Das Gesicht ist eine Leinwand

So ziemlich jede Frau schminkt sich oder hat sich schon einmal in ihrem Leben geschminkt. Und wie bei allem sind einige besser darin als andere. Tanja Oertli aus Glarus ist nachweislich sehr gut darin. Sie ist, das darf man ungeschminkt sagen, sogar die Beste. Sie wurde kürzlich in der Messehalle in Zürich Schweizer Make-up-Meisterin. «Das kam schon überraschend für mich, denn die Konkurrenz war sehr stark», freut sich die 27-Jährige über den Titel.

Im vergangenen Jahr wurde sie in der Kategorie Newcomer noch Dritte, «so dachte ich mir, ich versuche es in diesem Jahr noch einmal.»

Eine Stunde für ein Kunstwerk

An den Schweizer Meisterschaften hatte Tanja Oertli eine Stunde Zeit, ihr Model Joycea Muñoz zu schminken. Die Haare wurden von Elena Lampietti gestylt. Das Trio konnte sich auf die Meisterschaften vorbereiten. «Ich wusste genau, was ich machen will und konnte üben», so Oertli. Und auch das Thema kam der jungen Frau mit den violetten Haaren kaum ungelegen: ultraviolett. «Hätte schlimmer sein können», so die gelernte Detailhandelsfachfrau mit einem Lachen.

Sie habe sich absichtlich für ein eher einfacheres Sujet entschieden. «Lieber etwas Einfaches machen, dafür sauber und gut. Ich konnte an den Meisterschaften meine beste Arbeit abliefern. Im Vorfeld lief es mir nie so gut», sagt sie und freut sich. Druck oder Nervosität habe sie kaum gespürt. «Ich kannte es ja vom letzten Jahr. Und das Publikum sitzt zum Glück im Rücken, wenn man am Schminken ist.»

Titel als Türöffner

Seit sie 14 Jahre alt ist, schminkt sie sich. «Es ist meine grosse Leidenschaft. Man kann sich austoben und kreativ sein.» Ein Blick auf ihre Social-Media-Kanäle zeigt, dass die Frau eine kreative Ader hat, die sie nun sogar an die Weltmeisterschaften in München bringt. «Das wird noch einmal eine andere Hausnummer, die Konkurrenz wird riesig sein.»

Ungeachtet des Resultats: Solche Meisterschaften oder Events bringen laut der gebürtigen Molliserin viel Positives mit sich. «Man lernt Leute aus der Branche kennen und kann Kontakte knüpfen.» Denn seit dem Schweizer-Meistertitel habe sie mehr Aufträge. Um nur davon zu Leben, reiche es zwar nicht – «noch nicht», so ihre Hoffnung. Denn ihr Wunsch ist es, eines Tages von ihrer Leidenschaft zu leben.

Derzeit arbeitet sie noch zu 50 Prozent in einem Büro. «Irgendwie muss man ja die Rechnungen bezahlen.» Nebenbei erledigt sie Auftragsarbeiten für Model-Shootings, Porträt-Fotos, schminkt Frauen für die Hochzeit oder Leute, die einfach ein cooles Make-up für die Fasnacht wollen.

Vier Stunden Arbeit für Fotos

Wenn sich Tanja Oertli selber schminkt, dauert es bis zu vier Stunden, bis ihr Kunstwerk fertig ist. Wie zum Beispiel das Abbild der Erde auf ihrem Gesicht. «Ich lasse mich von allem inspirieren und versuche, mit meinen Kreationen etwas zu vermitteln.» Wie zum Beispiel die Umweltverschmutzung. Dafür klebt sie sich auch einmal eine Zigarette oder eine Petflasche ins Gesicht.

Dann heisst es, Fotos schiessen für die Social-Media-Kanäle. Und wenn diese ihren Vorstellungen entsprechen, geht es wieder ans Abschminken. «Das ist nicht frustrierend, wenn die Fotos schön geworden sind. Dann kann ich wieder etwas Neues machen. Das Gesicht ist wie eine Leinwand», so die professionelle Make-up-Artistin.