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«Dieser Flügel atmet»

Jedes Wochenende stellen hier mehr oder weniger bekannte Personen aus der Region ihren Lieblingsgegenstand – sozusagen ihr Schmuckstück – vor.

Linth-Zeitung
14.02.19 - 15:26 Uhr
Leben & Freizeit
Ein Instrument mit ganz eigenem Klang: Martin-Ulrich Brunner spielt auf einem Blüthner-Flügel aus dem Jahr 1917.
Ein Instrument mit ganz eigenem Klang: Martin-Ulrich Brunner spielt auf einem Blüthner-Flügel aus dem Jahr 1917.
MARKUS TIMO RÜEGG

von Elvira Jäger

Martin-Ulrich Brunner besitzt eine ganze Sammlung von Tasteninstrumenten. Sein absolutes Lieblingsstück ist ein Blüthner-Flügel, der 1917 in Leipzig gebaut wurde.

In Ihrer Wohnung stehen mehrere alte Instrumente. Warum haben Sie gerade den Blüthner-Flügel ausgewählt?

Wenn ich nur ein Stück aus meiner Wohnung mitnehmen dürfte, wäre es dieser Flügel. Man hat ja viele Dinge, die einem lieb geworden sind, aber der Blüthner-Flügel ist mir unter allen das Liebste.

Warum?

Ich kann ihn als Musiker zu beseeltem Leben erwecken. Wenn ich auf ihm spiele, entsteht ein Dialog; ich gelange in eine andere Welt, wandere in der Epoche des Komponisten. Der Flügel ist viel mehr als ein Möbelstück.

Wie ist dieser Flügel zu Ihnen gekommen?

Durch Zufall. Mein Klavierstimmer, der Joner Klavierbaumeister Alfons Amweg, machte mich darauf aufmerksam. Ein Musiker-Ehepaar, das zwei Flügel besass, wollte einen davon verkaufen. Es war immer mein Traum, einmal ein solches Instrument zu besitzen. Amweg hat den Flügel dann für mich wunderbar restauriert.

Was macht diesen Flügel für Sie so besonders?

Er hat ein ganz anderes Klangbild als moderne Flügel: mehr Wärme, mehr Obertöne, eine unglaubliche Transparenz in allen Lagen. Blüthner wollte sich mit einem speziellen Klangkonzept von seinen Konkurrenten Steinway, Bechstein oder Bösendorfer absetzen.

Der Flügel ist also eine spezielle Konstruktion?

In den hohen Lagen hat der Blüthner-Flügel eine vierte Saite. Es handelt sich dabei um eine Resonanzsaite, die nicht angeschlagen wird, jedoch mitschwingt. Das erzeugt diesen eigenen, singenden Klang. Blüthner war bis zum Ersten Weltkrieg als Klavierbauer auf Augenhöhe mit Steinway und den anderen Grossen. Einige grosse Komponisten und Pianisten hatten so ein Instrument und schätzten es.

Werden heute noch Blüthner-Flügel gebaut?

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Werkstätte in Leipzig total zerstört. Danach, in der DDR, produzierte ein volkseigener Betrieb zwar wieder, erreichte aber den vormaligen Stand nicht mehr. So ein Instrument wie dieses wird heute nicht mehr gebaut.

Was spielen Sie auf diesem Instrument?

Grosse Komponisten, von Bach über Mozart und Beethoven bis Debussy. Manchmal ist es, als ob deren Ahnengeister während des Spiels aus dem Flügel steigen würden. Ich spiele auch moderne Stilrichtungen, zum Beispiel Jazz. Ausserdem veranstalte ich Hauskonzerte. Der Flügel eignet sich wunderbar zur Liedbegleitung.

Kann man den Blüthner-Flügel mit einem heutigen Steinway vergleichen?

Ein Steinway von heute hat einen nivellierten Klang; er ist dunkler und orchestraler als der eher helle und kammermusikalische Blüthner. Dieser Flügel atmet. Sein Klang inspiriert, beglückt und verändert mich.

Organist und Pianist
Martin-Ulrich Brunner ist Berufsmusiker. Er war während 40 Jahren Organist in der Reformierten Kirchgemeinde Rapperswil-Jona sowie Musikschulleiter. Seine erste grosse Liebe sei die Orgel gewesen, sagt Brunner. Seiner zweiten grossen Liebe, dem Klavierspiel, frönt der 68-Jährige wieder vermehrt, seit er im Ruhestand ist. Brunner wohnt in Schänis. 

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