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Das Büro im Schlafzimmer

Auf den ersten Blick scheint Homeoffice verlockend. Auf den zweiten eher nicht mehr so.

Südostschweiz
26.07.20 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Ist Homeoffice wirklich nur verlockend?
Ist Homeoffice wirklich nur verlockend?
PEXELS

von Lexi like

Für viele heisst es bereits seit gut einem Monat wieder ab in den ÖV und zurück ins Büro. Aber längst nicht für alle. Novartis gab diese Woche bekannt, dass alle auch nach dem Lockdown im Homeoffice bleiben dürfen. Falls sie das wollen.

Die Frage ist, wollen sie das? Auf den ersten Blick scheint Homeoffice verlockend. Länger schlafen, im Pyjama mal den Laptop hochfahren und vor allem der depressiven Stimmung im Pendlerzug am Montagmorgen ausweichen. Wenn es bei der Arbeit mal nichts zu tun gibt, hängt man nicht gelangweilt am Handy, sondern kann kurz Wäsche waschen oder sich bei ein paar Yogaübungen im Wohnzimmer verrenken. Pausen kann man flexibler gestalten und wenn man vielleicht mal zehn Minuten früher den Laptop zuklappt, dann sieht das gar niemand.

Für den Arbeitgeber ist das Ganze auch ziemlich lukrativ. Er braucht keine Infrastruktur, teure Blingbling-Büros und Kaffeekapseln für die ganze Mannschaft. Die fleissigen Arbeitstierchen kann man aber trotzdem 24/7 mit E-Mails bombardieren.

Doch ganz so einfach ist das nach meiner eigenen Erfahrung nicht immer. Seit über zwei Jahren arbeite ich neben meinem Studium. Und das schon von Beginn an im Homeoffice. Wobei Office vielleicht ein etwas zu hochgestochener Begriff für das WG-Sofa, die Teetasse und den Laptop auf dem Schoss ist. Ein rückenschonender und ergonomischer Arbeitsplatz sieht auch anders aus.

Homeoffice ist ja schön und gut, wenn man alleine oder mit dem Partner oder der Partnerin wohnt. Für WGs hingegen ist es der Tod. Wenn drei Leute gleichzeitig Telefon- oder Videokonferenzen führen müssen und dabei nicht gerade dem Chef einen exklusiven Einblick in ihr Schlafzimmer bieten wollen, ist ein gutes Headset und eine ästhetische Wohnzimmerdeko ein absolutes Muss. Sonst riskiert man verwirrte Arbeitskollegen, die sich fragen, ob man gerade wegen eines Hackerangriffs fremde Stimmen hört oder darf sich gefühlt ewig anhören, dass das Bild an der Wand schon von einer mittleren Geschmacksverstauchung zeugt. Und ja, in meiner WG tut es das.

Wer wie ich in einem Papierhaus wohnt, in dem die Wände alles mithören, sollte aber grundsätzlich jegliche Sitzungen nicht gleich timen wie der Mitbewohner sein Home-Workout. Gekeuche und Gestöhne gemischt mit dem Getrampel von einem halben Elefantenpark ist eine etwas seltsame Geräuschkulisse für ein seriöses Gespräch.

Unabhängig von diesen first-world-problems vermisse ich im Homeoffice zwischendurch die An-der-Kaffeemaschine-anstehen-Gespräche und der unkomplizierte Austausch über das Bewässerungssystem der Büropflanze während der Ferien. Einige Dinge lassen sich eben doch eher schwierig über einen Chat besprechen.

Und sind wir ehrlich: Es ist schon schwieriger, sich zu Hause an den Tisch zu setzen und gleich fokussiert zu arbeiten wie in einem Büro. Wer eine miauende Katze hat, die immer entweder Fressen, Streicheln oder raus will, versteht, was ich meine. Vor allem wenn man nicht über den Luxus eines separaten Zimmers für Computer, Papierstapel und Post-it- Zettelchen verfügt. Das Wohnzimmer wird zu einem unübersichtlichen Schlachtfeld mit Chaos bis unter die Decke.

So einfach den Computer nachmittags um fünf oder sechs runterfahren, in den verhassten ÖV steigen und zu Hause einfach hundert Prozent abschalten, hat irgendwie eben doch seinen Reiz.

Lexi ist das Pseudonym einer 20-jährigen Molliserin, die einen Blog in Jugendsprache führt.

 

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