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Damit nicht alles still bleibt

Oft werden jene als Helden betrachtet, die an einer bestimmten Aufgabe beteiligt waren und sich in schwierigen Zeiten für die Menschheit eingesetzt haben. Sie hatten eine innere Motivation.

Sasi
Subramaniam
09.05.20 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

In der Gegenwart und wohl auch in Zukunft wird aber längst nicht über alle Helden berichtet, die in aussergewöhnlichen Zeiten Aussergewöhnliches leisten. Das ist der Versuch, sich einer dieser Personen zu nähern, die in einer schwierigen Zeit etwas leistet.

In der jetzigen Coronazeit sprechen wir mehr über die Retter im Alltag. Über jene Helden, die uns pflegen, leer gekaufte Regale einräumen, uns an den Kassen bedienen oder die Post bringen. Mein Protagonist ist weder eine Pflegeperson noch ein Verkäufer oder ein Pöstler. Aber ich wollte und will auch ihn als Held bezeichnen.

Ich habe im letzten Monat mehrere Leute fotografiert, die jetzt Aussergewöhnliches geleistet haben. Richi Bamert, der Jodler aus Mollis, war der Erste. Das war bereits Anfang April. Da ich jedoch sehr beschäftigt war, hatte ich vorerst keine Zeit dafür, um die Dokumentation zu ihm vorzubereiten. So kommt das Beste nun zum Schluss.

Richi Bamert ist in keinem Jodelklub Mitglied. Dennoch kennen viele seine Stimme – aber nur die wenigsten sein Gesicht. Seit fünf Jahren geht er zwei bis drei Mal pro Woche zum schiefen Gaden an der Kerenzerbergstrasse ob Mollis. Dort hängt er sich in die Äste einer alten Tanne, schliesst die Augen und singt mit hoher und klarer Stimme los – pünktlich zur «Znünizeit», wenn die Arbeiter die Motoren abstellen und für kurze Zeit ein wenig Ruhe im Dorf einkehrt. Diese füllt er mit seinem Jodelgesang und unterhält damit das halbe Dorf.

Und was macht Richi Bamert in der Coronazeit? Wenn ich die Fenster in meiner Wohnung öffne, höre ich seinen Jodelgesang nach wie vor oft. Und manchmal imitiert meine sechsjährige Tochter die Stimme des 65-Jährigen. Wieso macht er weiter, und das sogar an mehr Tagen als sonst, wenn er selber doch zur Risikogruppe zählt?

«Wegen Corona bleiben die meisten zu Hause», sagt der ehemalige Bergbauer. «Das ist eine schwierige Zeit für alle. Ich will ihnen und der Gesellschaft darum fast täglich etwas Schönes geben.»

Auch beim Schreiben dieses Textes höre ich seine Stimme. Wäre seine Geschichte ein Film, müsste sie in den Tälern der Schweizer Alpen beginnen, wo das normale Leben ganz still ist.

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