×

Insekten im Einkaufsregal sorgen für verwunderte Blicke

Mehlwürmer zum Knabbern, Heuschrecken zum Kochen: Seit Kurzem bietet Detailhändler Migros auch im Linthgebiet Insekten zum Verkauf an. Noch lassen die ungewöhnlichen Produkte aber viele erschaudern.

18.12.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

Fast könnte man sie übersehen. Unscheinbar angeordnet im Thai-Regal, zwischen Szechuan-Sauce, Reis und gelber Currypaste, stehen die Tüten mit Insekten: Mehlwürmer, Grillen, Heuschrecken. Abgepackt in mittelgrossen Portionen, getrocknet, ungewürzt. Bei den Heuschrecken schimmern einem hier und dort neckisch die Flügel entgegen.

So manch einer dürfte die neuen Verköstigungen per Zufall entdeckt haben. Seit Mitte Oktober mischt nach Coop nun auch Detailhändler Migros beim Geschäft mit Insekten auf dem Teller mit. Anders als bei Coop verkauft Migros pure, unverarbeitete Speise-Insekten: Schweizweit sind sie in 180 Migros-Filialen erhältlich. Die Insekten können entweder direkt als Snack aus der Verpackung gegessen werden oder dienen als Zutaten zum Kochen oder Backen.

30 Gramm getrocknete Mehlwürmer kosten 3.90 Franken, 20 Gramm Grillen gibt es für 4.90 Franken, und 15 Gramm Heuschrecken – die grössten und teuersten unter den drei Speise-Insekten – sind für 6.90 Franken erschwinglich. Mit den ungewöhnlichen Produkten will Migros nachhaltige Lebensmittelkonzepte unterstützen, welche die Ernährung in der Zukunft sicherstellen, schreibt der Grossverteiler.

«Ich habe die Insekten probiert – ich möchte schliesslich wissen, was wir verkaufen.»
Bettina Gyr, Filialleiterin Migros Uznach

«Aus Gwunder» hat auch Bettina Gyr, Filialleiterin der Migros Uznach, die Speise-Insekten ausprobiert. «Als Chefin möchte ich schliesslich wissen, was wir verkaufen», sagt sie schmunzelnd. Sie habe sich an die Grillen gewagt, indem sie diese in der Bratpfanne angedünstet und mit Pilzen vermischt zu einer Rahmsauce zubereitet habe. «Gar nicht mal so schlecht» sei die Sauce gewesen, so ihr Urteil. Auch die Heuschrecken will sie demnächst in die Pfanne geben.

Rapperswil-Joner sind mutiger

Im Linthgebiet sind die ungewöhnlichen Snacks nebst der Migros Uznach in der Filiale Rapperswil (Sonnenhof) erhältlich. «Je städtischer das Umfeld einer Filiale, desto grösser ist das Interesse und die Neugierde, die Insekten zu kosten», sagt Migros-Sprecher Francesco Laratta, zuständig für die Genossenschaft Migros Zürich. Diesbezüglich zeigen sich auch zwischen Rapperswil-Jona und Uznach Unterschiede: Zwar lägen noch keine aussagekräftigen Zahlen vor, doch die letzten Wochen hätten gezeigt, dass in der Migros Rapperswil mehr Insekten über die Theke gingen als in Uznach.

Die Zurückhaltung in Uznach bestätigt ein Augenschein vor Ort: Bei den Kunden, die kürzlich über Mittag das Regal mit den Insekten passierten, sorgten diese eher für Ablehnung (siehe Umfrage unten). Zwar machten die Produkte neugierig, wirklich zum Kauf überwinden konnte sich aber keiner der befragten Besucher.

Landesweit gesehen ist die Nachfrage offenbar grösser: «Die Insekten verkaufen sich sehr gut, wir sind etwa 70 Prozent über den budgetierten Absätzen», sagt Migros-Mediensprecherin Anne-Catherine Berrut. Gut möglich, dass die Optik der Insekten dabei eine Rolle spielt: So verkaufen sich die im Vergleich unauffälligeren Mehlwürmer etwas besser als die Grillen und Heuschrecken.

Ein Trend, der erst noch kommt

Noch nicht in der Obersee-Region erhältlich sind derzeit die Snacks mit den Krabbeltier-Zutaten von Coop: Seit August gibt es sie vor allem an Standorten in und um grössere Städte wie Zürich, Basel oder Luzern. Das Sortiment umfasst mittlerweile Insektenriegel, Burger, Insektenbällchen sowie eine Nuss-Mehlwurm-Mischung analog dem «Studentenfutter». Wie Coop-Mediensprecher Markus Eugster sagt, sei es aber «eine Frage der Zeit», bis auch die Filialen im Linthgebiet mit den Insektenprodukten ausgerüstet werden. «Viele Leute mögen die Snacks», sagt er, «vielleicht braucht es beim ersten Mal etwas Überwindung, sie zu kosten.» Seine Prognose? «Gut möglich, dass noch ein paar Jahre ins Land ziehen werden, bis sich der Trend mit den Insekten auf dem Teller durchsetzt.»

Kunden reagieren skeptisch

Angelika Burkhalter, Schmerikon

«Ich muss gestehen: Auf Insekten auf dem Teller habe ich überhaupt keine Lust. Es ‘gluschtet’ mich schlicht nicht, diese zu kosten. Anders wäre es vielleicht, wenn sie mir gekocht als ‘Probiererli’ angeboten würden, etwa in einer Sauce. Wenn sie denn gut schmecken, würde ich mich vielleicht sogar überwinden und im Grossverteiler eine kleine Tüte davon kaufen. Hier in der Schweiz ist die Hemmschwelle wohl bei den meisten recht gross, Insekten zu essen. Mein Sohn lebt in Singapur, und ich glaube, dort sind Insekten auf dem Teller nichts Ungewöhnliches. Hierzulande lautet meine Devise vorerst allerdings noch: Insekten – nein, danke.» 

Reto Schibli, Jona

«Die Insekten hier im Regal sind für mich eine ziemliche Überraschung. In der Verpackung kommen sie gut daher. Kaufen und essen würde ich sie so pur aber trotzdem nicht. Schon probiert habe ich Insektenburger – die haben erstaunlich gut geschmeckt. Ich denke, bei unverarbeiteten Insekten ist die Zurückhaltung ein wenig grösser. Man muss im Kopf wohl einen Schalter umlegen und darf nicht das krabbelnde Insekt vor sich sehen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Insekten ein beliebter Gag bei Polterabenden wären. Als spezielle Aufgabe müsste der Bräutigam vor dem Jawort eine Portion Heuschrecken vertilgen. En Guete!»

Ramona Jud, Uetliburg

«Als gelernte Köchin sagt mir der Trend zu Speise-Insekten eher nicht zu. Ich koche in einem Altersheim, da würden sich Grillen und Co. auf dem Teller nicht so gut machen. Die Senioren wären wohl recht skeptisch. Mit meinem Chef habe ich zum Spass mal Mehlwürmer geröstet – sie schmeckten aber nicht speziell. Bis sich der Trend in der Gastronomie durchsetzt, wird es wohl noch länger gehen. Ich denke, gegenwärtig sind es vor allem einige wenige Neugierige, die etwas Neues ausprobieren möchten und die Insekten zu Hause kochen. In den Restaurants der Region kann ich mir Menüs mit Insekten auf der Speisekarte nur schwer vorstellen.»

Andrin Baumgartner, Uznach

«Ich finde es cool, dass Migros jetzt Insekten verkauft. Bisher sind sie mir noch nicht aufgefallen in den Regalen – wohl auch, weil sie recht dezent zwischen all den ‘gewöhnlichen’ Lebensmitteln stehen. Die Idee, nachhaltige Lebensmittel zu fördern, finde ich positiv. Selber kosten würde ich spontan wohl am ehesten die Mehlwürmer, da sie relativ klein sind. Allerdings würde ich sie nicht pur essen wollen und zwingend in einem Gericht zubereiten. Lustig fände ich es, meine Kollegen zum Essen einzuladen und sie mit Insekten auf dem Teller zu überraschen. Die würden grosse Augen machen! Probieren würden aber vermutlich alle.»

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Leben & Freizeit MEHR