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Eine spektakuläre Taxifahrt fast zum Tödi

Das Alpentaxi ermöglicht es auch Nichtalpinisten, am Hochgebirge zu schnuppern und in einer SAC-Hütte zu übernachten.

Martin
Meier
06.06.20 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

Hinter ihm liegt Tierfehd, das sogenannte Ende der Welt – doch sein Blick schweift nach vorn: «Da oben kommen sie.» Bergführer Engg Marti mit Gast Sarah Hauser, auf der Rückkehr von einem Ort, wo ihnen die Welt zu Füssen lag. Der Tödi war ihr Gipfelziel, an einem Tag, so wunderschön wie anfangs Woche. «In 15 Minuten sind sie da», schätzt Rolf Meili, der auf die Alpinisten wartet, die froh sein werden, die letzten Höhenmeter von Vordersand hinunter ins Tierfehd in seinem Alpentaxi zurückzulegen.

Wo die Natur am Werk ist

Auf die Alpinisten wartet Meili dort, wo die Natur noch am Werk ist, ständig die Gefahr droht, dass vom Ochsenstock weiteres Felsmaterial zu Tal donnern könnte. Zehntausende von Kubikmetern liegen bereits unten.

Der Tödi ist zum Greifen nah. Das einzige Menschengemachte sind in Vordersand die Alphütte und der Wegweiser, welcher auf die umliegenden drei SAC-Unterkünfte abzielt – auf die Fridolins-, Clariden- und Planurahütte. «Die Stille hier ist einzigartig», flüstert Meili.

Die Murmeltiere pfeifen, aufrecht stehend. Wie die weltberühmte Terrakotta-Armee, welche den ersten Kaiser von China in seinem Leben nach dem Tod beschützen soll.

Atemraubende Tiefblicke

Zum lebendigen Geschichtsunterricht wird aber auch die schwindelerregende Bergfahrt im Alpentaxi. Der Start liegt im Tierfehd, wo Riese Melchior Thut im 18. Jahrhundert 2,31 Meter gross geworden ist. Eine Brücke führt über die Linth. «Ab da genügt mir der erste Gang», erklärt Rolf Meili. Wie an der Wand empor reicht dann die Strasse bis zum Himmel. Auf jeden Fall wird der Tiefblick in die 1,4 Kilometer lange Linthschlucht mit jedem Höhenmeter atemberaubender. Das tosende Wasser verschlägt einem die Sprache. «Wenn mir jetzt einer entgegen fährt, muss – entgegen der gängigen Praxis – ich zurücksetzen», erklärt Meili. Bei dieser Steilheit ist das Anfahren im Rückwärtsgang schwierig.» Meili grinst über beide Ohren: «Die steilste Stelle kommt erst noch.»

Kolossale Bühnenbilder

Zuerst kommt allerdings noch eine weitere Schlüsselstelle – ein Nadelöhr – ein in den Fels geschlagener Tunnel. Die Ausfahrt erinnert dann an ein Opernhaus, an den Zeitpunkt des Vorhanglichtens, der den Blick auf ein kolossales Bühnenbild freilegt. Vor Augen trotzen, hoch über der Linthschlucht, die Pantenbrücken, als sakrale Monumente in der Landschaft. Die untere Steinbrücke wurde in den Jahren 1853/54, die obere zwischen 1899 und 1902 erbaut.

Spektakulär bleibt die «Alpauffahrt» weiterhin. Dem Abgrund nah gehts über den Limmernbach. «Ab ungefähr hier heisst im Übrigen die Linth nicht mehr Linth», weiss Rolf Meili. «Was wir jetzt überqueren, ist der Sandbach.» Was folgt, ist das nächste Abenteuer, die steilste Stelle der Tour: «Ich schätze, dass hier die Strasse so um die 30 Prozent ansteigt.»

Man merkt es dem 60-jährigen Linthaler an, dass er die Strecke nicht zum ersten Mal fährt. «Ich fahre das Alpentaxi die vierte Saison. Nicht nur nach Vordersand, auch ins Durnachtal.» Gefährlich sei es nie geworden. Im Winter fahre er ohnehin nicht. «Da sind nach Vordersand die meisten Brücken ohnehin abmontiert. Wegen den Lawinen.»

Schönheiten am Wegrand

Etwas vom Schönsten komme allerdings noch, fährt Meili auf der Fahrt nach Vordersand fort. Jedem würde er dies allerdings nicht zeigen, macht es Meili spannend. Und plötzlich stoppt er, steigt aus dem Fahrzeug und strahlt: «Da: Schau dir mal diese Schönheit an. Das ist ein Frauenschuh.»

Zurück zum Wegweiser, welcher auf die umliegenden drei SAC-Unterkünfte abzielt. Die Viertelstunde ist um. Engg Marti und Sarah Hauser sind wohlbehalten beim Alpentaxi angekommen. «Traumhaft schön wars», schwärmt Hauser, die, wenn sie nicht gerade den Tödi besteigt, das Hotel «Kerenzerberg» leitet. Schön habe die Tour im Übrigen auch ihre Mutter gefunden, welche noch eine Nacht auf der Fridolinshütte übernachten wollte. Schliesslich ist Sarah Hausers Mutter 70.

Übrigens: «Das Alpentaxi ermöglicht es auch Nichtalpinisten, einmal am Hochgebirge zu schnuppern und in einer der drei umliegenden SAC-Hütten zu übernachten», sagt Robert Zimmermann vom gleichnamigen Taxi-Unternehmen in Reichenburg, der die Fahrberechtigung offiziell innehat. «Die einfache Fahrt dauert 30 Minuten und kostet ab Tierfehd pro Person 30 Franken.» Reservierung unter Telefon 079297 55 55.

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