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Alles einsteigen, bitte!

Am Pfingstwochenende hat der Glarner Modelleisenbahnklub in Netstal seine Türen geöffnet. Interessierte durften eintreten und erhielten einen Einblick in die vielseitige Welt der Eisenbahnmodelle.

Südostschweiz
11.06.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Ganze Landschaften: Die Eisenbahnfans bauen auf ihrem Riesenmodell auch Strassen und Autos im Kleinformat nach.
Ganze Landschaften: Die Eisenbahnfans bauen auf ihrem Riesenmodell auch Strassen und Autos im Kleinformat nach.
LINDA HOTTINGER

von Linda Hottinger

Gleich neben dem Bahnhof in Netstal befindet sich eine alte Militärbaracke. Sie liegt einige Meter vom Bahngleis entfernt. Was sich dahinter verbirgt, lässt sich von aussen nicht erkennen, die Fenster sind dunkel. Es ist etwas kalt im Raum, in der Luft liegt der Geruch von Holz. Plötzlich hört man das Rattern eines kleinen Zuges, der vorbei fährt, ein leises Zischen. Bevor man realisiert, was es damit auf sich hat, ist der Zug, umgeben von Berg und Tal, schon im Tunnel verschwunden.

Bei näherem Herantreten ergibt sich plötzlich wie bei einem Puzzle das Gesamtbild. Die vielen kleinen Einzelstücke wie Menschen, Züge, Häuser usw. sind von einer beeindruckenden Genauigkeit und laden zum Staunen ein. Die 20 Mitglieder des Glarner Modelleisenbahnklubs haben 15 Jahre mit viel Liebe zum Detail die ausgestellten Landschaften dreidimensional nachgebaut, welche nun am Tag der offenen Tür bewundert werden können. Michael Stucki, Präsident des GMEK, erklärt, weshalb: «Wir möchten der Öffentlichkeit zeigen, was wir hier machen.» Es sei eine gute Gelegenheit, Werbung für den Klub zu machen.

«Nebst dem Restaurant und den Einzelmodellen, die wir verkaufen, ist das hier unsere Haupteinnahmequelle. Als Verein leben wir davon», ergänzt Stucki. Der 1958 gegründete Klub hat lauter männliche Mitglieder. «Es sind aber auch Frauen herzlich willkommen», so Stucki. Das Angebot sei in erster Linie auf Erwachsene ausgerichtet.

Nischenhobby

Die Konstruktion und Gestaltung von Modelleisenbahnen waren früher eine sehr beliebte Freizeitbeschäftigung, auch deshalb, weil das Angebot an Beschäftigungsmöglichkeiten nicht sehr hoch war. Josef Fäh, ein Besucher und ehemaliges Mitglied des Glarner Modelleisenbahnklubs, erinnert sich: «Früher gab es drei Möglichkeiten: Entweder man ging in die Pfadi, wandern oder man beschäftigte sich mit Eisenbahnen. Als ich 13 Jahre alt war, habe ich mit meinem Vater damit begonnen.» Seitdem hat dieses spezielle Hobby bei Fäh immer mehr Raum eingenommen. Seit 1974 baut der gelernte Elektromechaniker selber Eisenbahnen. «Im Grunde genommen ist es bei jedem Hobby das Gleiche: Man benötigt eine Grundausstattung, welche meist etwas teuer ist. Dann wird diese nach und nach ausgebaut und mit weiteren Objekten ergänzt», erklärt Fäh. «Man muss zuerst eine Basis haben, in diesem Fall in Form von Gleisen, bevor der Rest hinzugefügt wird.»

135 Stunden für ein Viadukt

Sein Hobby wurde Josef Fäh nie langweilig. Es ist nicht schwer für ihn, seine Begeisterung in Worte auszudrücken: «Das Bauen selber gefällt mir, aber auch die Technik. Für mich ist es Entspannung», schwärmt er. «Meine Gedanken sind sofort an einem anderen Ort, wenn ich zu bauen beginne.»

Fäh bemängelt die Antriebslosigkeit, die bei vielen pensionierten Leuten entstehe. Mit der plötzlichen Freizeit wissen viele nicht, was sie mit sich anfangen sollen. «Ich konnte mir nie vorstellen, einfach nur zu Hause rumzusitzen», stellt er klar. «Für mich war es wichtig, ein Hobby zu haben, welches mich erfüllt.»

Der Dauer eines Baus von Modelleisenbahnen und ihrer Landschaft hängt von der Grösse ab und wie detailreich man es haben möchte. Für sein aufwendigstes Projekt, ein Viadukt, benötigte er – inklusive Planung, Bau und Malen – 135 Stunden.

Der Glarner Modelleisenbahnklub ist digital ausgerichtet. Speziell bei Josef Fäh ist, dass er noch analog arbeitet. «Das hat noch eine gewisse Art von Spieltätigkeit beziehungsweise einen Spielcharakter», begründet er.

Eintauchen in eine andere Welt

Nach dem Rundgang durch die Anlage fühlt man sich wieder ein Stück in seine Kindheit zurückversetzt: das Ausprobieren, das Bauen und natürlich der grosse Stolz, wenn sich die aufwendige Arbeit auszahlt.

Der Glarner Modelleisenbahnklub zeigt, wie man in tatkräftiger Zusammenarbeit ein grosses Kunstwerk entstehen lässt und lebt vor, dass man für manche Dinge nie zu alt ist.

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