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Marco Blumer geniesst auf alten Töffs «Lebensfreude pur»

Der Primarlehrer aus Ennenda fährt seit 20 Jahren Rennen mit seinem Oldtimer-Motorrad. Seine Passion für die Sammlerstücke ist nicht zu übersehen.

Südostschweiz
02.03.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
In Aktion: Marco Blumer bei einem Rundstreckenrennen in Italien.
In Aktion: Marco Blumer bei einem Rundstreckenrennen in Italien.
FOTO VERANO

von Sabrina Manser

Der sandfarbene Wohnblock in Ennenda scheint ein Wohnblock wie jeder andere zu sein. Doch die Erdgeschoss-Wohnung ist für einige ein kleines Paradies. Sobald man über die Schwelle tritt, riecht es nach Schmieröl, und es ist klar: Man steht in einer Werkstatt.

Marco Blumer bewahrt hier etwas Besonderes auf. Er zieht die Vorhänge beiseite, und die in der Mitte stehenden Motorräder kommen erst richtig zur Geltung. Es sind zwei Oldtimer-Motorräder, «Motosacoche». Sie stammen von 1930 und 1932, das eine für Ausfahrten, das andere für Rennen.

«Mir gefällt die Eleganz der Motorräder aus den 1930ern», erklärt der 53-Jährige, und man sieht ihm die Freude an. Seine Hand ruht auf dem Ledersitz, und er erklärt, dass diese Motorräder in Genf produziert worden sind.

Restauriert und aufpoliert

Die Töffs waren nicht immer so perfekt poliert, lackiert und gepflegt. Das eine Motorrad hat Blumer im Internet ergattert. Drei, vier Jahre hat er in die Restaurierung investiert. «Mit einem Kollegen zusammen haben wir fast alles selber gemacht», sagt Blumer. «Ich finde es schön, wenn man gemeinsam solche Projekte hat.» Ausserdem herrsche in dieser Szene eine hohe Hilfsbereitschaft, die er sehr schätze.

«Es macht Spass, wenn man mit seinem alten ‘Chlapf’ jüngere Modelle überholen kann.»

In der Werkstatt hängen Schraubenzieher und Schraubenschlüssel, der Grösse nach geordnet. Auf einem Regal stehen unzählige Spraydosen, daneben auf dem Boden Benzinkanister. Die Wände sind verziert mit Plakaten von Motorrädern, und überall kleben weisse, ovale Startnummern. Sie stammen von Berg- und Rundstreckenrennen, die Blumer schon seit bald 20 Jahren fährt. Er reist dafür auch nach Italien, Frankreich, Österreich.

«Mekka für Töfffahrer»

Das Rennenfahren hat Blumer also doch gepackt, obwohl er anfangs etwas skeptisch war. «Ich merkte jedoch schnell, dass ich mit der Maschine gut klarkomme. Und es macht Spass, wenn man mit seinem alten ‘Chlapf’ jüngere Modelle überholen kann», erzählt er lächelnd. Viele staunen, was man mit diesen Fahrzeugen noch alles machen könne, sagt Blumer.

Schnell ist die Rede von der «Isle of Man Tourist Trophy». Sie ist eines der ältesten Motorradrennen und findet auf der Isle of Man statt. Die Insel liegt zwischen Irland und England. Das Spezielle an dem Rennen ist, dass es auf der normalen Strasse stattfindet. «Es ist das Mekka für Töfffahrer», sagt Blumer, und man spürt seine Begeisterung. Schon zwei Mal ist er das legendäre Rennen gefahren. Leute aus aller Welt kämen zusammen, und man sei wie eine grosse Familie. «Es ist wie auf einem anderen Stern», sagt Blumer, und man sieht ihn förmlich mitten unter Gleichgesinnten. «Man trifft dort so viele interessante Leute, sitzt zusammen und redet über Motorräder», schwärmt Blumer. «Und man sieht rare Maschinen, die sonst nur in Museen stehen. Und dort fahren sie!», sagt er mit funkelnden Augen.

Benzin im Blut

Ein kleines Museum scheint auch sein Wohnhaus zu sein. Es liegt nur wenige Meter von seiner Werkstatt entfernt. Dort bewahrt er sein wahres Schmuckstück auf: seine dritte «Motosacoche». «Mein Traumtöff», nennt Blumer das Motorrad. Er zeigt mit beiden Händen, was speziell an der Maschine ist. Nämlich der bananenförmige, breite Tank.

Hinter dem Oldtimer hängt eine Schwarz-Weiss-Foto. Er zeigt mit dem Finger darauf und erzählt, dass der Mann auf dem Bild der ursprüngliche Besitzer der Maschine war.

Man kann Blumers Vorliebe für Motorräder fast anfassen, er zeigt sie auch gerne. Seine Augen leuchten auf, und ein Lächeln huscht über sein Gesicht, wenn er über seine Oldtimer spricht. Und er weiss nicht nur über seine Motorräder Bescheid, sondern auch über deren Geschichte. Ein wandelndes Geschichtsbuch könnte man meinen.

Zwei Bilder zieren die Wohnzimmerwand. Sie zeigen Blumer beim Rennen Fahren, er liegt beinahe waagrecht in der Kurve. Auch die Kommode ist voll von Fotos und Flyern von Rennen. Sogar ein Zeitungsartikel aus den 1930ern, der vom Klausenrennen handelt.

«Racing is life»

Darauf scheint er sehr stolz zu sein: Zwei Mal hat er das Klausenrennen in seiner Kategorie gewonnen. «Es ist nicht nur für die Maschine eine Herausforderung, die 21 Kilometer lange Strecke mit 120 Kurven hochzufahren.»

«Es ist so schön, wenn der Motor so ‘schnurrt’. Für mich ist es Lebensfreude pur.»

Auch wenn Blumer schon unzählige Rennen gefahren ist, kribbelt es jedes Mal. Es beginnt schon eine halbe Stunde vor dem Start. «Das gehört aber auch dazu», sagt der Oldtimer-Liebhaber. Für das Rennen braucht es Adrenalin. Und es scheint für ihn eine wahre Leidenschaft zu sein: «Racing is life, ‘s Läbä isch Renne’, wie Schauspieler und Rennfahrer Steve McQueen mal sagte. Alles davor und danach ist nur warten.»

Auch mal gemütlich

Trotzdem sind Marco Blumer auch die Gefahren bei solchen Rennen bewusst. Daher geniesst er auf der anderen Seite auch gemütliche Fahrten. Statt am Sonntag den überrannten Klausen hochzufahren, gehe er viel lieber auf eine Nebenstrasse. «Es ist so schön, wenn der Motor so ‘schnurrt’. Für mich ist es Lebensfreude pur.»

Auch im Dachzimmer in seinem Haus lebt er seine Technik-Nostalgie. Da stehen alte Benzinkanister, blecherne Reklametafeln oder das Radio von seinem Grossvater. Er drückt einen Knopf, und eine Stimme ertönt aus den Lautsprechern, es funktioniert immer noch. Hoch oben auf dem Dachbalken sind Pokale aufgestellt, die er an Rennen gewonnen hat. Seine «Plastikkübel», wie er sie liebevoll bezeichnet. Weitere Schwarz-Weiss-Fotos von ehemaligen «Motosacoche»-Besitzern hängen an den Wänden, und Blumer kennt jede einzelne Geschichte dahinter.

Mitten im Raum stehen ein Tisch und vier Hocker aus ummodellierten Holzkisten. «Ab und zu lade hier ich meine Freunde ein», sagt Blumer. Eine kleine «Töffkneipe» unter dem eigenen Dach.

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