Die «kluge Schlange» der Frauenrechte
Die Geschichte von Frauen in Graubünden ist kaum erforscht und Quellen sind Mangelware. Es gibt jedoch eine Frau, deren Taten und Worte vom 17. Jahrhundert bis heute überliefert wurden: Hortensia von Salis. Sie war nicht nur Ärztin, Forscherin und Schriftstellerin, sondern gilt auch als eine der frühen Wegbereiterinnen der Schweizer Frauenbewegung.
Die Geschichte von Frauen in Graubünden ist kaum erforscht und Quellen sind Mangelware. Es gibt jedoch eine Frau, deren Taten und Worte vom 17. Jahrhundert bis heute überliefert wurden: Hortensia von Salis. Sie war nicht nur Ärztin, Forscherin und Schriftstellerin, sondern gilt auch als eine der frühen Wegbereiterinnen der Schweizer Frauenbewegung.
Mit leicht verschränkten Armen in dicken Puffärmeln, langen fein gelockten Haaren, aufwendiger Brosche auf der Brust und wachem Blick sieht man Hortensia von Salis* auf einem alten Gemälde. Ein Abbild des Gemäldes ist das einzige weitverbreitete Bild der Bündnerin, die Ende des 17. Jahrhundert in Maienfeld lebte. Auch über ihren Namen stolpert man heute nur selten. «Zu ihrer Zeit war von Salis eine sehr bekannte Persönlichkeit, und das nicht nur in Graubünden. Sie geriet dann aber in Vergessenheit», sagt die Literaturwissenschaftlerin Maya Widmer, die über von Salis forschte und ein Werk über die Bündner Pionierin verfasste.
Hortensia von Salis war nicht nur die erste deutschsprachige Autorin in der Schweiz, Gelehrte und Heilkundige, sie gilt auch als eine der Vorläuferinnen der schweizerischen Frauenbewegung. Damit hat sie einen, wenn auch lang vergangenen und oft vergessenen, Teil dazu beigetragen, dass am kommenden Freitag in der ganzen Schweiz der Frauenstreiktag begangen wird.
Für die Rechte von Ledigen und Verwitweten
Von Salis, die von 1659 bis 1715 lebte, werde gerne als Feministin bezeichnet, sagt Widmer weiter. «Das ist in meinen Augen aber falsch, da das ein sehr moderner Begriff ist.» Sie habe sich zu den Rechten der Frauen geäussert, aber eben nicht ausschliesslich. Auch ihre Beschäftigung mit medizinischen und wissenschaftlichen Themen ihrer Zeit sei sehr besonders.
Von Salis publizierte als erste deutschsprachige Frau in der Schweiz. In einem ihrer Bücher, «Conversations-Gespräche», widmet sie sich beispielsweise unter anderem der sogenannten «Galanterie» der Männer den Frauen gegenüber und wie diese nur gespielt sei. «Ihre bemerkenswertesten Sätze findet man aber im Vorwort eines anderen Werkes. Dort äussert sie sich dezidiert über die Rechte der Frauen, vor allem der ledigen und verwitweten», so Widmer. Diese seien damals meistens unter der Vormundschaft eines männlichen Verwandten gestanden.
Die Autorin als Skandal
Ansichten, die im 17. Jahrhundert nicht nur mit Begeisterung aufgenommen wurden. So wurde von Salis laut dem Buch «Große Frauen der Weltgeschichte. Tausend Biographien in Wort und Bild» auch gerne mal «kluge Schlange» genannt. Wie Widmer sagt, war aber weniger der Inhalt von Hortensia von Salis Schriften der Skandal, sondern die Tatsache, dass sie eine weibliche Autorin war. «Es war einfach sehr aussergewöhnlich, dass sich eine Frau beispielsweise offen über Religion äusserte.»
Man dürfe nicht vergessen, dass dies auch noch die Zeit der Hexenverbrennungen war – auch in Maienfeld. Es sei von Salis hoher gesellschaftlicher und adliger Status gewesen, der ihr einen gewissen Schutz geboten habe. Und ihr zudem den Kontakt zu vielen gelehrten Männern ermöglichte. «Ihre Gelehrtheit, ihr unerschrockenes Auftreten und ihr Einsatz für die Rechte der Frauen sind für diese Zeit einfach aussergewöhnlich», meint Widmer.
*Aus traditioneller bürgerlicher Sicht hiess sie eigentlich Hortensia Gugelberg von Moos, geborene von Salis. Nach dem Tod ihres Mannes unterzeichnete sie jedoch viele ihrer Briefe und Werke als Hortensia von Salis, verwitwete Gugelberg von Moos. Aus diesem Grund wird sie heute einfachheitshalber oft Hortensia von Salis genannt.
Mehr zum Thema Frauenstreik:
Corinne Raguth Tscharner ist stellvertretende Chefredaktorin Online/Zeitung und Chefin vom Dienst bei «suedostschweiz.ch». Zuvor erlernte sie das journalistische Handwerk als Volontärin in vier verschiedenen Redaktionen (Print, Online, Radio, TV) und war als Online-Redaktorin tätig. Mehr Infos
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Bereits Abonnent? Dann schnell einloggen.