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Vor 100 Jahren war Autofahren an Sonntagen verboten

Der Public Newsroom des Kantons Glarus veröffentlicht vor der Landsgemeinde Beiträge zu vergangenen Landsgemeinde-Themen in einer Serie. Heute geht es um den Kampf gegen das Automobil.

Südostschweiz
05.08.20 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Gegen die «sportliche Verwendung» des Autos: Im Jahr 1917 legen Autofahrer auf der Klausenstrasse eine Pause ein.Bild Landesarchiv
Gegen die «sportliche Verwendung» des Autos: Im Jahr 1917 legen Autofahrer auf der Klausenstrasse eine Pause ein.Bild Landesarchiv

von André Maerz*

Zuhanden der Landsgemeinde von 1928 stellten der Verband glarnerischer Gewerbevereine und der kantonale Verkehrsverein den Antrag auf Aufhebung von Paragraf 12 des Gesetzes über den Verkehr mit Motorfahrzeugen und Fahrrädern. Dieser Paragraf verbot im Kanton Glarus vom 1. Mai bis am 30. September das Fahren mit Motorfahrzeugen «am Sonntag von 1 – 6½ Uhr». Die Landsgemeinde stimmte zu, allerdings wurden neue Höchstgeschwindigkeiten festgesetzt.

Das Sonntagsfahrverbot bestand seit 1912. Eine mit 350 Unterschriften versehene Kollektiveingabe hatte damals beantragt, «der Kanton Glarus sei für den Automobilverkehr zu schliessen». Ausgenommen von diesem Verbot seien lediglich Militärfahrzeuge, Lastwagen, die Feuerwehr, Ärzte und Pendlerbusse, kurz ein «Ausschluss jeglicher sportlicher Verwendung». Den erlaubten Fahrzeugkategorien sollte zudem «die Beseitigung der schädlichen Auspuffgase zur Pflicht gemacht» werden.

Rüpel, Raser, Staub

Zur Begründung des Verbotes wurde 1912 geltend gemacht, dass die ständige Zunahme des Automobilverkehrs die Gefahren für den übrigen Verkehr auf den Landstrassen sowie die Staubbildung erheblich vermehrt habe. Dazu komme die Rücksichtslosigkeit der Fahrer und «deren häufige Widersetzlichkeit und Beschimpfung der amtlichen Organe». Das führe zur Verteuerung des Unterhaltes der gar nicht für diese Verkehrsart konzipierten Strassen und beeinträchtige den soliden, stabilen und gewinnbringenden Fremdenverkehr.

Ein gänzliches Fahrverbot im Kanton hatte beim Souverän allerdings keine Chance. Im 1912 verabschiedeten Gesetz über den Verkehr mit Motorfahrzeugen und Fahrrädern wurde aber immerhin das Sonntagsfahrverbot von Mai bis September verankert.

Dieses Sonntagsfahrverbot blieb 16 Jahre lang bestehen und überlebte 1925 einen ersten Aufhebungsantrag. Der Verband glarnerischer Gewerbevereine und der kantonale Verkehrsverein beantragten 1928 erneut seine Aufhebung.

Begründet wurde dieser Antrag im Memorial mit mehreren voneinander unabhängigen Argumenten:

● 1928 gab es nur noch im Kanton Glarus ein solches Verbot, alle anderen Kantone hatten vergleichbare Einschränkungen aufgehoben.

● Der Automobilverkehr habe drastisch zugenommen. (In der Schweiz zwischen 1914 und 1926 von 6331 auf 47 113 Autos, im Kanton Glarus im selben Zeitraum von 24 auf 251.)

● Bundesverfassung und Bundesgesetz würden solche Verkehrseinschränkungen sowieso bald aufheben.

● Automobilverkehr bedeute Wirtschaftswachstum.

● Tagestourismus und Gastgewerbe, zum Beispiel entlang der Klausenroute, profitierten vom Automobilverkehr.

Die Umsetzung des Sonntagsfahrverbots bescherte den Behörden ohnehin schon Schwierigkeiten, weil in Linthal und insbesondere am Kerenzerberg der Durchgangsverkehr ei-gentlich hätte aufgehalten werden müssen.

Mit grossem Mehr wurde 1928 das Sonntagsfahrverbot aufgehoben, als einzige Einschränkung blieben an Sonntagen Höchstgeschwindigkeitsvorschriften: Die Fahrgeschwindigkeit von Motorfahrzeugen durfte «an Sonntagen auf offenem Felde 30 Kilometer und in Ortschaften 18 Kilometer nicht überschreiten».

Und heute?

Die 1912 monierten Probleme und die 1928 ins Feld geführten Argumente zum Automobilverkehr sind 100 Jahre später im Wesentlichen immer noch gültig. Während das Automobil als Wirtschaftsfaktor im Kanton Glarus kaum bestritten ist, wird etwa die Bedeutung der Klausenstrasse für Tourismus und Gastbetriebe zunehmend kontrovers diskutiert. Und schon eine nur zweistellige Zahl an Automobilen im Kanton machte einen generellen Makel offensichtlich: «die schädlichen Auspuffgase». Dieses Thema ist vor dem Hintergrund des Dieselskandals oder des Klimawandels genau so aktuell wie vor 100 Jahren.

*André Maerz schreibt für den Public Newsroom des Kantons Glarus auf gl.ch.

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Wäre auch heutzutage nicht schlecht, wenn mal das Autofahren an einem Sonntag verboten würde.Die Welt würde nicht untergehen.Kann mich noch mal erinnern als ein Sonntags Autoverbot war.Das war super mit dem Velo auf der Autobahn .

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