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Exoten unter den Exoten – «Teilzeitmänner» auf dem Lande

Nur 13 Prozent der Väter arbeiten in der Schweiz Teilzeit. Auf dem Land dürften es noch weniger sein. Eine Ausnahme ist Rolf Jud aus Maseltrangen. Der Vater zweier Söhne empfiehlt jedem, das Teilzeitmodell auszuprobieren.

Pascal
Büsser
06.05.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Action nicht nur am Wochenende: Rolf Jud kümmert sich an drei Halbtagen unter der Woche um seine beiden Söhne Julian (10) und Cédric (8).
Action nicht nur am Wochenende: Rolf Jud kümmert sich an drei Halbtagen unter der Woche um seine beiden Söhne Julian (10) und Cédric (8).
MARKUS TIMO RÜEGG

Für Rolf Jud ist klar: «Für mich würde es nicht stimmen, nur am Feierabend und Wochenende bei meinen Jungs zu sein.» An drei Halbtagen kümmert er sich um Julian (10) und Cédric (8). Seit rund sieben Jahren arbeitet Jud Teilzeit. Erst 60 Prozent, phasenweise gar nur 40, inzwischen wieder 70. Die Erziehung hat er sich von Anfang an hälftig mit seiner Frau geteilt, von der er inzwischen getrennt lebt, aber noch immer in gutem Kontakt steht. Seine neue Partnerin arbeitet 100 Prozent.

Arbeitgeber nicht begeistert

Ein Zuckerschlecken sei sein Modell nicht. «Es ist streng, die Arbeit und das Zuhause zu managen.» Trotzdem würde er es im Rückblick wieder so machen. «Es ist eine riesige Lebensqualität, mit den Kindern etwas unternehmen zu können und sie nicht erst am Abend zu sehen, wenn sie schon müde sind.» Die ersten Jahre seien die Zeit, in der man eine Beziehung zu den Kindern aufbauen könne. Der 38-Jährige ist überzeugt, enger mit seinen Söhnen verbunden zu sein, als Väter, die voll arbeiten. Aber auch den «normaleren, alltäglicheren Umgang» mit ihnen zu haben.

Bei seinem Arbeitgeber rannte er mit dem Wunsch auf Teilzeitarbeit keine offenen Türen ein. Als Mechaniker und stellvertretender Garagenleiter in einem Viermannbetrieb hat seine Abwesenheit direkte Auswirkungen. «Der Chef hätte es gerne, wenn ich mehr arbeiten würde.» Es sei ein permanentes Aushandeln.

In der Schweiz arbeiten nur gerade 13 Prozent der Väter Teilzeit. Bei den Müttern sind es dagegen vier von fünf, die keinen Vollzeitjob haben. Dies hat 2016 eine Befragung des Instituts Sotomo von Politgeograf Michael Hermann bei fast 22 000 Schweizerinnen und Schweizern ergeben.

Auf dem Land dürfte die Quote noch tiefer sein. Rolf Jud ist im Schänner Weiler Maseltrangen deshalb ein doppelter Exot. Er kennt jedenfalls niemanden in seinem Umfeld, der die Kindererziehung so konsequent mit der Frau aufteilt. «Was ich zunehmend sehe, sind Männer, die den Freitagnachmittag freinehmen.»

Zu Beginn musste sich Jud einige Sprüche anhören: «Die Hausfrau ist wieder daheim», hiess es dann etwa spöttisch. «Gerade von Hausfrauen gab es aber auch bewundernde Aussagen», so Jud.

Er legt es jedem Vater ans Herz, das Teilzeitmodell zumindest auszuprobieren. «Richtig Blut geleckt habe ich erst, als ich es erlebte.» Schmerzhaft seien allerdings die finanziellen Einbussen – weniger beim Lohn als bei der AHV und der Pensionskasse. «Da gibt es Riesenabstriche.» Jud würde sich trotz hohem Lebensstandard wünschen, dass die Schweiz Schritte für insgesamt familienfreundlichere Rahmenbedingungen unternimmt.

Dass man als Vater in der ersten Zeit eher überflüssig sei, empfand Jud nicht so. Umso weniger, als seine Frau nicht stillen konnte. «Beim Schöppelen gibt es keinen Unterschied.» Gleicher Meinung ist Roland Lieberherr. Der stellvertretende Redaktionsleiter der «Südostschweiz» hat drei Mädchen im Alter von 17, 12 und 8 Jahren. Seit rund 16 Jahren teilt er sich Haus- und Erziehungsarbeit mit seiner Partnerin. Die meiste Zeit arbeitete er 60 Prozent, seit zwei Jahren wieder 80. Da die erste Tochter ungeplant früh kam, reduzierte er sein Pensum, damit seine Frau ihre Ausbildung fertigmachen konnte. Im Rückblick würde er die Zeit zuhause nicht hergeben wollen. «Es ist eine extrem wertvolle Zeit, wenn die Kinder klein sind. Und sie geht schnell vorbei.» Ihm habe aber auch das Haushalten als Ausgleich zum kopflastigen Job gefallen. Jedermanns Sache sei das nicht. Auch er empfiehlt aber, es auszuprobieren.

Im ländlichen Ebnat-Kappel erlebte Lieberherr dasselbe wie Jud in Maseltrangen. Anerkennung kam primär von Frauen, Sprüche von Männern. Am meisten gestört habe ihn, wenn es hiess: «Du hasts schön, wieder drei Tage frei.» Kinderbetreuung zu Hause sei vieles, aber definitiv kein Ausspannen.

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