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Vom Hinterwäldler zum Quoten-Exoten

21.03.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Kommentar

Die Schweiz setzt (wieder) auf die vierte Landessprache – quels supers! Wie das Online-Portal «blick.ch» jüngst in einem Artikel berichtet hat, erlebt das Rätoromanische aktuell eine wahre Renaissance – perdunai, jeu manegel renaschientscha. Und dies sowohl in kulturellen als auch in wirtschaftlichen Gefilden.

Herzlichen Glückwunsch, liebe Nation! Du hast jetzt also ein neues Maskottchen gefunden – besser gesagt knapp 60'000 davon. Okay, etwas stur und zeitweise grummlig mögen sie vielleicht sein. Aber das herzliche und unglaublich selbstlose Wesen des gemeinen Rätoromanen macht jeden noch so forschen Spruch immediatamain wieder wett, oder? Darum beneiden uns die Zürcher wohl am meisten. Wir können anderen Leuten sagen, dass sie cugliuns sind und werden mit ziemlicher Sicherheit auch noch mit Komplimenten für den wunderbaren Klang der gewählten Worte eingedeckt: «En Kukiluun? Jöö, Ihr Bündner sind sooo häärzigi! Aso ich bin ja au chli Püntnar...». Bei Euch sind wir die Herzigen – in unserem Kanton sind wir gerne mal die Hinterwäldler. Ja, was denn jetzt!?

Nicht, dass wir nette Worte nicht zu schätzen wüssten, doch wenn wir Rätoromanen eines nicht ausstehen können, sind das irgendwelche verniedlichenden Worte. Wir sind ein Volk von Machern, (Quer-)Denkern und Zweiflern. Wir wissen, wie man Bäume fällt, Reifen wechselt, Häuser baut, im Sommer ganze Berghänge mit der Sense heut und haben EDV-Kenntnisse. Ihr könnt uns gerne freundschaftlich auf die Schulter klopfen oder einen wertschätzenden Händedruck einfordern, wenn sofern ihr schmerzende Finger in Kauf nehmt. Ihr könnt uns immer um Rat fragen oder uns Eure Sorgen mitteilen. Wir werden Euch verständnisvoll zuhören und mit viel Liebe anschweigen.

Aber bitte, verkauft uns jetzt nicht als the next big thing, diavelen! Wir brauchen keine Entdecker – die haben wir noch nie gebraucht! Wenn ein paar schmucke rätoromanische Begriffe Euren Business-Plan aufwerten, dann freuen wir uns darüber. Kurz. Und damit hat es sich dann auch. Für mehr haben wir keine Zeit, weil wir zu tun haben. 

Und lasst Euch eins sagen, liebe Unterländer: Nur weil jemand mal Erfolg damit hatte, einen unglaublich hässlichen «Gesundheitsschuh» nach der Barfusstechnik der Massai zu benennen (battas?) heisst das nicht, dass man in regelmässigen Zeitabständen mal sämtliche Minderheiten auf der Welt (oder im Land) scannen und zum Quoten-Exoten machen muss. Wir leben ganz gut auch ohne den Scheinwerfer.

Cars salids!

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