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Der Bartgeier brütet im Glarnerland bisher nicht

Der einst ausgerottete Bartgeier ist im Höhenflug. In den Alpen fliegen bereits wieder fast 300 Tiere durch die Lüfte. Im Glarnerland werden immer wieder Bartgeier gesichtet, sie sind aber nicht heimisch.

06.08.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Erfolgreiches Abheben: In den letzten fünf Jahren hat sich der Bestand des Bartgeiers um fast die Hälfte erhöht.
Erfolgreiches Abheben: In den letzten fünf Jahren hat sich der Bestand des Bartgeiers um fast die Hälfte erhöht.
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Text von Hans Peter Putzi und Marco Lüthi

Es dauerte rund 30 Jahre, bis sich der Bartgeier-Bestand in den Alpen stabilisiert hatte. Bis 1986 galt der Greifvogel als ausgerottet. Wieder angesiedelt wurden die ersten Bartgeier im österreichischen Rauris im Nationalpark Hohe Tauern, ein Jahr später folgten Auswilderungen in Hochsavoyen (Frankreich) und ab 1991 auch in der Schweiz. Seither konnten 47 junge Bartgeier erfolgreich ausgewildert werden.

Von 2010 bis 2014 wurden unter anderem im sankt-gallischen Calfeisental, das unweit der Glarner Kantonsgrenze liegt, zwölf Vögel in die Freiheit entlassen. Inzwischen gehört auch der Kanton Glarus wieder zum Lebensraum des Bartgeiers, wie Monica Marti vom Naturzentrum Glarnerland sagt. «Wir erhalten sporadisch entsprechende Beobachtungsmeldungen», so die Biologin weiter.

Gesichtet werden Bartgeier im Glarnerland vor allem in südlichen Gebieten: im Sernftal, in Ennenda, Schwanden, Braunwald und Linthal. Trotzdem: «Bis heute sind aber noch keine Wildbruten auf Glarner Kantonsgebiet bekannt», so Marti. Bartgeier seien im Glarnerland unter anderem auf der Suche nach Futter oder sie nutzten es als «Überflugszone» in andere Gebiete.

Bereits 233 Wildbruten

Besonders wohl scheint sich der Bartgeier in Graubünden zu fühlen. In den vergangenen drei Jahren zählte die Stiftung Pro Bartgeier dort total 25 Wildbruten – so viele wie in keiner anderen Alpenregion. Damit konnte der Gesamtbestand des früher als Lämmergeier verunglimpften Tieres massiv gesteigert werden. Er wurde so genannt, weil ihm zu Unrecht nachgesagt wurde, er ergreife Lämmer oder gar kleine Kinder. 1913 erfolgte der letzte Abschuss in den Alpen im italienischen Aostatal.

Im Jahr 1986 startete das Projekt «Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen». Heute, 33 Jahre später, werden im Alpenkamm immer noch Zuchttiere in die Freiheit entlassen – obwohl sich der Bartgeier in den letzten sechs Jahren definitiv zurückgemeldet hat. Auf 295 Tiere schätzte die Stiftung den Bestand per Ende 2018, im Jahr 2013 zeigte die Statistik erst 198 wild lebende Bartgeier. Wildbruten wurden seit 1997 bereits 233 gezählt, wobei nicht alle dieser Jungvögel überlebt haben.

«Theoretisch würden die nun rund 300 Tiere möglicherweise genügen, um den Fortbestand der Population zu sichern», sagt dazu Daniel Hegglin, Geschäftsleiter der Stiftung Pro Bartgeier, auf Anfrage. In der Schweiz ist im Jahr 2019 auch keine weitere Auswilderung geplant, nachdem in den letzten vier Jahren jeden Sommer junge Geier in der Zentralschweiz bei Melchsee-Frutt ausgesetzt wurden.

Frisches Blut nötig

Dass in der Schweiz dieses Jahr erstmals seit 2009 keine Bartgeier ausgewildert werden, hängt jedoch nicht mit dem neuen Höchstbestand zusammen. Noch existieren zu wenig verschiedene Bartgeier-Blutlinien in den Alpen. «Derzeit stammen alle Zucht-Jungvögel aus genetischen Linien, die in der Alpenpopulation schon gut vertreten sind. Deshalb kommen diese Jungtiere für eine Auswilderung in der Schweiz nicht mehr infrage», so Hegglin. Die genetische Diversität sei deutlich zu klein, das Risiko von Inzucht entsprechend gross. Daher werde man in der Zentralschweiz künftig nur noch Zuchttiere mit neuen Blutlinien auswildern, aktuell sind jedoch keine Tiere aus fremder Abstammung verfügbar.

Hans Peter Putzi ist Redaktor. Er spricht für Radio Südostschweiz, manchmal schreibt er auch für die Zeitung «Südostschweiz» und «suedostschweiz.ch». Besonders gerne recherchiert er, mit Vorliebe in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Sicherheit, Umwelt und Sport. Er ist im hinteren Prättigau aufgewachsen und wohnt seit vielen Jahren im Bündner Rheintal. Mehr Infos

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