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Ehrengast überbringt dem «Stapi» fromme Weisheiten

Biblische Sinnsprüche für «Bruder Martin»: Am 669. «Eis-Zwei-Geissebei» in Rapperswil-Jona klärt der höchste Protestant Gottfried Locher Stadtpräsident Martin Stöckling darüber auf, was einen guten Chef ausmacht.

05.03.19 - 19:08 Uhr
Leben & Freizeit

 

Ein Reformierter als Ehrengast in der «erzkatholischen Rosenstadt»: Das gibt es nur in der närrischen fünften Jahreszeit. Als «höchsten und mächtigsten Protestanten der Schweiz» kündigte ihn Stadtpräsident Martin Stöckling an. Nicht wissend, dass dieser ihm gleich eine biblisch unterlegte Anleitung für einen guten Chef überbringen würde. Gottfried Locher, Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds, war Überraschungsgast am fasnächtlichen «Eis-Zwei-Geissebei», das gestern die Menschen in Scharen in die Rapperswiler Altstadt lockte. Doch lang bevor die Menschenmenge auf die fliegenden Würste wartete, ging oben im Rathaus das traditionelle Herrenessen über die Bühne. 

Zu diesem Festschmaus, garniert mit launigen Reden, kommt jeweils zusammen, was Rang und Namen in Rapperswil-Jona hat: In der Regel viele Herren mit ergrautem Haar oder lichtem Haupte, Frauen sind nur ganz wenige erlaubt. 280 Gäste zählte die illustre Runde heuer. Stadtpräsident Stöckling sprach vom «Geissebei-Vorhimmel» und hielt die Eröffnungsrede am 669. «Eis-Zwei-Geissebei». Durch die Reihen zu blicken, sei eine wahre Freude. Zum fortgeschrittenen Durchschnittsalter der Gäste meinte er: «Alle erfreuen sich bester Gesundheit und sind knackig. Es knackt mal hier und es knackt mal dort.» Für die «reiferen Jahrgänge» hielt er denn gleich einen Tipp bereit: Unter dem Tisch habe Hausherr Matthias Mächler Haken anbringen lassen: «Frauen können ihre Handtasche dranhängen – Männer ihren Katheter.» 

Schiff sorgt für eine Seeschlacht

In seiner mit Seitenhieben gespickten Rede hob Stöckling jüngste Geschehnisse aus der Stadt hervor, die polarisieren. Scharfzüngige Bemerkungen gab es etwa für die «Bühler’sche Hochseeflotte»: das von Oliver Bühler geplante Event-Schiff im Rapperswiler Hafen. Eine «veritable Seeschlacht» tobe um den Stadthafen von Rapperswil, befand Stöckling. Bühler habe dem Stadtrat glaubhaft versichert, er habe einen Investor. Bühlers Worte an den Geldgeber? «Mit solch einem Schiff kann man ein kleines Vermögen machen – vorausgesetzt, man bringt ein grosses mit.» Nun spiele halt Bruno Hug «Schiffsversenkä» mit Bühler. 

Auch der bald abtretende Stadtrat und Schulpräsident Thomas Rüegg wurde mehrfach aufs Korn genommen. Diverse Übernamen hielt Stöckling für ihn bereit: der «ewige Schulpräsident», der «Mick Jagger der Joner Politik», der «Raul Castro der städtischen FDP». Im Gegensatz zu den Stones habe er allerdings den Rücktritt vom Rücktritt ausgeschlossen. «Und im Gegensatz zu Castro weiss er, wie man die Bühne mit Stil verlässt.»

Ein Wunder für die Kirchbürger 

Schliesslich übergab Stöckling die närrische Bühne dem Ehrengast Gottfried «Godi» Locher. Dieser schlüpfte in die Rolle des Zürcher Reformators Ulrich Zwingli. Und richtete zunächst einen besonderen Gruss an die «Geistlichen» im Saal. Zur umstrittenen Vorlage über die Sanierung der reformierten Kirche meinte er trocken: «Eure Kirchbürger sind mit einem Klagepsalm an die Öffentlichkeit getreten. Daraufhin geschah ein Wunder: Der Himmel öffnete sich und es regnete fünf Millionen vom Himmel.» 

Kern von Lochers Rede aber waren sieben fromme Sprüche, die er an Stadtpräsident Stöckling richtete. Die biblisch untermauerten Weisheiten seien als Ratschläge für gute Chefs zu betrachten. Ein paar Beispiele? «Selbstzweifel plagen nur die Guten.» Stöckling solle sein Tun stets hinterfragen, riet «Zwingli» alias Gottfried Locher. Und: «Wahrhafte Grösse ist innere Grösse». Eine Idee, die wachse, brauche Zeit. Stöckling werde aus dem Amt gehen, bevor alle seine Projekte ausgereift und sichtbar seien, sagte er zum «Stapi». Seine siebte und wichtigste Botschaft: «Du sollst dich nicht so tierisch ernst nehmen.» Nur wer über sich selbst lachen könne, sei für seine Mitmenschen ein liebenswürdiger Zeitgenosse. Seine Gastrede schloss Locher mit einer Lobeshymne: Ihr habt eine wunderschöne Stadt – tragt ihr Sorge und seht zu, dass sie sich immer weiterentwickelt. 

Cervelats mit Drohne verteilen

Über die Zukunft des «Eis-Zwei-Geissebei» sinnierte Markus Speck alias Jonas Rappolter: Die «Usteilte 4.0» sehe wohl so aus, dass die Jugend dreimal das Geissebei auf Instagram «liken» würde, statt dreimal «Eis-Zwei-Geissebei» zu rufen. «Und Metzger Nussbaumer liefert seine Cervelats künftig mit Drohnen aus.»

Bevor schliesslich die Würste flogen, gab es noch Schelte vom «Saugericht» für Tourismuschef Simon Elsener. Er erntete närrische Kritik dafür, dass er sich mit dem Visitor-Center «ein goldenes Schloss bauen wollte».

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