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Noch sind sie unter der Oberfläche

Sechs Männer bauen in Mitlödi zusammen an einer Modelleisenbahn, welche die Glarner Eisenbahnlinie darstellen soll. Allerdings erst, wenn sie dereinst fertig gebaut ist.

Sebastian
Dürst
24.02.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Unterschiedliche Berufe, gleiche Begeisterung: Markus Baumgartner (links) und Hansruedi Zopfi basteln jede Woche drei Stunden an ihrer Bahn in Mitlödi.
Unterschiedliche Berufe, gleiche Begeisterung: Markus Baumgartner (links) und Hansruedi Zopfi basteln jede Woche drei Stunden an ihrer Bahn in Mitlödi.
SASI SUBRAMANIAM

Hansruedi Zopfi sagt von sich, er sei bis vor einem Jahr handwerklich völlig unbegabt gewesen. «Aber immerhin: Meine Kollegen lassen mich schon löten, bohren und schrauben», sagt er. «Und das macht er gar nicht mal so schlecht», tönt es aus dem Hintergrund von Markus Baumgartner.

Die beiden gehören zu einer sechsköpfigen Gruppe, die sich einmal pro Woche trifft, um an ihrer grossen Modelleisenbahn-Anlage zu bauen. «Wir haben alle unterschiedliche Fähigkeiten», sagt Zopfi, er sei aber der einzige «Bürogummi». Er könne darum von den Handwerkern im Team viel profitieren, nicht nur beim Löten. Wie bei so vielen ist die Arbeit an der grossen Anlage als Erwachsener die Weiterverfolgung eines Kindheitstraums. «Ich hatte als Kind eine Märklin-Anlage, die ich aber nur von Zeit zu Zeit auf dem Zimmerboden aufgebaut habe – weil ich handwerklich nicht übermässig begabt war», sagt Zopfi und lacht. Kollege Baumgartner sei da praktischer veranlagt: Ohne ihn könnte er die Bahn nicht einmal laufen lassen, sagt Zopfi.

Den Bahnhof Glarus muss man sich noch vorstellen

Ja, laufen lassen kann man die Züge schon, wie Markus Baumgartner beweist. Und er beschreibt, was man sich im Moment noch vorstellen muss: «Hinten als Hauptstück sieht man den Bahnhof Ziegelbrücke, dort links unten Mühlehorn. Und», er zeigt auf einen Punkt mitten im Raum, einen halben Meter ob den Gleisen, «hier kommt einmal Glarus, ein Stock höher Schwanden und noch weiter oben Linthal hin.» Es gibt einen Grund, warum sich Baumgartner und Zopfi noch mit Gebärden und Beschreibungen helfen müssen, um die Anlage zu erklären: Sie ist noch lange nicht fertiggebaut. «Wir bauen noch mindestens vier bis sechs Jahre», schätzt Zopfi.

«Die unterste Ebene ist später einmal zu einem grossen Teil nicht mehr sichtbar»

Zopfi erklärt es mit dem Beispiel vom Gleis-Verlegen: Als Vorarbeit muss zuerst genau berechnet werden, wo und wie die Schienen in den Raum passen. Dann rechnen sie genau aus, wie viele und welche es braucht. Und natürlich müssen diese auch richtig befestigt werden: Sind die Schienen bei der fertigen Anlage nicht sichtbar, liegen sie auf einem Korkboden auf, sollen sie aber sichtbar sein, gibt es ein Fertig-Gleisbett aus Kunststoff.

Ein Jahr Arbeit für Schienen, die man später nicht sieht

«Die unterste Ebene ist später einmal zu grossen Teilen nicht sichtbar», erklärt Zopfi. Fachleute nennen das Schattenbahnhof: Hier werden die Züge parkiert, wenn sie nicht in der fertigen Landschaft herumfahren.

Ist es denn nicht frustrierend, ein Jahr lang an einer Anlage zu bauen, wenn man genau weiss, dass der grösste Teil der Arbeit später gar nicht mehr sichtbar sein wird? Nein, da sind sich Baumgartner und Zopfi einig. Zu faszinierend sei die Technik auch unter der Oberfläche, das Feilen an Details, wenn gemeinsam in der Sechsergruppe drei Stunden lang an der Bahn arbeiten.

«Pessimisten haben letztes Jahr fünf Cervelats für den Verpflegungsstand bestellt. Wir haben dann 50 gebraucht.»

In genau einer Woche, am Samstag, 3. März, veranstalten die sechs Modelleisenbahn-Fans einen Tag der offenen Tür (siehe Infobox). Das haben sie schon im letzten Jahr gemacht. Mit überraschendem Erfolg. «Pessimisten unter uns haben damals für den Verpflegungsstand fünf Cervelats bestellt. Wir haben dann um die 50 gebraucht und 180 Besucher begrüssen können», erzählt Zopfi mit einem Schmunzeln. Die sechs haben sich darum entschieden, jedes Jahr einen solchen Tag durchzuführen. Damit die Besucher miterleben, wie sich die Anlage von Jahr zu Jahr weiterentwickelt.

Nach der Arbeit das Vergnügen

Am Tag der offenen Tür werden übrigens Züge über die schon verlegten Gleise fahren. Welche, dass wollen Zopfi und Baumgartner noch nicht verraten. «Aber es werden sicher schöne und interessante Kompositionen aus verschiedenen Epochen darunter sein», sagt Zopfi. Die Züge fahren lassen, auch wenn die Anlage noch nicht fertig ist, das machen sie jedes Mal am Schluss der wöchentlichen Arbeit. Als Belohnung? Ja, natürlich als Belohnung, bestätigen die beiden Modellbahnbauer.

Markus Baumgartner lässt zum Beweis einen ICE über die Schienen laufen, der aus dem Schattenbahnhof über «Ziegelbrücke» nach «Mühlehorn» rattert. Wobei rattern nicht ganz das richtige Wort ist. Die Züge tönen nämlich je nachdem, ob sie über Kork, Kunststoff-Gleisbette oder auf der provisorischen Strecke direkt über Holz fahren, ganz anders.

Das erklärt Hansruedi Zopfi, während Markus Baumgartner den Zug vom provisorischen Steuerpult aus bedient. Und als die Bahn in ein Stromkabel eines Lötkolbens fährt, ruft Zopfi gutgelaunt zu Baumgartner: «Du machst das ja gar nicht mal so schlecht.»

Sebastian Dürst ist Redaktionsleiter der «Glarner Nachrichten». Er ist in Glarus geboren und aufgewachsen. Nach Lehr- und Wanderjahren mit Stationen in Fribourg, Adelboden und Basel arbeitet er seit 2015 wieder in der Heimat. Er hat Religionswissenschaft und Geschichte studiert. Mehr Infos

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