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Mieterstreit: «Extremfälle sind eher selten»

Carmen Mühlemann, Präsidentin der kantonalen Schlichtungsbehörde nimmt zum Mieterstreit in einer Glarner Wohnliegenschaft Stellung.

Südostschweiz
24.05.19 - 20:10 Uhr
Leben & Freizeit

1 Ein Haus wird nicht mehr beheizt, eine Wohnung wird vermietet, obwohl Lavabo und Armaturen im Bad fehlen. Wie oft kommt so etwas vor?

Zu Einzelfällen können wir nicht Stellung nehmen. Ich kann aber sagen, dass Extremfälle eher selten sind. Gelegentlich erleben wir, dass es wegen einer kaputten Heizung einige Tage kalt ist und dass der Vermieter erst Abhilfe schafft, wenn Mieter mit dem Gang zur Schlichtungsbehörde drohen. Und ab und zu entsteht Streit über eine zu tiefe Raumtemperatur. 

2 Wie viele Mietrechtsfälle pro Jahr behandelt die Schlichtungsbehörde, und wie oft geht es um Mängel am Mietobjekt?

Wir haben im letzten Jahr 60 Fälle bearbeitet, und nur fünf davon betrafen Mängel. Dabei ist es nicht so, dass vor allem Mieter an uns gelangen, auch Vermieter strengen relativ häufig ein Schlichtungsverfahren an. Am häufigsten geht es 
der Vermieterseite um ausstehende Zinsen und darum, ob sie oder der Mieter Mängel beheben oder die Rechnung dafür bezahlen müssen. Mieter fechten oft Kündigungen an oder wollen eine Erstreckung, oder sie verlangen, dass wir die Nebenkostenabrechnung überprüfen. 
In den ersten Monaten des laufenden Jahres sind die Fälle markant angestiegen, das kann sich während dem Jahr allerdings noch ausgleichen.

3 Und wie wird ein Verfahren entschieden?

Oberstes Ziel ist immer ein Vergleich und keine Klagebewilligung. Dafür vermitteln wir und zeigen den beiden Parteien auch anhand der rechtlichen Einschätzung die Prozessrisiken auf. Letztes Jahr haben wir 46 Fälle erledigt, 40 davon ohne Gang ans Gericht. Damit erledigen sich bereits viele Fälle schon bei der Schlichtungsbehörde. Gelingt ein Vergleich nicht, so können wir bis zu einem Streitwert von 5000 Franken einen Urteilsvorschlag unterbreiten. Er gilt, wenn ihn keine der Parteien innert 20 Tagen ablehnt. Bis 2000 Franken Streitwert können wir auf Antrag der klagenden Partei direkt einen Entscheid fällen. 

4 Wenn der Vergleich nicht gelingt: Lohnt sich der Gang vor Gericht?

Jeder Fall ist ein besonderer Fall, und entsprechend sind die Aussichten dafür sehr unterschiedlich. Oft gelingt es aber tipptopp zu schlichten, an einem neutralen Ort und mit einem Blick von aussen auf den Streit den Frieden wieder herzustellen. Schon vorher hat der Mieter mit der Mietzinshinterlegung beim Gericht ein grosses Druckmittel. Er kann dieses aber in der Regel nur bei einem Mangel an der Wohnung einsetzen und erst, nachdem er dem Vermieter ermöglicht hat, den Mangel zu beheben. Stellt er nicht innert 30 Tagen ein Schlichtungsbegehren, so kann der Vermieter das hinterlegte Geld herausverlangen. Wenn die Parteien sich zerstritten haben, ist es vielleicht trotzdem nötig, dass sie sich trennen.

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