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Und sie erwärmt sich doch

Kolumnist, Autor und Musiker Frédéric Zwicker über Menschen, die glauben, die Erde sei eine Scheibe. Und solche, die glauben, der Klimawandel könne mit guten Gründen angezweifelt werden.

Linth-Zeitung
05.03.19 - 14:43 Uhr
Leben & Freizeit
Frédéric Zwicker über die Erde als Scheibe und die Klimaerwärmung, dies nicht gibt – oder wie war das?
Frédéric Zwicker über die Erde als Scheibe und die Klimaerwärmung, dies nicht gibt – oder wie war das?
PRESSEBILD

von Frédéric Zwicker*

Die Erde ist rund. So viel war schon Aristoteles im vierten Jahrhundert vor Christus klar, als er sah, dass sie bei einer Mondfinsternis einen runden Schatten warf und Segelschiffe Stück für Stück hinter dem Horizont verschwanden. Magellan versetzte der flachen Erde den Todesstoss, als er sie im 16. Jahrhundert umsegelte. Das Geld für die Fahrt hatte er nur mühsam auftreiben können, weil man am Spanischen Hof gefürchtet hatte, die Investition könnte über den Erdrand hinunterstürzen.

Auf Netflix erschien kürzlich eine Dok über Menschen, die überzeugt sind, die Erde sei flach, die Idee der runden Erde eine Kreation der Mächtigen, um alle zu täuschen. Dass es von einer Verschwörungstheorie zur nächsten nicht weit ist, sieht man beispielsweise, als verschiedene Vertreter der Flat-Earth-Theorie beginnen, sich gegenseitig zu zerfleischen. Es tobt ein epischer Kampf um die ideologische Vorherrschaft innerhalb der Szene. Da heisst es dann zum Beispiel, die eine, Patricia, arbeite für die CIA, wie die drei letzten Buchstaben ihres Namens beweisen würden. Sie trinke ausserdem Blut und sei in Tat und Wahrheit ein Mann.

«Jeder einzelne kann das Risiko beim Klimawandel für sich selber abschätzen.»

Ein Argument der Vertreter lautet, renommierte Wissenschaftler würden ihre Thesen nicht widerlegen, weil sie es nicht könnten. Die befragten Wissenschaftler sagen, das stimme nicht, man hätte unzählige Male die Falschheit der pseudowissenschaftlichen Grundlagen der Verschwörungstheorie bewiesen. Es sei aber sehr schwierig, deren Anhänger von der Wahrheit zu überzeugen, weil sie unbedingt an die flache Erde glauben wollten. Und irgendwie habe man ja auch anderes zu tun als zu beweisen, was seit hunderten Jahren bewiesen sei. Der menschengemachte Klimawandel ist nicht seit Jahrhunderten bewiesen. Aber einige Jahrzehnte sind es inzwischen doch. Trotzdem meinen viele Leute, beispielsweise der FIS-Direktor Gian Franco Kasper, es herrsche in der Wissenschaft kein Konsens über den Klimawandel, er könne mit guten Gründen angezweifelt werden.

Das stimmt nicht. Die Wissenschaft ist sich einig. Das Material – die Artikel, Grafiken und Filmchen, die den Zweiflern ihr Argumentarium liefern – stammt nachweislich aus konservativen Think Tanks, die mehrheitlich von Unternehmen finanziert sind, die ihr Geld mit fossiler Energie verdienen. In den USA werden jährlich 900 Millionen Dollar ausgegeben, um scheinbar wissenschaftliche Scheindebatten zum Klimawandel zu kreieren. Das Ziel besteht darin, die Bevölkerung glauben zu machen, es gebe berechtigte wissenschaftliche Zweifel an der menschengemachten Erderwärmung. Sollte die Erde tatsächlich flach sein, laufen Leute Gefahr, über den Tellerrand hinunterzustürzen, wenn sie sich zu weit von zu Hause entfernen. Jeder einzelne kann das Risiko für sich selber abschätzen. Wenn viele Leute glauben, der Klimawandel sei ein Mythos, ist das Risiko für die Allgemeinheit erheblich grösser.

*Frédéric Zwicker, Rapperswil-Jona, ist Autor und Musiker.

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