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«So etwas darf nie wieder passieren»

Was Ischgl aus den Erfahrungen mit Covid-19 gelernt hat, verrät Andreas Steibl, CEO Tourismusverband Paznaun-Ischgl.

08.08.20 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
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Bild der Vergangenheit: Ischgl möchte sein Image als Partydestination ändern.
KEYSTONE

Ischgl ist eine der bekanntesten Marken Österreichs. Ischgl und Samnaun haben mit der Silvretta Arena ein Skigebiet der Superlative. Weltbekannt wurde die Destination Ischgl aber erst, weil sie eine der ersten Covid-19-Infektionsherde Europas war. Ischgl erlebte ein Medienbashing sondergleichen. Die Destination hat aber aus der Krise gelernt und ergreift nun rigorose Sicherheitsmassnahmen, wie Andreas Steibl, CEO Tourismusverband Paznaun-Ischgl, sagt.

Andreas Steibl, der Slogan von Ischgl lautet: «Relax. If you can.» Wie relaxed sind Sie noch in diesem von Corona gebeutelten Jahr?

Andreas Steibl: Es war in der Tat eine sehr aufregende Zeit, die wir in Ischgl erlebt haben. Es war keine erfreuliche Situation, in der wir geraten sind. Jetzt haben wir viel aufgearbeitet und sehen wieder zuversichtlich in die kommende Wintersaison. Auch langfristig für die gesamte Ausrichtung der Marke Ischgl sind wir positiv gestimmt.

Ischgl hat ein regelrechtes Medienbashing erfahren. Wie hat sich das auf den touristischen Sommer ausgewirkt?

Unser Sommer ist überraschend gut. Man muss allerdings sagen, dass der Sommer nicht unsere Hauptsaison ist. Wir sind eine Wintermarke. Aber in den letzten Jahren haben wir den Sommer auch in den Fokus gestellt - mit Erfolg. In diesem Sommer ist alles anders und ich hätte mir keine so grosse Nachfrage erwartet. Das Buchungsniveau ist gleich, wie in den Jahren davor, zu manchen Terminen sogar wesentlich besser.

Und dies obwohl Ischgl als das Coronanest Europas gilt?

Durch die Covid-19-Situation waren die Leute sehr lange eingesperrt. Outdoor, Gesundheit, Natur sind jetzt grosse Themen. Der alpine Tourismus erhält dadurch einen neuen Stellenwert. In Zukunft wird uns das zugutekommen.

Ischgl hat laut einer Studie der Medizinischen Universität Innsbruck mit 42 Prozent die höchste Durchseuchungsrate Europas. 85 Prozent der Infizierten hatten allerdings kaum Symptome. Beruhigt das die Gäste wieder?

Viele Gäste haben gesagt, es gibt keinen sichereren Ort, als Ischgl. Jeder zweite Ischgler hat bereits Antikörper entwickelt. 80 Prozent der Gäste sind Stammkunden. Ab Mitte März konnten diese nicht mehr kommen und sind einfach jetzt im Sommer gekommen. Das sind vor allem Deutsche, Holländer, Belgier, aber auch Schweizer und Österreicher. Die Stammgäste haben uns die Treue gehalten, das hat uns sehr gutgetan.

Im Oktober soll der Bericht der Untersuchungskommission des Tiroler Landtags zur «Covid Causa» in Ischgl erscheinen. Dabei geht es unter anderem auch um ein allfälliges Fehlverhalten des Tourismuszentrums. Wie sehen Sie diesem Bericht entgegen?

Wir haben die Zeit nicht untätig verstreichen lassen. In einer grossen Arbeitsgruppe haben wir massiv daran gearbeitet, welche Massnahmen wir für den kommenden Winter umsetzen. Wir haben aus den Erfahrungen im vergangenen Winter viel gelernt. So etwas darf nie wieder passieren. Unser Ziel ist es, eine der sichersten Destinationen der Welt zu werden. Die Gesundheit unserer Gäste hat oberste Priorität.

Dann müsste aber die touristische Ausrichtung komplett geändert werden. Die Gäste kommen doch gerade auch, weil Ischgl als Partydestination, als das Ibiza der Alpen gilt?

Après-Ski ist nur eine der vielen Erlebniswelten, die wir anbieten. Ja, Lifestyle und Entertainment gehören zur DNA der Marke Ischgl. Hauptbuchungskriterium für einen Aufenthalt in Ischgl ist laut der jüngsten Umfrage des Marktforschungsinstituts IMAD aber nicht Party machen, sondern ganz klar das Skifahren.

Und doch gehört Après-Ski zum Ischgl-Ferienerlebnis dazu.

Ja, langfristig soll dieses Angebot für die Zukunft ja auch bestehen bleiben. Was wir aber machen können, sind Qualitätsanpassungen speziell für dieses Angebotsprodukt.

Touristiker Andreas Steibl.
Touristiker Andreas Steibl.

In der von Ihnen erwähnten Marktforschungsstudie geben 82 Prozent der Befragten an, dass sie sich eine Kurskorrektur wünschen: «mehr Qualität» und «massvoller». Wie soll das gehen?

Die Frage ist, was man unter einem niveauvollen Après-Ski versteht. Wir haben schon alleine von der Preisgestaltung und der Konsumation ganz andere Zielgruppen als zum Beispiel der Ballermann in Mallorca. Was wir eingestehen müssen, ist, dass das Après-Ski-Erlebnis bei uns zu überdimensional geworden ist. Diesen Winter müssen wir mit Covid-19 noch leben, also wird der Après-Ski wie wir in kennen, kein Thema sein.

Kein Après-Ski für die Ischgler Wintergäste in diesem Winter?

Après-Ski wird es in diesem Winter in dieser Form wahrscheinlich nicht geben. So wie es aussieht, wird es auch eine behördliche Vorlage geben.

Welche Massnahmen können die Gäste in Ischgl noch erwarten?

Wir wollen zeigen, dass wir mehr tun wollen, als uns die Behörden vorschreiben. Wir werden in Herbst ein Gesundheitsmanagement präsentieren, das weit über den Auflagen der Bundesbehörde in Wien liegt. Wir wollen zeigen, dass wir Verantwortung übernehmen, denn wir werden im Herbst im Schaufenster der Welt stehen. Für die Gäste, Einheimischen und Mitarbeiter wollen wir das Maximum an Sicherheit bieten können. Wir werden auch keine Konzerte veranstalten, selbst wenn dies erlaubt wären.

Wie sieht das Gesundheitsmanagement konkret aus?

Eine der Hauptträgersäulen wird das Testmanagement sein. In diesem Sommer testen wir bereits kostenlose Screeningstationen. Es geht darum, eine Service-Einrichtung zur Verfügung zu stellen, um dem Gast ein Sicherheitsgefühl zu geben. Weiter werden alle Einwohner von Ischgl und die Mitarbeitenden laufend einmal in der Woche getestet. Auch prüfen wir ein Umsetzung, dass beim Einchecken der Gast einen Covid-19-Test vorzeigt oder einen Test macht. Und schliesslich setzen wir auf ein sehr umfangreiches Contact Tracing.

Geht das nicht zu weit? Stichwort Privatsphäre.

In diesem Fall nicht. Die Gäste erwarten solche Sicherheitsmassnahmen und machen auch mit. Der Gast will im Urlaub keine Eigenverantwortung. Deswegen wollen wir mit unseren Sicherheitsmassnahmen den Gast lenken.

Wie sieht es mit Sicherheitsabständen und Hygienevorkehrungen in Bergbahnen, Restaurants etc. aus?

Die Bahnen werden im engen Austausch mit den Kollegen in Samnaun umfangreiche Sicherheitsmassnahmen ausarbeiten. Auch ein Bewegungsmanagement ist vorgesehen, wo unter anderem Wartebereiche in den Talstationen und Restaurants definiert werden.

Wie wollen Sie diese Massnahmen kommunizieren, ohne dass der Gast das Gefühl erhält, Ferien in einem Hochsicherheitstrakt zu buchen?

Vor Covid-19 wäre dieses Gefühl wohl aufgekommen. Heute glaube ich nicht, dass diese Sicherheitsmassnahmen abschrecken. Im Gegenteil, der Gast wird die Vorkehrungen als positiv empfinden. Man darf eines nicht vergessen: Es geht nicht nur um den kommenden Winter, sondern um die Reputation der Marke Ischgl.

Wie sieht es denn mit dem Buchungsstand für den Winter aus?

Meistens startet bei uns die Buchungssaison im September. Dadurch, dass wir sehr viele Stammgäste haben, liegen aber bereits viele Buchungen vor. Die Stammgäste und Fans bleiben Ischgl treu. Ich bin davon überzeugt, dass wir unser Image sehr schnell wieder in die positive Richtung bringen können. Langfristig gesehen, werden wir keinen Schaden haben.

Wie hat Covid-19 das Leben in Ischgl selbst verändert?

Das mediale Bashing war für uns total unverständlich, denn auch wir waren vom Virus betroffen. In den letzten zwei Jahrzehnten waren wir immer sehr erfolgreich. Als wir europaweit an den Pranger gestellt wurden, waren wir in einer gewissen Schockstarre. Auf einmal waren wir die Bösen. Diese Erfahrung prägt eine Gemeinschaft.

Fadrina Hofmann ist als Redaktorin für die Region Südbünden verantwortlich. Sie berichtet über alle gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Themen, die in diesem dreisprachigen Gebiet relevant sind. Sie hat Medien- und Kommunikationswissenschaften, Journalismus und Rätoromanisch an der Universität Fribourg studiert und lebt in Scuol im Unterengadin. Mehr Infos

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"Dampfplauderer"! Alles längst überholt. Alles noch vakant seit meinem Kommentar vom 08.08.2020, nur noch schlimmer. Trotz deren "Massnahmen" hat Tirol ca. die doppelte Infektionsrate als die Schweiz - Stand 25.10.2020 -. Also liebe SchweizerInnen, Ihr wisst, wo Ihr nicht hinfahren sollt. Aber das wird sich sowieso von selbst erledigen bei der derzeitigen Infektionsentwicklung. Eigentlich sagt auch der "Hausverstand" was man nicht machen soll.

Nimmt man sich da nicht was vor was rechtlich verpflichtend gar nicht geht? Datenschutz? Kann der Tourismusverband Tests verbindlich vorschreiben? Von jedem Einwohner? Da bin ich doch sehr skeptisch.

Alles nur "bla-bla". Wie die neuesten Entwicklungen zeigen, geht es mit der "Touristen-Intensivhaltung" und den Corona-Hotspots in Österreich hurtig weiter, wie z.B. in St. Wolfgang, am Wörthersee; es haben sich eben nur die "Hotsports" geändert. Die "Wirtschaft" hat in Österreich "Narrenfreiheit" und kann ungehemmt - ohne Rücksicht auf Gesundheit und Natur - weiterhin nach ihrer Gewinnmaximierung streben. Irgendwelche Schadenskosten werden grosszügig vom Staat - auf Kosten der Steuerzahler - ersetzt.

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