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«Meinen Drachen werde ich vermissen»

Er ist der «Herr der Drachen»: Simon Otto, Chefanimator bei Dreamworks, ist zu Besuch im Linthgebiet. Im Gepäck dabei hat er den letzten Teil von «Drachen zähmen leicht gemacht».

14.02.19 - 14:15 Uhr
Leben & Freizeit

Er kennt sich aus in der Welt der Drachen – und er kann vor allem eins: zeichnen. Simon Otto aus Gommiswald hat sich als Chefanimator bei Dreamworks einen Namen gemacht. Mit viel Herzblut widmete er sich der Trilogie des Animationsfilms «Drachen zähmen leicht gemacht». Kurz vor der Schweizer Vorpremiere des letzten Teils im Kino Rex Uznach ist der 45-Jährige ein paar Tage zu Besuch in der Schweiz. Bei einem Cappuccino erzählt Otto, wie er seinen Figuren Leben einhaucht, wie am Anfang jedes Films eine Skizze steht und wie ihn seine Katze aus Gommiswald für den Drachen «Ohnezahn» inspirierte.

Simon Otto, der Drache «Ohnezahn», der aus Ihrer Feder stammt, ist erwachsen geworden. Wie sehr ist Ihnen die Figur in den letzten zwölf Jahren ans Herz gewachsen?

Simon Otto: «Ohnezahn» ist ganz klar «mein Baby». Ihn durch die gesamte Filmtrilogie zu begleiten, war faszinierend. Bereits nach dem ersten Teil von «Drachen zähmen leicht gemacht» war klar, dass ein Dreiteiler daraus wird. Die Geschichte sollte eine Frage beantworten, welche Cressida Cowell, die Autorin des Kinderbuches, zu Beginn aufwirft. Dort heisst es: «Als ich ein Junge war, gab es noch Drachen.» Wir wollten über die drei Filme die Antwort auf die Frage liefern, warum es heute keine Drachen mehr gibt.

Wie lässt man einen Drachen denn zeichnerisch älter werden?

Der Drache «Ohnezahn» hat sich grafisch eigentlich kaum verändert. Vom Aussehen her ist er einer der wenigen Figuren im Film, die konstant geblieben sind. Ich habe ihn von Anfang an mitgestaltet: Er soll für die Zuschauer eine Karikatur ihrer Beziehung zu einem Haustier sein. «Ohnezahn» hat Elemente einer Fledermaus, eines Salamanders und eines schwarzen Panthers. Gleichzeitig hat er Verhaltenszüge einer Katze. Alle drei Katzen, die es bisher in meinem Leben gab, haben «Ohnezahn» etwas mitgegeben: Wie sie mit einem Auge blinzeln, wie sie den Kopf drehen wenn sie dich anschauen, wie sie einem ums Bein streichen. Sogar die Katze «Bingo», die wir früher in Gommiswald hatten und die mich jeweils auf dem Heimweg von der Schule begrüsste, hat mich inspiriert.

Beginnt das Leben jeder Figur mit einer Skizze auf Papier?

Wir nehmen das Drehbuch mit der Beschreibung der Figuren und machen als Erstes eine Storyboard-Version zum Film: Das heisst, der ganze Film wird einmal durchgezeichnet – quasi als eine Art Comic und mit wenigen Strichen pro Figur. Pro Szene sind es vielleicht drei Zeichnungen. Für drei Minuten kommen wir auf 150 Skizzen, für den ganzen Film auf etwa 10 000. Das soll aber nicht den Eindruck erwecken, der Film sei gezeichnet. Viel eher ist es ein digitales Puppenspiel. Wir erstellen in einem zweiten Schritt eine Skulptur am Computer, um festzulegen, wie eine Figur sich bewegt: Ist sie leichtfüssig oder schwerfällig? Wie sieht ihre Mimik aus? Dies ist ein Grossteil dessen, was mein Job ausmacht: Her- auszufinden, wie die Figuren funktio-nieren. Das ist ein wenig wie Schauspielarbeit.

Nun sind im dritten Teil neue Charaktere dazugekommen. «Ohnezahn» verliebt sich in ein Drachenweibchen. Wie haben Sie seine Auserkorene entworfen?

Das war eine ziemliche Herausforderung. Der weibliche Drachen ist im Gegensatz zum Nachtschatten «Ohnezahn» ein Tagschatten. Dadurch war schnell klar, dass ihre Haut weiss sein musste: So bleibt sie am Himmel unerkannt. Wir haben aber auch in der Natur «abgeschaut», etwa bei Löwinnen und Löwen. Für andere Drachen holten wir uns im naturhistorischen Museum Inspiration: Ein Skelett eines prähistorischen Elches haben wir kombiniert mit den Gesichtszügen eines Hechts, der ein bisschen aussieht wie ein alter, grimmiger Mann.

Die Filmpremiere findet weltweit versetzt statt: In der Schweiz am 7. Februar, in Japan erst im Herbst. Mehr Zeit für Sie, um sich von Ihren Figuren zu verabschieden?

«Ohnezahn» habe ich in den letzten Jahren lieb gewonnen und werde ihn sehr vermissen. Schon als wir den letzten Teil des Films anpackten, war immer eine leichte Wehmut dabei. Ich wusste, das ist jetzt die letzte Szene mit dieser Figur, das letzte Mal, dass ich sie zum Leben erwecke. Das war sehr emotional. Gleichzeitig bin ich stolz auf die Trilogie. Ich hatte schon als Bub gehofft, es mit einem Animationsfilm ins Kino zu schaffen.

Nach 21 Jahren verlassen Sie die Dreamworks-Studios. Was haben Sie als Nächstes geplant?

Ich bin jetzt «vogelfrei» (schmunzelt). Ich weiss, was ich möchte, aber noch nicht wo: Mein nächstes Ziel ist es, in der Regie von Animationsfilmen Fuss zu fassen. Wohin es mich genau verschlägt, ist aber noch offen.

Morgen sind Sie zu Gast im Kino Rex Uznach: Wohin zieht es Sie jeweils, wenn Sie von Hollywood zurück ins Linth- gebiet kommen?

Es ist ein eigenartiges Gefühl: Ich fühle mich als Gast, als Tourist im eigenen Dorf. Meist gehe ich als Erstes spazieren: Oft zieht es mich auf unseren Hausberg, den «Rämel». Hier habe ich als Bub Skifahren gelernt.

Simon Otto ist morgen zu Gast im Kino Rex, Uznach. Nach der Film-Vorpremiere um 14 Uhr stellt er sich den Fragen der Zuschauer.

Von Gommiswald nach Hollywood
Simon Otto wurde 1973 in Gommiswald geboren. Nach einer Banklehre besuchte er die Les Gobelins Animation School in Paris. Seit 1997 arbeitet er für das Filmstudio Dreamworks und gehört zu den Chefanimatoren. Mit der Trilogie «Drachenzähmen leicht gemacht» feiert er grosse Erfolge. Simon Otto ist verheiratet und lebt mit Frau und Sohn in Los Angeles.

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