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Spektakulärer Rettungsversuch für Gletscher erhält nötige Finanzierung

Wird ein Gletscher das ganze Jahr über mit Schnee zugedeckt, könnte er wieder wachsen. Im Engadin kann ein Pilotprojekt mit Schmelzwasser-Recycling im August starten – die Kosten liegen bei 2,5 Millionen Franken.

Südostschweiz
22.07.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Pilotprojekt: Mittels Beschneiungsseilen und recyceltem Schmelzwasser soll der Rückzug des Morteratschgletschers im Engadin gestoppt werden.
Pilotprojekt: Mittels Beschneiungsseilen und recyceltem Schmelzwasser soll der Rückzug des Morteratschgletschers im Engadin gestoppt werden.
Visualisierungen Academia Engiadina und Bartholet Maschinenbau AG

Gletscher retten mit einem bodenunabhängigen und stromfreien Beschneiungssystem: Dieses spektakuläre Pilotprojekt soll am 19. August im Oberengadin starten und dann während 30 Monaten laufen. Geplant ist die Anlage im Skigebiet am Corvatsch bei Silvaplana, wie Projektleiter Felix Keller gemäss einer Mitteilung der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Chur sagte.

Die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung (Innosuisse) habe die Hälfte der Kosten von total 2,5 Millionen Franken übernommen. Die andere Hälfte stammt von Industriepartnern. Das sei ein Meilenstein. Alle Studien und Forschungen seien fast wertlos, wenn man sie technisch nicht umsetzen könne, sagte Projektleiter und Glaziologe Felix Keller.

«Gletscherwachstum möglich»

Der mögliche Schutz der Gletscher basiert auf der Idee des Schmelzwasser-Recyclings. Dabei wird das im Sommer anfallende Schmelzwasser hoch oben gesammelt, um es im Winter in Form von Schnee zu recyceln und dem Gletscher zurückzugeben.

Keller und sein Team konnten eigenen Angaben zufolge darlegen, dass unter den heutigen Bedingungen sogar ein Gletscherwachstum in zehn Jahren möglich sei, wenn zehn Prozent der Gletscheroberfläche mit Schnee ganzjährig zugedeckt würden.

Für das Forschungsprojekt soll ein bodenunabhängiges und stromfreies Beschneiungssystem zur Anwendung kommen. Noch zu entwickelnde Beschneiungsseile mit Schneeerzeugern sollen über dem Gletscher gespannt werden. Glaziologe Keller brachte dafür zwei Industriepartner zusammen und begeisterte sie für die Idee. Zum einen die Schweizer Firma Bartholet Maschinenbau AG, laut Mitteilung auf dem Weltmarkt führender Hersteller von Seilbahnsystemen, sowie die Firma Bächler Top Track AG, die ein Patent für ein System für eine stromfreie Schneeproduktion habe. Neben der HTW Chur sind weitere Forschungspartner die Hochschule Luzern, die Interstaatliche Hochschule für Technik Buchs und St. Gallen (NTB) sowie die Fachhochschule Nordwestschweiz.

Trinkwasser für Millionen retten

Potenzielle Kunden für ein solches Beschneiungssystem finden sich nach Angaben der Forscher in Regionen Europas, in Zentralasien und in den Anden. In vielen Regionen hänge die Existenz der Menschen vom Schmelzwasser nahe gelegener Gletscher ab.

Im Himalajagebiet, wo in wenigen Jahrzehnten 220 Millionen Menschen von einer knapper werdenden Trinkwasserversorgung direkt betroffen sein werden, könnte eine Verzögerung der Gletscherschmelze von bis zu 50 Jahren möglich sein. Laut Keller zeigen weitere Regionen mit touristischen Hintergründen Interesse am Gletscherschutz mit dem Schmelzwasser-Recycling. (sda/pb)

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