Stolz.

Immer mit dabei: Maskottchen Rudolph.
Immer mit dabei: Maskottchen Rudolph.

Seit einem Jahrzehnt also fahren Freiwillige Menschen und ihre Autos nach Hause. Unentgeltlich, der Sicherheit wegen. «Speziell im Advent merkt man, wenn jemand am Familientisch fehlt. Umso wichtiger ist, dass man Autounfälle, die sich verhindern lassen, verhindert», erklärt Contardo Blumenthal. «Nez Rouge» will für die Folgen sensibilisieren, die das Fahren in fahrunfähigem Zustand nach sich ziehen kann. Und appelliert an das «Designated Driver»-Prinzip: Innerhalb einer Gruppe wird im Voraus ein fahrtüchtiger Fahrer, eine fahrtüchtige Fahrerin bestimmt, der oder die alle anderen sicher nach Hause fährt. «Es ist aber auch ein symbolisches Geschenk in der Weihnachtszeit», so Michael Krebs. Selbstverständlich darf freiwillig etwas für die «Nez Rouge»-Kasse gegeben werden. Die Einnahmen werden beispielsweise für Benzin- und Dieselkosten oder für das Essen für die Freiwilligen eingesetzt. Was übrig bleibt, spendet «Nez Rouge» für soziale Zwecke.

Sicherheit hinter dem Steuer und auf der Strasse: Das ist das Ziel der Präventionsaktion «Nez Rouge».
Sicherheit hinter dem Steuer und auf der Strasse: Das ist das Ziel der Präventionsaktion «Nez Rouge».

Freiwillige gesucht

Der Erfolg vom «Nez Rouge» beruht auf Menschen, die sich freiwillig engagieren. Auch in diesem Jahr werden noch freiwillige Helferinnen und Helfer in Graubünden gesucht – auch für einzelne Einsätze:

Voraussetzung für Fahrerinnen und Fahrer:
- Besitz definitiver Führerausweis (Probezeit beendet und alle Nachschulungskurse erfolgreich besucht)
- 24 Stunden vor dem Einsatz kein Alkohol
- freundliche und gepflegte Erscheinung
- gewohnt, verschiedene Autos zu fahren (Automatik- und Handschaltgetriebe)

Voraussetzung für Telefonistinnen und Telefonisten:
- gute Telefonstimme
- in Ruhe Anrufe entgegennehmen
- den Überblick auch in hektischen Situationen behalten

Eine gute Sache. Das mit dem Fahrdienst, auch im Kanton mit den längsten Wegen. Aber auch hier ist das mit viel Aufwand verbunden. Aufwand, der schon vor der Aktion betrieben wird. So auch in der Woche vor dem Start. Im obersten Stock der Firma Kuoni Transporte wird gerade die Technik eingerichtet, sodass an den Wochenenden dann auch alles funktioniert. Rudolph klebt als Plakat an der Tür zur Cafeteria, verschiedenste Autoschlüssel hängen ihm im Geweih. Contardo Blumenthal und Michael Krebs setzen sich an einen Tisch im Aufenthaltsraum und erzählen. Von gemeinsamen Advents- und Silvesterabenden, von tollen Autos und noch tolleren Begegnungen in den Fahrzeugen. «Es ist immer ein schönes Miteinander. Und unsere Kundinnen und Kunden sind immer sehr dankbar», sagen beide. Trotzdem. Die Entscheidung liegt am Schluss bei den Fahrerinnen und Fahrern. Ist die Kundschaft aggressiv oder das Auto zum Beispiel mit Sommerpneus ausgerüstet, wird nicht gefahren. Auch hier gilt: Die Sicherheit geht vor.

Wichtig für das Gelingen der Aktion sind auch die vielen Firmen, die sich für die gute Sache engagieren. Die Swisscom, die die Telefonnummer gratis zur Verfügung stellt. Kuoni Transporte, die der Aktion ein Dach gewährt. Die Ring Garage SAGA AG, welche Autos kostenlos ausleiht. Oder das Bündner Fahrsicherheitszentrum in Cazis, das allen Fahrerinnen und Fahrern ein entsprechendes Training bietet. «Das ist sehr wertvoll. Ich bin dafür sehr dankbar», sagt Michael Krebs.

In stiller Übereinkunft stehen die beiden Männer auf. Rasch dem Kollegen, der noch immer mit der IT-Einrichtung beschäftigt ist, über die Schulter geschaut und Plüsch-Rudolph eingepackt. Dann verabschieden sie sich mit Handschlag. Voller Vorfreude auf die für sie schönste Zeit im Jahr, die dank der roten Nase auch sicher ist.

Der kostenlose «Nez Rouge»-Fahrdienst in den Regionen Chur, Thusis, Lenzerheide, Arosa, Klosters, Bad Ragaz, Flims, Ilanz, Disentis und Davos ist unter der Nummer 0800 802 208 erreichbar. An den folgenden Tagen ist der Dienst von 22 Uhr abends bis 4 Uhr morgens verfügbar: Freitag, 02.12. und Samstag, 03. 12., Freitag, 9.12. und Samstag, 10. 12., Freitag, 16.12. und Samstag, 17. 12., Freitag, 23.12. sowie Freitag, 30.12. und Samstag, 31.12.

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